Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 182† Osterode, Alte Schule 1636

Beschreibung

Kaminsturz. Der mit zwei Wappen versehene Kamin befand sich im Saal des ersten Obergeschosses, der um 1870 auf einen Flur reduziert war.1) Die Initialen waren wahrscheinlich Wappenbeischriften. Das Gebäude der früheren Stadtschule brannte am 1. Februar 1887 ab.2) Der Kaminsturz dürfte dabei verlorengegangen sein. Andere Reste des Baus befinden sich im Museum, darunter die Wetterfahne Nr. 183, ebenfalls mit den Initialen der ersten Hausbesitzer. Die heutige Stichstraße „Alter Schulhof“ erinnert an den Standort des früheren Schulgebäudes.

Inschrift nach Mithoff.

  1. I(OHANNES) H(VND) D(OCTOR) F(VRSTLICH) B(RAVNSCHWEIG) V(ND) L(VNEBVRGISCHER) R(AT) //a) ANNO CHRISTI 1636 //a) H(ELENE) M(ARGARETA) H(VND) G(EBORNE) V(ON) D(ASSEL)

Kommentar

Johann Hund wurde am 18. April 1585 in Brakel (Stift Paderborn, heute Kreis Höxter) als Sohn des Kämmerers Heinrich Hund (gest. 1607) geboren; seine Mutter Catharina Hollmann war eine Tochter des Bürgermeisters Jacob Hollmann. Nach dem Besuch mehrerer Schulen (1597 Salzuflen/Lippe, 1600 Hannover, 1602 Göttingen) ging Johann Hund, der sich latinisiert als Canisius immatrikulierte, im Sommer 1604 an die Universität Jena3) und 1608/09 auf der Flucht vor der Pest nach Helmstedt;4) von 1610 (17. Mai) bis zum Frühjahr 1613 studierte er in Gießen und wechselte dann 1614 nach Wittenberg, wo er den Grad des Lizentiaten erwarb.5) Nachdem er zuvor schon verschiedene Adelige als Anwalt vertreten und mehrere Fürstenhöfe bereist hatte, trat er auf Empfehlung eines Wittenberger Professors noch 1615 in den Dienst des in Dannenberg residierenden Herzogs Julius Ernst aus der Celler Linie des Welfenhauses. Im April 1616 begleitete er Herzog Georg nach Prag zu Verhandlungen über die Übergabe des Fürstentums Grubenhagen. Nachdem diese erfolgt war, wurde Hund 1617 zum Regierungs- und Kanzleirat der Regierung in Osterode ernannt, zunächst als Vertreter der Dannenbergischen Nebenlinie, seit 1618 für den Celler Herzog Christian d. Ä.6) Hund heiratete am 1. November 1618 die verwitwete Catharina Tedener (1584–1632), Tochter des Hof-, Kanzlei- und Konsistorialrates Johann Tedener (ca. 1550–1610) in Northeim,7) die am 13. Mai 1632 starb.8) Die Ehe blieb kinderlos. Am 28. Oktober 1633 heiratete er in zweiter Ehe Helene Margarete von Dassel, die am 4. August 1604 auf dem väterlichen Gut in Hoppensen (Lkr. Northeim) geboren wurde. Hund starb am 26. Juli 1643; am 13. August wurde er in St. Jacobi in einem eigenen Gewölbe beigesetzt.9) 1637 war er von schwedischen Soldaten in Osterode als Geisel genommen worden und erst nach der Ausstellung eines Wechsels über 10.000 Taler nach drei Tagen in Markoldendorf freigelassen worden.10) Helene Margarete von Dassel, deren Eltern Georg von Dassel und Ilse von Valberg 1626 in Einbeck an der Pest gestorben waren, starb nach neunzehnjähriger Witwenschaft am 13. Mai 1662.11)

Das Paar hatte zwei Kinder. Am 20. August 1639 wurde der Sohn Johann Georg geboren, der vier Tage später getauft wurde. 1655 an Masern erkrankt, starb er am 8. Januar 1656.12) Der jüngere Bruder Heinrich Wilhelm wurde getauft am 21. März 1641. Seine Eltern mussten mit ihm im Oktober dieses Jahres vor kaiserlichen Soldaten nach Clausthal fliehen, wo er am 10. Dezember 1641 starb. Helene Margarete von Dassel stiftete (nach 1650) der Jacobikirche in Osterode ein Gemälde mit der Übergabe der Augsburgischen Konfession an Kaiser Karl V. Auf diesem ist das Ehepaar mit den beiden verstorbenen Kindern als Stifter abgebildet.13)

Das Haus gelangte nach dem Tod der Helene Margarete von Dassel in den Besitz der mit dem Ehepaar verwandten Familie Heistermann.14) Diese verkaufte es 1691 an die Stadt, die darin die Latein- bzw. Stadtschule einrichtete.15)

Textkritischer Apparat

  1. Jeweils ein senkrechter Strich in der Wiedergabe bei Mithoff.

Anmerkungen

  1. Mithoff, Kdm. Göttingen und Grubenhagen, S. 173.
  2. Leuschner, Osterode in der Frühneuzeit, S. 244. Nach dem Auszug der Stadtschule (Lateinschule, Gymnasium, seit 1833 Progymnasium) in die Schachtruppvilla im Jahr 1867 beherbergte das Haus nur noch die Bürger-Knabenschule; Leuschner, Aufstieg, S. 420.
  3. Vgl. Matrikel Jena, S. 169: 1604a, 58; im Original (Bl. 252v): Johannes Canisius Brakensis Westpha(lus); http://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00248248/Ms_Prov_f_109_0504.tif?logicalDiv=jportal_jparticle_00526994 (09.07.2018).
  4. Matrikel Helmstedt, S. 195, Nr. 209: Joannes Canisius, Brakelensis (29. Dezember 1607).
  5. Matrikel Gießen, S. 186: Johannes Canisius, Brakela-Westphalus, jc. (19. Juni 1610). Matrikel Wittenberg, Jg. Reihe, Tl. 1, S. 163 (Nr. 629): Iohannes Canisius Brakela Westphalus; laut Anm. 5 ebd. 1618 zum Lizentiaten und am 16. Februar 1619 zum Doktor iuris promoviert; laut Roth (wie folgende Anm.) bereits am 13. Oktober 1615 in Wittenberg Lizentiat.
  6. Das Vorstehende insgesamt nach Roth, Auswertungen, Bd. 8, S. 19 (R 7026); aufgrund der Leichenpredigt: Franz Daniel Bergius, Trost und Labsal in frommer Christen Trübsal …, Nordhausen 1643. Nach dieser auch Schimpf, Gemälde, S. 23. Zur Anstellung bei der Regierung vgl. Max, Grubenhagen, Bd. 1, S. 414–416.
  7. Zu Johann Tedeners Epitaph von 1610 vgl. DI 96 (Lkr. Northeim), Nr. 226.
  8. Roth, Auswertungen, Bd. 6, S. 175 (R 5271); nach der Leichenpredigt des Franz Daniel Bergius, Wahrer Christen wahrer Lebens vnd SterbensTrost …, Goslar 1632. Nach dieser auch H. Lommatzsch, Das merkwürdige Leben der Frau Catharina Hundt, in: Heimat-Kalender des Kreises Osterode, 1963, S. 58–60. In der Leichenpredigt für Johann Hund wird irrtümlich 1615 als Jahr der ersten Eheschließung genannt (wie Anm. 6); danach auch Schimpf, Gemälde, S. 23.
  9. Roth, Auswertungen, Bd. 6, S. 175 (R 5271); danach Schimpf, Gemälde, S. 23. Das Heiratsdatum 28. Oktober ebenso: Schubert, Trauregister, Bd. 1,10, S. 954 (Nr. 953); in der Leichenpredigt für die Ehefrau (wie Anm. 11) irrtümlich 27. Oktober. Sein Testament ließ Hund am Morgen seines Todestages aufsetzen; vgl. NLA Cal. Br. 15, Nr. 1971.
  10. Max, Grubenhagen, Bd. 1, S. 459; nach Wendt, Geschichte, S. 424.
  11. Roth, Auswertungen, Bd. 4, S. 33f. (R 3059); nach der Leichenpredigt des Henning Bentius, Osterode 1662.
  12. Roth, Auswertungen, Bd. 8, S. 20 (R 7027); nach der Leichenpredigt des Johannes Ließgang (Liesegang), Goslar 1656. Danach auch Schimpf, Gemälde, S. 24.
  13. Zur Identifikation des auf dem Gemälde abgebildeten, namentlich nicht genannten Paares dienten die Geburts- und Todesdaten der Kinder; vgl. Schimpf, Gemälde, S. 22 u. 24. Zu dem Gemälde vgl. auch Konrad v. Vietinghoff, Einige kirchengeschichtliche und ikonographische Bemerkungen zu dem Bild „Übergabe der Augsburgischen Konfession“ im Besitz der St. Jacobi-Schloßkirchengemeinde zu Osterode, in: HbllHarzRd 35, 1979, S. 19–21.
  14. Ein „Georg Heinrich Heistermann, Erbsasse zu Hüxar“ (Höxter) wird in der Leichenpredigt der Helene Margarete von Dassel an dritter Stelle unter den Verwandten genannt; vgl. Roth, Auswertungen, Bd. 4, S. 34 (R 3059).
  15. Leuschner, Osterode in der Frühneuzeit, S. 244f. Max, Grubenhagen, Bd. 2, S. 278f. Schimpf, Gemälde, S. 24.

Nachweise

  1. Mithoff, Kdm. Göttingen und Grubenhagen, S. 173.
  2. Leuschner, Osterode in der Frühneuzeit, S. 244 (nach Mithoff).

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 182† (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0018201.