Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 161 Herzberg, St. Nicolai 1618

Beschreibung

Epitaph für die Prinzessin Magdalena von Braunschweig-Lüneburg. Holz, Fragment. Das Epitaph hing im Chor der 1840 abgebrochenen Bartholomäuskirche an der südöstlichen Wand oberhalb der Grabplatte Nr. 160 der Verstorbenen und neben dem Epitaph ihrer Schwester Dorothea Magdalena Nr. 177. In den oberen Ecken zwei Wappen, wahrscheinlich die der Eltern, in der Mitte die Inschriften.1) Erhalten ist nur die aus drei teilweise gerissenen und gewellten Brettern zusammengesetzte, in einen Eisenrahmen eingefügte Schrifttafel mit den in Gold auf schwarz gemalten Inschriften.2) Oben Inschrift A, zentriert mit nach unten kleiner werdenden Zeilen angeordnet, unten Inschrift B. Inschrift A ist durch herablaufende Feuchtigkeit erheblich gestört, in den ersten beiden Zeilen sind Wörter auf einem eingefügten Blechstück alt ergänzt. Die Reste kamen 1841 in die Gruft der neuerbauten Nicolai-Kirche. Nach einer Restaurierung im Jahr 2017 wurden sie wieder an der Westwand der Gruft gegenüber der Grabplatte aufgehängt. An der kopialen Überlieferung ist bemerkenswert, dass Spangenberg Inschrift A, Halliday dagegen Inschrift B korrekter wiedergibt.

Maße: H.: ca. 93 cm; B.: ca. 88 cm (beide ohne Rahmen); Bu.: 2,2 cm (A), 2,8 cm (B).

Schriftart(en): Schrägliegende Minuskeln mit schrägliegender Kapitalis (Namen und Versalien).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Katharina Kagerer) [1/1]

  1. A

    Nata est illustrissima princeps h[eroinu]l[a]a) MAG-/DALENA serenissimi principis ac domini, Domi-/ni GEORGJ, ducis Brunsvicensisb) Lunibur-/gensis Primogenita filiola A(nn)o 1618 i[x] Au-/gusti nocte inter secundam et ter[tiam] / obijt eodem die inter undecima[m] / et duodecimam horam meri-/dianam pax piisc) manib(us).

  2. B

    Non opus est luctu, quod prima ab origined) coelo / Reddita sum nobis. fasne site) invideas? / Incipe uterq(ue) parens mordacem sistere lessumf) / Coelestes inter jubila pango duces / Dans praecepta alijs, vitae fastidia discant / Atq(ue) omnem in CHRISTO spem posuisse / suam.g)

Übersetzung:

Geboren wurde die durchlauchtigste Fürstin, die kleine Heldin Magdalena, des durchlauchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Georg, Herzogs von Braunschweig und Lüneburg, erstgeborenes Töchterlein im Jahr 1618 am 9. August in der Nacht zwischen der zweiten und dritten Stunde; sie starb am selben Tag zwischen der elften und zwölften Mittagsstunde. Friede ihrer frommen Seele. (A)

Trauer ist nicht nötig, dass ich in meinen ersten Anfängen dem Himmel zurückgegeben worden bin. Solltest du ein Recht dazu haben, mich zu beneiden? Ihr beiden Eltern, ihr sollt beginnen, eurer beißenden Totenklage ein Ende zu machen. Ich dichte unter den himmlischen Anführern Jubellieder und gebe den anderen Lehren, damit sie lernen, das Leben geringzuschätzen und all ihre Hoffnung in Christus zu setzen. (B)

Versmaß: Elegische Distichen (B).

Kommentar

Die Kapitalis-Buchstaben sind mit Serifen an den Schaft-, Balken- und Bogenenden versehen, die bei E spornartig geformt sind. N zeichnet sich durch einen geschwungenen Schrägschaft aus, dessen verlängerte Enden gebogen bzw. geschwungen und unter die Grundlinie gezogen sind. Entsprechend ist auch das obere Bogenende des leicht offenen D gestaltet. Beide Formen folgen dem Druckbild der kursiven Antiqua-Versalien wie sie z. B. die Helmstedter Druckerfamilie Lucius verwendete (vgl. den Kommentar zu Nr. 160). Die geschwungene Cauda des R ist unter die Grundlinie gezogen. Die Minuskeln ähneln, mit Ausnahme der Schräglegung, denen auf dem Epitaph für Ernst VII. von Honstein (Nr. 135).

Zu den Eltern der wenige Stunden nach der Geburt verstorbenen Prinzessin vgl. Nr. 160. Als die Gruft vor dem Abbruch von St. Bartholomäus geöffnet wurde, fand man den Sarg ganz erhalten und die Prinzessin darin in vollständiger Gestalt. Sie hatte einen Myrtenkranz auf dem Kopf und einen auf der Brust; als sie berührt wurde, zerfiel sie zu Staub.3)

Textkritischer Apparat

  1. h[eroinu]l[a]] Spangenberg, heroi nata Halliday.
  2. Brunsvicensis] Spangenberg, brunovicensis Halliday.
  3. piis] Spangenberg, suis Halliday.
  4. origine] origini Halliday.
  5. sit] Nur Halliday.
  6. lessum] Halliday, laesum Spangenberg.
  7. In Inschrift B zahlreiche weitere Lesefehler bei Spangenberg, die hier nicht dokumentiert werden.

Anmerkungen

  1. Vgl. Halliday, House of Guelph, S. 399 (nach einer brieflichen Auskunft des Pastors [Johann Friedrich] Starcke vom 29. März 1819). Vgl. auch [Spangenberg], Kurze Geschichte, Sp. 1254.
  2. Angesichts der Übereinstimmung der für das Epitaph überlieferten Texte mit den vorliegenden dürfte es sich bei den Brettern nicht um Reste des Sarges handeln, wie auf der Homepage der Gemeinde gemutmaßt wird; http://www.nicolai-herzberg.de/index.php/die-nicolaikirche/85-wer-liegt-in-der-nicolai-gruft (20.08.2018).
  3. Gottlieb, Fürstengruft, S. 104f. (Bericht des Zeitzeugen Rohrmann, der bei der Öffnung anwesend war).

Nachweise

  1. Halliday, House of Guelph, S. 399.
  2. [Spangenberg], Kurze Geschichte, Sp. 1254f.

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 161 (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0016102.