Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 190† Kloster Walkenried, Kreuzgang 1641

Beschreibung

Grabplatte für den Prior Friedrich Hildebrand. Das Grab befand sich im Ostflügel des Kreuzgangs vor dem Eingang zum Kapitelsaal, der seit 1570 als Kirche diente.1) Die Grabplatte ist im Anhang der Leichenpredigt für den Prior grafisch gesetzt wiedergegeben, was der Anbringung auf dem Stein entsprechen dürfte. Demnach befand sich im Innenfeld die Grabschrift A, umlaufend das Bibelzitat B. Inschrift A ist gedruckt in Typen wechselnder Größe, teilweise auch kursiv, was hier nicht wiedergegeben wird.

Inschriften nach Leichenpredigt.

  1. A

    VIR / ADMODVM REVERENDVS ET CL(ARISSI)mus / D(OMI)N(VS) / M(AGISTER) FRIDERICVS / HILDEBRANDUS, P(OETA) L(AUREATUS) / IMPERIALIS MONASTERII WAL-/CKENREDENSIS PRIOR ET PA-/ROCHUS EMERITUS, / CVMa) VIXISSET LXII. IN PRIORATV XIX. ANNOS, / PIE TANDEM DENATVS, PLACIDE IN VERA / FIDE ET AGNITIONE SALVATORIS SUI / OBDORMIVIT ANNO AERAE / CHRISTIANAE M DC XLI. / XXVI. FEBRUARII. / CORPUS EIUS IX. MART(II) RITU HONE/STO HUMATUM IN HOC TUMULO / RECUBAT, ET FUTURAM RESURRE/CTIONEM AD VITAM EXPECTAT, / ANIMA IN COELO SUPERSTES / SALUTE NUNQUAM PERI-/TURA FRUITUR. TU INTERIM, HVMANE LECTOR! / DISCE MORI VIVUS, MORITURUS VIVERE DISCE / MAGNUM EST, NOSSE PIE VIVERE, POSSE MORI.

  2. B

    JOHAN. III. SIC DEUS DILEXIT MUNDUM, UT / FILIUM SUUM UNIGENITUM DARET, UT OMNIS, QUI CRE-/DIT IN EUM, NON PEREAT, SED HABEAT VITAM AETER-/NAM,2) INFIT IPSISSIMA VERITAS CHRISTUS.

Übersetzung:

Der hochwürdigste und hochberühmte Herr, Herr Magister Friedrich Hildebrand, gekrönter Dichter, von seinen Pflichten entbundener Prior und Pfarrer des kaiserlichen Klosters Walkenried, ist, nachdem er 62 Jahre gelebt hat, (davon) 19 in seinem Amt als Prior, schließlich fromm gestorben und dabei friedlich im reinen Glauben und in Anerkennung seines Erlösers entschlafen im Jahr der christlichen Zeitrechnung 1641 am 26. Februar. Sein Leib wurde mit den rechten Ehren begraben am 9. März; er ruht in diesem Grab und erwartet die zukünftige Auferstehung zum (ewigen) Leben. Die weiterlebende Seele erfreut sich im Himmel des niemals vergehenden Heils.

Du, gebildeter Leser, lerne unterdessen, solange du am Leben bist, zu sterben, lerne als Sterblicher zu leben. Es ist etwas Großes zu wissen, wie man fromm lebt und fromm stirbt. (A)

Johannes 3. So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern das ewige Leben habe. So sprach Christus, der die reinste Wahrheit ist. (B)

Versmaß: Elegisches Distichon (A, DISCE MORI POSSE MORI).

Kommentar

Friedrich Hildebrand wurde am 29. Januar 1579 in Blankenburg als Sohn des Müllers Joachim Hildebrand und dessen Frau Ilse Siedemann geboren. Hildebrand besuchte die Schulen in Hannover, Hameln und Stadthagen. Anschließend ging er, der Leichenpredigt zufolge, an die Universitäten Würzburg, Königsberg, Rostock, Helmstedt und Jena.3) In Würzburg war er als Hauslehrer bei der polnisch-litauischen Fürstenfamilie Radziwill tätig, worüber er noch später ein Zeugnis besaß. Als Dichter und Philologe war er erfolgreich, so dass der als Mathematiker bekannt gewordene Adrianus Romanus (Adriaan van Roomen, 1561–1615), der seit 1593 in Würzburg eine Professur der Medizin innehatte, ihn zum Magister promovierte und als Dichter krönte.4) In Würzburg studierte er außerdem die Rechte, später aber Theologie auf protestantischen Universitäten. In Prag lernte Hildebrand den Reichsvizekanzler Rudolf Coraduz (amt. 1594–1612) kennen, dem er ein Jahr als Übersetzer aus dem Griechischen gedient haben soll. Hier könnte er auch mit seinem Landesherrn, Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel, in Berührung gekommen sein. Im Anschluss an die Zeit in Prag wurde Hildebrand im April 1610 Konrektor der Schule in Wolfenbüttel,5) später deren Rektor. In Wolfenbüttel heiratete er am 25. Mai 1617 Anna Pöhling, Tochter des Gandersheimer Generalsuperintendenten Joachim Pöhling (Polyngius, 1570–1646) und Enkelin des bedeutenden Wolfenbütteler Generalsuperintendenten Basilius Sattler (1549–1624).6)

Am 8. Mai 1622 wurde Hildebrand als Nachfolger von Heinrich Eckstorm Prior und Pastor in Walkenried. In seine Amtszeit fiel sowohl die Wiederinbesitznahme des Klosters durch Zisterziensermönche von 1629 bis 1631 infolge des Restitutionsediktes wie auch gravierende Zerstörungen und Verluste an Inventar durch plündernde kaiserliche und schwedische Truppen in den Jahren 1627, 1636 und 1637. Mehrmals musste Hildebrand deswegen nach Goslar und Nordhausen fliehen.7) Das daraus resultierende Durcheinander macht es unmöglich, den Umfang der Funktionen Hildebrands in diesen Jahren genau zu bestimmen. Wie seine Vorgänger war er nicht Rektor der Schule. 1623 wird Johann Boltenius als Rektor genannt, der dieses Amt bis 1626 ausübte.8) Danach ist kein Nachfolger namentlich bekannt. 1627/28 war nach einer kriegsbedingten Plünderung der Schulbetrieb ausgesetzt.9) Allerdings hat sich Hildebrand organisatorisch wie inhaltlich um die Fortexistenz der Klosterschule bemüht. Nach 1631 schrieb er der Schule Unterrichtsmethoden wie auch die Behandlung der Fächer Logik, Rhetorik und Mathematik (Arithmetik) vor. Zu Übungszwecken sollten Komödien verfasst werden.10) Leuckfeld schrieb ihm daher das Amt des Schulrektors zu.11) So wird er aber niemals genannt, nur im Titel der Leichenpredigt wird er auch als Lehrer bezeichnet. Der Übergang in den Ruhestand als Prior und Pastor – in der Grabschrift A wie im Titel der Threnologiae im Anhang der Leichenpredigt wird er als emeritus bezeichnet12) – kann erst kurz vor seinem Tod stattgefunden haben. Hildebrands Nachfolger Michael Prätorius (1599–1658) unterzeichnete sein Trauergedicht auf Hildebrand als Pro: Prior et Pastor Walkenrieds.13) Diese die Stellvertretung andeutende Bezeichnung als Pro: Prior ist selbstgewählt und einmalig in der Klostergeschichte. Prätorius, der von 1626 bis 1641 Pastor in Klettenberg war, war seit 1629 Subprior. Im Oktober 1642 wurde er Prior, was er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1654 blieb. Die Wolfenbütteler Regierung verwendete bis zu seiner Ernennung zum Prior allein den Titel Subprior.14)

1634 waren Hildebrands Söhne Joachim und Friedrich Schüler im Kloster.15) Beide wurden wie ihr Vater zu Dichtern gekrönt. Joachim Hildebrand (1623–1691) wurde Professor der Theologie in Helmstedt und 1662 Obersuperintendent in Celle.16) (Johann) Friedrich Hildebrand d. J. (1626–1687), der die Grabschrift für den Vater verfasste,17) wurde 1645 Konrektor in Ilfeld und 1651 in Nordhausen, wo er 1663 zum Rektor aufstieg; 1679 wechselte er in derselben Funktion nach Merseburg. Er war Verfasser zahlreicher Schulschriften.18) Eine Grabschrift, die im Formular ab CVM VIXISSET mit Ausnahme der Art der Datumsangabe fast identisch ist mit Inschrift A, ist für den 1648 gestorbenen Bürgermeister Heinrich Sommer überliefert, der in St. Blasius in Nordhausen begraben wurde.19) Auch sie dürfte von dem jungen Konrektor verfasst worden sein.

Textkritischer Apparat

  1. CVM] Qvum Leuckfeld.

Anmerkungen

  1. Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 2, S. 154. Ebenso auch die Angabe im Titel der Leichenpredigt (wie Anm. 7): … im Creutzgange für der Newen Kirchen zur Erden bestattet worden.
  2. Io. 3,16
  3. Davon ist nur die Immatrikulation in Helmstedt am 16. Oktober 1602 in den Matrikeln nachzuweisen; Matrikel Helmstedt, S. 162, Nr. 85. Die Angaben in der Leichenpredigt gehen offenbar auf mündliche Berichte des Verstorbenen zurück.
  4. Zur Dichterkrönung vgl. Flood, Poets Laureate, Bd. 2, S. 862f. Der Verweis auf van Roomen aus der Leichenpredigt wurde von Flood nicht aufgegriffen.
  5. Matrikel Helmstedt, S. 162, Nr. 85, Anm.: 27. April 1610 conrector scholae Henricopolitanae.
  6. Vgl. die Hochzeitsschrift: Nuptiis M. Friderici Hildebrandi Poetae Et Philosophi, Rectoris Scholae Guelficae, Sponsi Nec non … Annae, …, Joachimi Pölingii … filiae, Sponsae, … carmina, Wolfenbüttel 1617 (VD 17 23: 253578Z).
  7. Dazu siehe das Vitae curriculum in: Christliche Leichpredigt, Bey dem Begräbniß Weiland deß WolEhrwürdigen, … Herrn M. Friderici Hildebrandi, wolverdienten Prioris und Lehrers im Kloster Walckenrieth, … Gethan durch Eberhardum Schradern, Pfarrherrn zu Tettenborn, und berührten Klosters Conventualem, Nordhausen 1641, Bl. F[i]–G[i]; am Schluss 19 Seiten Trauergedichte (Threnologiae) in lateinischer, griechischer, hebräischer, syrischer (mit hebräischen Typen gedruckt) und deutscher Sprache, verfasst von den Pastoren von Nordhausen, Walkenried (Prätorius) und Großwechsungen, dem Rektor und dem Konrektor der Schule von Nordhausen sowie den beiden Söhnen Hildebrands; ebd., Bl. [Giii]v–[Iiv]v. Nach dem Lebenslauf Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 2, S. 151–154. Zusammenfassung der Personalia auch bei Roth, Auswertungen, Bd. 5, S. 154 (R 4261). Vgl. Wagnitz/Reinboth, Klosterschule, S. 32f. Reinboth, Die letzten Zisterzienser, passim.
  8. Wagnitz/Reinboth, Klosterschule, S. 39. Bolten wurde 1626 Pastor in Niedersachswerfen (Lkr. Nordhausen); Meyer, Pastoren, Bd. 2, S. 195; laut Meyer starb er 1627. – Bolten hatte 1617 ein Hochzeitsgedicht auf Friedrich Hildebrand und Anna Pöhling verfasst; vgl. Anm. 6 (Bl. A2).
  9. Vgl. Reinboth, Die letzten Zisterzienser, S. 10–12 u. 17.
  10. Schrader, Leichenpredigt Hildebrand (wie Anm. 7), Bl. [Fiv]v.
  11. Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 2, S. 153.
  12. Schrader, Leichenpredigt Hildebrand (wie Anm. 7), Bl. [Giii]v; im Titel ist wolverdienten als Äquivalent zu emeritus anzusehen.
  13. Schrader, Leichenpredigt Hildebrand (wie Anm. 7), Bl. H[i]v. ProPrior auch im Bericht vom 20. März 1641: NLA WO 11 Alt Walk, Nr. 107, Bl. 46f.
  14. Zur Ernennung zum Subprior und Prior vgl. NLA WO 11 Alt Walk, Nr. 102; zur Pensionierung 115 Alt, Nr. 04 (diese zit. nach Online-Findbuch). Prätorius, geboren in Torgau, kam 1611 nach Wolfenbüttel zu seinem Onkel, dem gleichnamigen Musiker. 1612 formal immatrikuliert, studierte er von 1619/21 an Theologie in Helmstedt (Matrikel Helmstedt, S. 225, Nr. 87 mit Anm.). 1629 wurde er, schon in seinem Pastorat, in Helmstedt zum Magister promoviert (ebd., S. 318, Nr. e3). Am 9. April 1658 starb Prätorius in Nordhausen. Vgl. Benedikt Lesche, Theopistia, …, Bey Christlicher Sepultur und Begräbniß Des Weyland WolEhrwürdigen, GroßAchtbarn und Wolgelahrten Herrn M. Michaelis Praetorii, … wolverdienten Prioris und Pfarherrn, … Nordhausen [1658], Bl. [Ciii]v–D[i]v; danach Roth, Auswertungen, Bd. 10, S. 102 (R 9144). Leuckfeld folgt den Angaben in der Leichenpredigt (nur das Todesjahr ist falsch mit 1659 angegeben), bezeichnet Prätorius allerdings auch als Schulrektor, wovon in der Leichenpredigt nicht die Rede ist; Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 2, S. 154f. Freist/Seebaß führen Prätorius in der Ortsliste irrtümlich bereits seit 1626 als Pastor in Walkenried; Freist/Seebaß, Pastoren, Bd. 1, S. 199 (danach Wagnitz/Reinboth, Klosterschule, S. 40), nicht so allerdings im biografischen Artikel: Freist/Seebaß, Pastoren, Bd. 2, S. 133 (Nr. 1711), mit Bd. 3, S. 35.
  15. Wagnitz/Reinboth, Klosterschule, S. 97.
  16. Vgl. Flood, Poets Laureate, Bd. 2, S. 863–868 (mit Veröffentlichungsliste). Max, Grubenhagen, Bd. 2, S. 321f.
  17. Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 2, S. 154. Die Grabschrift steht im Anhang der Leichenpredigt (wie Anm. 7) vor den Trauergedichten des Friedrich Hildebrand.
  18. Vgl. Flood, Poets Laureate, Bd. 2, S. 868–871. Ersch/Gruber, Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste, II. Section, 8. Tl., Leipzig 1831, S. 120 (G. Rathgeber).
  19. Johann Heinrich Kindervater, Gloria templi Blasiani, Oder: Ehrengedächtniß Der Kirche S. Blasii in der Reichs-Stadt Nordhausen …, Nordhausen 1724, S. 126f. Abweichend tritt für CORPUS EIUS dort Quidquid mortalis reliquit ein.

Nachweise

  1. Schrader, Leichenpredigt Hildebrand (wie Anm. 7), Bl. [Jiii]r.
  2. Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 2, S. 154 (A).
  3. Reinboth, Die letzten Zisterzienser, S. 37 (A, nach Leuckfeld).

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 190† (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0019006.