Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 177 Herzberg, St. Nicolai 1631

Beschreibung

Epitaph für die Prinzessin Dorothea Magdalena von Braunschweig-Lüneburg. Sandstein und schwarzer, gemaserter Stein (Marmor?).1) In der Gruft der 1845 fertiggestellten Kirche an der nördlichen Stirnwand. Erhalten ist eine Texttafel in einer pilastergerahmten Rechtecknische mit abschließendem, mehrfach vorkragendem Gebälk mit einem Palmettenfries, sowie einem ausladenden Seitenhang mit einer aus einem Bogen herauswachsenden Herme (links) bzw. einer Karyatidherme (rechts), möglicherweise mit Porträts der Eltern. Die oberen zwei Drittel der Pilaster sind als Nische mit Muschelabschluss gestaltet, in der sich jeweils eine Figur befunden haben könnte. Ein Unterhang ist ebenso wenig erhalten wie ein Giebel oder ein mögliches Obergeschoss, das die Wappen der Eltern aufgenommen haben könnte.2) Die zentriert angeordnete Inschrift auf der aus einem schwarzen Stein gefertigten Tafel in der Nische, vertieft und goldfarben gefasst.

Das Epitaph hing ursprünglich an der südöstlichen Wand der Anfang 1840 abgebrochenen Bartholomäuskirche über der zugehörigen, inschriftenlosen Grabplatte der Verstorbenen und neben dem Epitaph ihrer älteren Schwester Magdalena (Nr. 161).3)

Maße: H.: 137 cm; B.: 89 cm; Bu.: 3,2 cm, 4 cm (Name).

Schriftart(en): Kapitalis mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg H. Lampe) [1/4]

  1. SVB SAXO ISTO QVIESCIT / GENEROSISSIMA HEROINVLA / DOROTHEA MAGDALENA / FILIOLA GEMELLA / ILLVSTRISSIMI ET CELSISSIMI PRINCIPIS / AC DO(MIN)I D(OMI)N(I) GEORGY DVCIS BR(VNSVICENSIS) ET LVNAEBVRG(ENSIS) / QVAE / D(IE) · 20 NOVE(MBRIS) 1629 · NATA : ET BAPTIZATA · 6 · IAN(VARII) (1)630 / D(IE) · 17 · NOVE(MBRIS) (1)630 · MORTVA : ET TERRAE REDDITA · 13 · IAN(VARII) (1)631a) / ADEOQVE CVM MAGNO / JNCLYTAE FAMILIAE CELSISSIMORVM PARENTVM / SVBDITORVM OMNIVM / MOERORE / INTRA PAVCOS DIES REDEVNTDESb) / NATA DEFVNCTA : BAPTIZATA · SEPVLTA : / TE QVICVNQVE HAEC LEGIS, VT / VICISSITVDINE(M) HVMANA(M) PROVIDENTIA(M) DIVI=/NAM , FATVM COMMVNE / TAM INSIGNI EXEMPLO AGNOSCAS / ET / ILLVSTRISSIMIS PARENTIB(VS) / NVNC / CONDOLEAS, / OLIM / LAETIORA PRECERIS, / MONET

Übersetzung:

Unter diesem Stein ruht die allerhöchst geborene kleine Heldin Dorothea Magdalena, Zwillingstöchterlein des durchlauchtigsten und allererhabensten Fürsten und Herrn, Herrn Georg, Herzogs von Braunschweig und Lüneburg, die am 20. November 1629 geboren wurde und getauft am 6. Januar 1630. Sie ist gestorben am 17. November 1630 und wurde der Erde zurückgegeben am 13. Januar 1631. Und da sie unter so großer Trauer ihrer berühmten Familie, ihrer allererhabensten Eltern und aller Untertanen bei der nur um wenige Tage abweichenden Wiederkehr eines Datums geboren und gestorben ist, getauft und begraben wurde, ermahnt sie dich, wer auch immer du dies liest, dass du die menschlichen Wechselfälle, die göttliche Vorsehung und das allen gemeinsame Schicksal an diesem so bedeutenden Beispiel erkennst und mit den durchlauchtigsten Eltern jetzt Mitleid empfindest und dereinst für sie ein glücklicheres Ergehen erbittest.

Kommentar

Die von einem ausgeprägten Stilwillen gekennzeichnete Schrift ähnelt in der Anlage der auf der Grabplatte Nr. 160, ist aber präziser als dort ausgeführt. Auffallend sind die verlängerten, durchgebogenen oder geschwungenen Schäfte mehrerer Buchstaben: über die Oberlinie verlängert beim V, unter die Grundlinie verlängert bei A und M, bei dem der rechtsschräge Balken des über der Mittellinie endenden Mittelteils gleichfalls über die Oberlinie ausgezogen ist; hinzu kommen die entsprechend gestalteten Cauden von R und Q, wobei die letztere geschwungen quer durch den Buchstaben verläuft. Beim Z sind beide Balken und der Schrägschaft gebogen bzw. geschwungen ausgeführt, ebenso die beiden Schäfte des asymmetrischen Y. Die Cauda des G ist eingestellt und, wie der verkürzte Mittelbalken des E, am Ende gespalten. Die unteren Balken an E und L sind verlängert.

Die fast genau ein Jahr nach ihrer Geburt verstorbene Prinzessin war eine Tochter von Herzog Georg aus der Celler Linie sowie Anna Eleonore von Hessen-Darmstadt und eine Zwillingsschwester des späteren Herzogs und ersten Kurfürsten Ernst August (1629–1698). Die Leichenpredigt auf die kleine Prinzessin hielt Johann Roscher (1589–1668), der von 1624 bis 1668 als Hofprediger in Herzberg amtierte; von 1636 bis 1643 wirkte er zeitweise an St. Marien in Göttingen.4) Roscher hielt 1641 und 1659 auch die Leichenpredigten auf die Eltern der Verstorbenen.

Textkritischer Apparat

  1. Die Daten sind so angeordnet, dass die Tagesangaben und die Jahreszahlen untereinanderstehen; dazwischen stehen, in geschweiften Klammern, nur einmal die Monate November bzw. Januar; in der Edition werden NOVE(MBRIS) und IAN(VARII) wiederholt. Die in dieser Anordnung zum Ausdruck kommende Abfolge der Daten wird im weiteren Text der Inschrift ausdrücklich thematisiert. Die Anordnung hat bei Spangenberg zu einer verkürzten und damit verfälschten Abschrift geführt: D(ie) 20 Novembris 1629 nata et baptizata. D(ie) 13 Januarii 1630 mortua et terrae reddita 1631.
  2. Statt REDEVNTES.

Anmerkungen

  1. [Spangenberg], Kurze Geschichte, Sp. 1253.
  2. Hallidays Informant, der Herzberger Pastor Starcke, vermutete, dass sich über dem Epitaph ursprünglich noch ein Aufsatz mit den Wappen der Eltern befunden haben könnte, der entfernt worden sei, als der Kirchenstuhl des Amtmannes verlängert wurde; Halliday, House of Guelph, S. 399f.
  3. Ebd.
  4. Meyer, Pastoren, Bd. 1, S. 492.

Nachweise

  1. Halliday, House of Guelph, S. 400f.
  2. [Spangenberg], Kurze Geschichte, Sp. 1254.

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 177 (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0017700.