Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 189† Osterode, St. Aegidien 1640 u. später

Beschreibung

Gemälde an den Emporen. Die Ölgemälde zeigten Szenen aus der Bibel. Die Stifter ließen unter den Bildern ihre Namen anbringen, die Renner 1833 überlieferte. Die „alten, meist werthlosen Oelgemälde an den Priechen herum“ wurden bei der ersten großen Erneuerung der Aegidienkirche im Sommer 1842 „weggenommen“.1)

Inschriften nach Renner.

  1. Andreas Vietor Hatorpia) // Johann Helmbrecht // Johann Hundt // Helena Margareta Hattorf // Christian Evers // Peter Bunten // Zacharias Lentfert // Jordan Friedrich // Heinrich Wenneborn // Albrecht Strump // Hans Wenneborn // Georg Vogelsang // Kurd Rochoff // D(octo)r Balthasar Knorn // 5Med(icinae) L(icentiatus) B.b) Joh(ann) Crauel // Heinrich Hattorf // Heinrich Wendt // Bodo von Hodenberg // Jakob Klapprodt // Thilo Bornemann // Joh(ann) Bodo Cludius // Jobst von Dransfeld // Heinrich Iden // Silvester Meier // Barthold Deppe // Andreas Hagemann // Barthold Lamb // Heinrich Meinberg // Viktor Wendeborn // Heinrich Kempe // Barthold Uder // 10Bernhard Lentfert // Heinrich König // Jonas Mori // Hans Egena // Christian Schimpf // Barthold Jeronimus // Heinrich Hohgreven // Heinrich Lamprecht // Andreas Schrader // Michel Schrader // Valentin Reinhard // Jürgen Dietrich // Heinrich Becherer

Kommentar

Im Jahr 1636 war eine Erweiterung des Chores nach Norden begonnen worden. Im Anschluss daran wurden die Orgel (1643–1646) und die Kirchenstühle erneuert.2) In diesem Zusammenhang entstanden auch die an den Emporen angebrachten Gemälde, mit deren Stiftung sich die Angehörigen der städtischen Oberschicht und einige herzogliche Beamte verewigten. Zeitlich lässt sich die Entstehung der Gemälde außer durch die Bemerkungen bei Wendt durch die Lebensdaten der Stifter eingrenzen. Der zuerst genannte Pastor Andreas Vietor bzw. Böttcher oder Bödeker aus Hattorf ist 1640 gestorben (Nr. 188). Dr. Johann Hund (Z. 1) fungierte seit 1617/18 als Rat der Regierung und Kanzlei des Fürstentums Grubenhagen;3) er starb 1643.4) Barthold Lamb (Z. 8), Ratsherr von 1620 bis 1660 (gest. 1662), stiftete 100 Taler, die für die 1646 abgeschlossene Erneuerung der Orgel verwendet wurden.5) Bernhard Lentfert (Z. 10) wurde 1593 an der Universität Helmstedt immatrikuliert; 1598 heiratete er zum ersten Mal, 1601 wurde er Mitglied der Kauf- und Kramergilde, 1605 Ratsherr, von 1617 bis 1643 war er Kämmerer und 1644 Bürgermeister; am 6. April 1646 wurde er begraben.6) (Helena) Margarete Hattorf (Z. 1f.) starb 1647.7) Der seit 1646 amtierende Landdrost Bodo von Hodenberg (Z. 6) starb 1650 (Nr. 212). Damit ist gesichert, dass zumindest ein Teil der Gemälde vor 1650, beginnend etwa mit dem Jahr 1640, entstanden ist.

Wie weit sich der Zeitraum der Entstehung erstreckte, lässt sich weniger deutlich ausmachen. Die meisten Bilder scheinen bis in die 1660er Jahre angefertigt worden zu sein. Keiner der nach 1660 in den Rat eingetretenen Männer erscheint noch als Stifter. Der an zweiter Stelle stehende Johann Helmbrecht (1631–1685) war von 1674 bis zu seinem Tod Inhaber der zweiten Pfarrstelle an St. Aegidien.8) Wenn man von seinen Lebens- und Wirkungsdaten ausgeht – sein Todesdatum ist das späteste sicher ermittelte –, ist von einer Entstehung bis in die 1680er Jahre auszugehen. Auch die Daten zweier in den 1660er Jahren nach Osterode eingeheirateter Stifter (Georg Dietrich und Valentin Reinhard, s. u.) sprechen dafür.

Von den 44 Stiftern lässt sich die größte Zahl identifizieren, der Rest lässt sich zumindest einer Osteroder Familie zuordnen. Nur fünf gehörten der fürstlichen Beamtenschaft an: der Landdrost Bodo von Hodenberg, Regierungs- und Kanzleirat Dr. Johann Hund, dessen 1637 bestallter Kollege Dr. Balthasar Knorr (Knorn, Z. 4), der noch 1669 lebte,9) der 1648 zum Oberförster bestallte Jakob Klapprodt (Z. 6),10) der 1647 einen Kelch für St. Jacobi stiftete (Nr. 204), sowie der Forstschreiber Johann Bodo Cludius (1635–1674, Z. 7), Enkel von Andreas Cludius (Nr. 171), der 1662 Bürger wurde.11) Die übrigen zählen in der Mehrzahl zu den Osteroder Ratsfamilien. Bürgermeister Johann Crauel (Z. 5), der 1665 starb, stiftete im Zuge der Neuausstattung der Kirche 1644 auch eine reichgeschmückte Weinkanne (Nr. 198). Neben dem Bürgermeister (und Stadtchronisten) Heinrich Wendt (Z. 5f.) sind als Ratsherren zu identifizieren (in Klammern die Jahre der Mitgliedschaft im Rat): Christian Eberts (Evers, 1625–1639), Zacharias Lentfert (1654–1666, geb. 1617; beide Z. 2), Jordan Friedrich (1614–1637/38),12) Heinrich Wendeborn (1658–1668; beide Z. 3), Heinrich Hattorf (1637–1681, geb. 1602), Tile Bornemann (1637–1665), Heinrich Iden (1647–1673), Silvester Meier (1653–1673), Barthold Deppe (1636–1662), Andreas Hagemann (1636–1674), Barthold Lamb (s. o.), Viktor Wendeborn (1620–1646), Heinrich Kempe (1628–1658), Barthold Uder (1630–1662), Bernhard Lentfert (s. o., alle Z. 5–10).13) In zwei Fällen ist die Identifizierung wegen Namensgleichheit nicht eindeutig. Heinrich Hogreve (Z. 11) dürfte eher der Vater des Handelsmannes und Ratsherrn (1683–1698) Heinrich Hogreve sein, der bei der Trauung des letzteren im Jahr 1674 noch lebte.14) Auch bei Michel Schrader (Z. 12) dürfte der Vorzug dem älteren der Namensträger zu geben sein, der 1636 Bürger und 1657 (bis 1698) Ratsherr wurde,15) und nicht dem als iun. bezeichneten pictor (Maler), der 1655 Bürger wurde und von 1675 bis 1689 Ratsherr war.16)

Rats- oder Beamtenfamilien gehörten an: Hans Wendeborn (Z. 3),17) Kurt Rochoff,18) Georg Vogelsang (beide Z. 4), der 1633 das Bürgerrecht erwarb19) und die Oblatendose Nr. 197 stiftete, der bereits erwähnte Oberförster Jakob Klapprodt (Z. 6), Heinrich Meinberg (Z. 8f.), Hans Eggena (geb. 1615, Z. 10),20) ein Sohn des Bürgermeisters Bartold Eggena (1572–1644), Christian Schimpf (Z. 10f.) sowie Andreas Schrader (Z. 12).21) Die einzige Frau unter den Stiftern, (Helena) Margarete Hattorf (1588–1647; Z. 1f.), war eine Schwester des Ratsherrn und Kämmerers Heinrich Hattorf (Z. 5; zum gleichnamigen Vater vgl. Nr. 156) und Witwe des Eisenfaktors Heinrich Roth (um 1580–1626).22) Der Jurist Jobst von Dransfeld (ca. 1592–1679, Z. 7), der aus einer Göttinger Ratsherrenfamilie stammte, war seit 1641 verheiratet mit Anna Maria Hattorf (geb. 1610), einer jüngeren Schwester der Vorgenannten (und Mutter des Johann Bodo Cludius aus ihrer ersten Ehe); das Paar lebte seit 1643/44 in Osterode, wo 1644 eine Tochter geboren wurde.23)

Als Bürger bzw. Einwohner zu identifizieren sind Peter Bund (Bunten, auch Punte; Z. 2) der 1636 und 1653 heiratete,24) Heinrich König (Z. 10), Bottmacher aus der „Freiheit“, der 1643 in St. Aegidien heiratete,25) Jonas Mori (Z. 10), der zwischen 1642 und 1654 dreimal heiratete und laut seinem letzten Heiratseintrag Weinwirt (Oenopola) war.26) Das Bürgerrecht erwarben Barthold Hieronymus (1627), Heinrich Lamprecht (1645; beide Z. 11) und Heinrich Becherer (1669; Z. 13).27)

Außer den drei Beamten sind zusammen mit Jobst von Dransfeld vier der Stifter zugezogen: Jürgen Dietrich (Z. 12), der sicher mit Georg Dietrich aus Osterwieck identisch ist, der 1666 durch Heirat mit der Witwe seines Vorgängers Besitzer der Papiermühle bei Osterode wurde und 1669 das Bürgerrecht erhielt.28) Valentin Reinhardt (Z. 12) war ein Pulvermacher aus Witzenhausen, der zwischen 1660 und 1663 die Pulvermühle vor der Stadt und 1663 das Bürgerrecht erwarb.29) Albrecht Strump (Z. 3) schließlich könnte mit dem Soldaten Albrecht Strumpf aus dem Regiment von Hodenberg identisch sein, der 1635 in St. Aegidien heiratete.30)

Textkritischer Apparat

  1. Renner: Andreas Viktor (Hatorpi); zur Korrektur der Namenslesung vgl. Nr. 188.
  2. Sinngemäß zu ergänzen: B(ürgermeister).

Anmerkungen

  1. Vgl. Ungewitter, Baugeschichte, S. 21.
  2. Wendt, Geschichte, S. 224–226.
  3. Max, Grubenhagen, Bd. 1, S. 414f.
  4. Zu Hund vgl. Nr. 182.
  5. Vgl. Wendt, Geschichte, S. 225f.; Heller, Ratsherren, S. 31.
  6. Schimpf, Familie Lentfert, S. 20f. Vgl. Heller, Ratsherren, S. 32 (mit leicht abweichenden Daten).
  7. Mahrenholtz, Stammfolge Hattorf, S. 11 (Nr. III.1).
  8. Vgl. Meyer, Pastoren, Bd. 2, S. 251. Von 1660 bis 1674 amtierte er in Groß Freden; ebd., Bd. 1, S. 361. Vgl. Roth, Auswertungen, Bd. 6, S. 182f. (R 5288).
  9. Vgl. Max, Grubenhagen, Bd. 1, S. 415. StadtA Gö AA, Nr. 1379 (zit. nach Online-Findbuch).
  10. Vgl. NLA HA Celle Br. 11, Nr. 322 (zit. nach Online-Findbuch). Vgl. auch Celle Br. 57, Nr. 177/1 (1649).
  11. Vgl. Schimpf, Cludiussche Haus, S. 46f.
  12. Vgl. Wendt, Geschichte, S. 312, 314 u. 424; Heller, Ratsherren, S. 30–32. Schimpf, Familie Lentfert, S. 21f.
  13. Vgl. Wendt, Geschichte, S. 311f. (Eintrittsjahre); Heller, Ratsherren, S. 30–33. Zu Heinrich Hattorf vgl. Mahrenholtz, Stammfolge Hattorf, S. 13 (Nr. IVb).
  14. Schubert, Trauregister, Bd. 1,10, S. 988 (05.05.1674); siehe auch ebd., S. 1011 (08.11.1692).
  15. Vgl. Granzin, Bürgerbuch, S. 16. Wendt, Geschichte, S. 312. Heller, Ratsherren, S. 32.
  16. Vgl. Granzin, Bürgerbuch, S. 22. Wendt, Geschichte, S. 313. Heller, Ratsherren, S. 32.
  17. Bürger 1626 (zusammen mit Heinrich Wendeborn); Granzin, Bürgerbuch, S. 13.
  18. Bürger 1627; Granzin, Bürgerbuch, S. 14. Barthold Rochoff war etwa 1626 Schultheiß geworden; vgl. Wendt, Geschichte, S. 308, mit NLA HA Cal. Br. 3, Nr. 78.
  19. Granzin, Bürgerbuch, S. 15. Casper Vogelsang war 1625 Ratsherr geworden; Wendt, Geschichte, S. 312.
  20. ofb.genealogy.net/famreport.php?ofb=NLF&ID=I138287 (17.08.2016).
  21. Vgl. insgesamt Wendt, Geschichte, S. 310–312.
  22. Vgl. Wolfgang Büsing, Der Osteroder Eisenfactor Heinrich Roth, in: HbllHarzRd 19, 1966, S. 10–17; darin auch zu Roths u. a. mit Hilfe des Reichskammergerichts gegen den Wolfenbütteler Herzog ausgefochtenem Streit. Büsing korrigiert teilweise die Daten bei Mahrenholtz, Stammfolge Hattorf, S. 11 (Nr. III.1).
  23. http://ofb.genealogy.net/famreport.php?ofb=NLF&ID=I415060&nachname=DRANSFELD,%20VON&modus=&lang=lt (17.08.2016). Korrigiert die Daten gegenüber Mahrenholtz, Stammfolge Hattorf, S. 11 (Nr. III.7). Vgl. bereits Schimpf, Cludiussche Haus, S. 46.
  24. Schubert, Trauregister, Bd. 1,10, S. 954 (15.02.1636) u. 964 (30.01.1653).
  25. Schubert, Trauregister, Bd. 1,10, S. 958 (12.11.1643); sein gleichnamiger Sohn, Kramer bzw. Handelsmann, erscheint dreimal im Trauregister: 17.07.1667, 29.11.1676, 07.07.1680; ebd., S. 977, 991 u. 996.
  26. Schubert, Trauregister, Bd. 1,10, S. 957 (23.10.1642), 963 (30.11.1651) u. 965 (05.02.1654). Der Eintrag auf S. 965 ist als „Cenopola“ transkribiert, was aber sicher aus Oenopola verlesen ist.
  27. Granzin, Bürgerbuch, S. 14, 18 u. 27.
  28. Vgl. Wendt, Geschichte, S. 18. Granzin, Bürgerbuch, S. 27.
  29. Vgl. Struve, Pulvermühle, S. 31–35. Granzin, Bürgerbuch, S. 27. Reinhardts Wappen und Name fanden sich auch am Orgelprospekt; Renner, Nachrichten, S. 271. Vgl. Nr. 200.
  30. Schubert, Trauregister, Bd. 1,10, S. 954 (31.03.1635).

Nachweise

  1. Renner, Nachrichten, S. 269f.

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 189† (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0018907.