Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 188† Osterode, St. Aegidien 1640

Beschreibung

Gemälde des Pastors Andreas Böttcher bzw. Vietor. Das lebensgroße Bild wurde vermutlich 1842 bei einer Kirchenrenovierung zusammen mit anderen Epitaphien und Bildern entfernt. Die Umschrift überliefern Spangenberg (1810) sowie der Pastor Johann Justus Steinhöfel (amtierte 1819–1828 an St. Aegidien) in seinen Collectanea Aegidiana.1)

Inschrift nach [Spangenberg].

  1. VIR REVERENDVS ET DOCTISSIMVS D(OMI)N(V)S ANDREAS VIETORa) HATTORPI / ANNO 1573. NATVS ET RENATVS STVDIA HVMANITATIS ET THEOLOGIAE / BRVNSVIGAE CELLIS ET GOETTINGAE BENE CEPIT , JENAE FELICITER ABSOLVIT VOCATVS A SENATV SCHOLAMb) HVJVS VRBIS ANNOS XIIc) / ECCLESIAM VERO HANC XXX VITA ET DOCTRINA SANA / REXIT TANDEM CANITIE GRAVIS AD PLVRES ABIIT / RELICTO MORTALITATIS EXEMPLO D(IE) XXVI. AVG(VSTI) M DC XLd)

Übersetzung:

Der ehrwürdige und hochgelehrte Mann Herr Andreas Vietor (Böttcher) aus Hattorf wurde 1573 geboren und getauft. Das Studium der humanistischen Fächer und der Theologie hat er in Braunschweig, Celle und Göttingen tüchtig begonnen und in Jena erfolgreich beendet. Berufen vom Rat der hiesigen Stadt hat er zwölf Jahre die Schule dieser Stadt und schließlich 30 Jahre diese Kirche durch vorbildhaftes Leben und reine Lehre geleitet. Zuletzt vom Alter gebeugt, ging er am 26. August 1640 dorthin, wo die Mehrzahl ist, und hinterließ ein Beispiel des Sterbens.

Kommentar

Andreas Böttcher bzw. Bödecker, der sich zumeist latinisiert Vietor (eigentlich Korbmacher) nannte,2) wurde 1573 in Hattorf in der Nähe von Osterode geboren. Nach dem Besuch der Schulen in Braunschweig und Celle sowie des Pädagogiums in Göttingen studierte er in den Jahren 1600 und 1601 Theologie an den Universitäten Helmstedt und Jena.3) Bereits 1602 wurde er Rektor der Lateinschule in Osterode und heiratete 1603 Catharina Raschemeyer, die Tochter des Pastors in Gittelde. 1610 wurde Böttcher – gegen den Widerstand des Rates, der sein Patronatsrecht verletzt sah, – vom Konsistorium in Wolfenbüttel zum Gehilfen (Adjunkt) des etwa neunzigjährigen Pastors Johann Sinderam (amtierte in Osterode 1565–1614; vgl. Nr. 155) ernannt. Nach dem Tod Sinderams präsentierte ihn der Rat auf die zweite Pfarrstelle an St. Aegidien; zum ersten Pastor rückte von 1614 bis 1624 Johann Stapel (vgl. Nr. 155) auf, dem Böttcher 1624 nachfolgte. Erst jetzt gab er das Rektorat der Stadtschule auf. Im Jahr 1615 war seine erste Frau gestorben; noch im selben Jahr heiratete er Gesa Sötefleisch. 1632 wurde Böttcher von den kaiserlichen Besatzern der Stadt inhaftiert. Am 26. August 1640 starb er im Alter von 67 Jahren an der zu scharfen Behandlung eines Tränensackgeschwürs mit Abführmitteln (purgationen).4)

Textkritischer Apparat

  1. VIETOR] Vietor Schäfer, VICTOR Spangenberg.
  2. SCHOLAM] Fehlt Schäfer.
  3. ANNOS XII] So Schäfer, ANNO XI Spangenberg.
  4. XL] So Schäfer, XIV Spangenberg.

Anmerkungen

  1. Vgl. Schäfer, Pastoren an St. Aegidien, S. 132.
  2. Der latinisierte Nachname wurde wiederholt (von Spangenberg, Rotermund und auch Max) als Victor wiedergegeben. Spangenberg fasst ihn als Vornamen auf und nennt den Pastor, die Inschrift des Gemäldes missverstehend, Pastor Hattorpi; [Spangenberg], Nachtrag, Sp. 160. Danach wird er bei Rotermund verzeichnet als Hattorp, Andreas Victor; vgl. Rotermund, Das gelehrte Hannover, Bd. 2, S. 269. Max nennt ihn richtiger „Andreas Victor (eigentlich Bötticher)“; Max, Grubenhagen, Bd. 2, S. 296. Den Irrtum korrigiert haben bereits Ph. Meyer und Schäfer: Meyer, Pastoren, Bd. 2, S. 250; Schäfer, Pastoren an St. Aegidien, S. 130.
  3. Matrikel Helmstedt, S. 153 (Nr. 29): Andreas Vietor Hattorpensis (21. März 1600). 1601 in Jena immatrikuliert als Andreas Vietor, Osterodensis; Matrikel Jena, S. 344 (1601a, 37).
  4. Schäfer, Pastoren an St. Aegidien, S. 130f. – In der Anmerkung zur Matrikel heißt es, dass Vietor am 16. November 1606 als Pastor in Osterode verpflichtet worden sei; Matrikel Helmstedt, S. 153 (Nr. 29), Anm. Vielleicht ist aber auch der Zusatz „Pastor“ irrtümlich und Vietor wurde zunächst nur als Schullehrer auf das Corpus doctrinae Julium verpflichtet; dazu vgl. allgemein ebd., S. VII.

Nachweise

  1. [Spangenberg], Nachtrag, Sp. 160.
  2. Schäfer, Pastoren an St. Aegidien, S. 132 (nach den Collectanea Aegidiana).
  3. Max, Nachrichten, S. 9.

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 188† (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0018803.