Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 169†? Kloster Walkenried, Steinlager? 1622

Beschreibung

Grabplatte für den Prior Heinrich Eckstorm. Stein. Auf der ehemaligen Altarplatte mit Reliquiengruft, die sich ursprünglich im zur Kirche umgenutzten Kapitelsaal befand, waren um 1900 und noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts nur zwei Wappen zu erkennen. Diese Wappen sind der Überlieferung der Inschrift im Kirchenbuch Walkenried ebenfalls beigegeben. Die Platte befand sich bis Februar 2005 im sog. „alten Lapidarium“, dem heute als Museum genutzten Gebäudeteil.1) Seitdem liegt sie vermutlich im offenen Steinlager hinter der Abtei; sie konnte ohne größeren technischen Aufwand nicht identifiziert werden.

Inschrift nach Kirchenbuch, Maße nach Reinboth.

Maße: H.: 69 cm; B.: 61 cm.

  1. Hic situm est corpus M(agistri) Henrici Ecxstormii ecclesiae et scholae in hoc phrontisterio pastoris et rectoris qui animam suam Christo Jesu ΤΩ ΤΩΝ ΨYΧΩΝ HMΩΝ ποιμενι και επισκοπο2) reddidit Anno Christi M DC 22 Febr(uarii) 26 Aetatis suae LXV

Übersetzung:

Hier liegt begraben der Leib des Magisters Heinrich Eckstorm, Pastor der Kirche und Rektor der Schule im hiesigen Studienort, der seine Seele Christus Jesus, dem Hirten und Aufseher unserer Seelen, zurückgab im Jahr Christi 1622, am 26. Februar, im 65. Lebensjahr.

Wappen:
Eckstorm,3) Zimmermann4)

Kommentar

Heinrich Eckstorm (1557–1622) aus Elbingerode am Nordharz hatte selbst von 1571 bis 1575 die Klosterschule in Walkenried sowie von 1575 bis 1577 diejenige in Ilfeld besucht,5) wo er bei dem Melanchthon-Schüler Michael Neander (1525–1595) lernte. Anschließend studierte er in Wittenberg (1578), Jena (1579) und Leipzig (1586); 1584 wurde er in Jena zum Magister promoviert. Seit 1588 war Eckstorm Diakon in Ellrich, von 1591 an Rektor und Pastor in Walkenried. Als er 1613 Prior wurde, gab er das Rektoramt an Martin Schweser ab.6) Spätestens 1612 erhielt er die Dichterkrönung.7)

Eckstorm war verheiratet mit Elisabeth Zimmermann (1572–1608), vgl. Nr. 144, 145; das Paar hatte neun Kinder. 1601 und 1602 starben zwei der Söhne jung, für deren Grababdeckung Eckstorm ebenfalls ehemalige Altarplatten verwendete; Nr. 132, 134. Ende 1609 heiratete er in zweiter Ehe die Witwe eines Pastorenkollegen aus Ellrich. Seine Grabplatte ließ Eckstorm bald nach dem Tod seiner ersten Frau im Jahr 1608 anfertigen.8) Die Grabschrift entwarf er sicher selbst; sie ähnelt im Formular den Inschriften auf den Grabplatten seiner Söhne.

Eckstorm stellte Latein und Griechisch in den Mittelpunkt der Schulausbildung in Walkenried. Damit erweist er sich als ein Enkelschüler Philipp Melanchthons (über Neander) und dessen Bildungsideals. Eckstorm verfasste Gedichte, Schuldramen, historische Werke und zwei naturwissenschaftliche Schriften, die sich im Wesentlichen als Zusammenstellung von Quellen seit der Antike zu Bergstürzen und Erdbeben bzw. zu Sonnenfinsternissen, Kometen und Meteoren erweisen.9) Seine (für dieses Buch vielfach benutzte) Klostergeschichte ist eine historiografische Leistung und wichtige Quelle für seine Zeit. Widmungen und Trauergedichte in Leichenpredigten und Gedenkschriften für Gelehrte, Schulrektoren, Pastoren und Landesherren zeigen, wie deren Gegenstücke in den Leichenpredigten für ihn und seine Frau (vgl. Nr. 144), Eckstorm als Teil eines Kreises von humanistisch Gebildeten, die sich und ihre Bildung auf diese Weise in Latein und Griechisch zelebrierten. Außer Neander sind unter diesen vor allem dessen Nachfolger in Ilfeld, Johannes Cajus (1563–1642?), Heinrich Petreus (1546–1615), Heinrich Meibom (1555–1625) und Andreas Cludius (vgl. Nr. 171) hervorzuheben.10) Neben dem Schwiegersohn Andreas Haselhorst, Pastor in Großwechsungen (vgl. den Kommentar zu Nr. 144), gehörte auch Vitus Bulle (Bulius), der die Leichenpredigten für den am 5. März 1622 beigesetzten Eckstorm und zuvor für dessen Frau verfasste, zu diesem Kreis. Bulle, Pastor in Hohegeiß (1598–1611) und Niedersachswerfen (1611–1626), war seit 1608 Bursar, seit 1622 Subprior des Klosters.11)

Anmerkungen

  1. Vgl. Reinboth, Bestattungen, S. 38 (mit Abb. eines Auszugs aus dem Kirchenbuch).
  2. Nach 1. Pt. 2,25: νῦν ἐπὶ τὸν ποιμένα καὶ ἐπίσκοπον τῶν ψυχῶν ὑμῶν.
  3. Wappen Eckstorm (Anker). Vgl. Bulius, Leichenpredigt für Elisabeth Zimmermann, Bl. [Ai]v; der beigegebene Bibelspruch (nach Heb. 6,19) erläutert die Wahl des Wappens: Wir haben die Hoffnung als einen sichern vnnd festen Ancker vnser Seele.
  4. Wappen Zimmermann (Jagdhorn, am Band gehalten von einer Vogelklaue). Vgl. Bulius, Leichenpredigt für Elisabeth Zimmermann, Bl. [Ai]v; auch hier erläutert der beigegebene Bibelspruch (nach Lc. 1,69) die Wahl des Wappens: Gott hat vns auffgericht ein Horn des Heyls in dem Hause seines Dieners Dauids. In einer späten Veröffentlichung bezeichnet Eckstorm das Wappen als das der Familie Schlanstedt, aus der die Mutter der Elisabeth Zimmermann stammte (vgl. Nr. 58); Heinrich Eckstorm, Historiae Terrae motuum complurium, …, Helmstedt 1620 (Rückseite des Titels) (VD 17 3:008404U).
  5. Laut der Ilfelder Matrikel vom 11. April 1575 bis 22. Juli 1577; Hugo Kühlewein, Mitteilungen zur Geschichte des Klosters und der Klosterschule in Ilfeld, in: Jahrbuch über die Königliche Klosterschule zu Ilfeld von Ostern 1885 bis Ostern 1886, Nordhausen 1886, S. 1–86, hier S. 12. Vgl. auch Lesser, Historie, S. 131.
  6. Bulius, Leichenpredigt für Heinrich Eckstorm, Bl. Divr–E[i]v. Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 2, S. 150f. Vgl. Eckstorm, Chronicon Walkenredense, Bl. Hhh3v (Henricus Eckstormius Eiligerodensis). Lesser, Historie, S. 131. Freist/Seebaß, Pastoren, Bd. 2, S. 76 (Nr. 977). Braunschweigisches Biographisches Lexikon, S. 185 (D. Lent). – Eckstorm wurde im April 1573 in Wittenberg immatrikuliert; Matrikel Wittenberg, Bd. 2, S. 224b (Z. 39): Henricus Extormius Elbingerodensis. Zur Immatrikulation in Jena 1579 vgl. Matrikel Jena, S. 95: Exdorm, Hnr. Elbingroden(sis). Zur Immatrikulation in Leipzig 1586 vgl. Matrikel Leipzig, Bd. 1, S. 89: Eckstormius Hnr. Benickenstein.
  7. Vgl. Flood, Poets Laureate, Bd. 2, S. 474f.
  8. Bulius, Leichenpredigt für Heinrich Eckstorm, Bl. Eiiir.
  9. Historiae Terrae motuum complurium, …, Helmstedt 1620 (VD 17 3:008404U); Historiae Eclipsium, Cometarum Et Pareliorum, …, Helmstedt 1621 (die Ausgabe von 1627: VD 17 27:717432N). Beide Werke sind die Produkte von Studien, die Eckstorm bereits in Jena begann; vgl. die Historiae Terrae motuum, Bl. S3.
  10. Es lassen sich vorläufig (sicher unvollständig) 42 Titel ermitteln, bei denen Eckstorm als Autor oder Mitautor (etwa eines Gedichtes) in Erscheinung tritt; die meisten sind im VD 16 und VD 17 verzeichnet. Vgl. auch Flood, Poets Laureate, Bd. 2, S. 475.
  11. Bulius, Leichenpredigt für Heinrich Eckstorm, Titel; Bulius, Leichenpredigt für Elisabeth Zimmermann, Titelblatt. Zu Bulle/Bulius vgl. Freist/Seebaß, Pastoren, Bd. 1, S. 115; Bd. 2, S. 48 (Nr. 620).

Nachweise

  1. Reinboth, Bestattungen, S. 38 (Nr. 39).
  2. Kirchenbuch Walkenried, S. 1a.
  3. Kdm. Kreis Blankenburg, S. 355 (erwähnt).

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 169†? (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0016905.