Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 157(†) Osterode, St. Aegidien 1616?

Beschreibung

Epitaph für einen Adeligen mit dem Vornamen Jost oder Jobst. Alabaster/Gips. Angebracht an der Ostwand über der Südempore. Das Epitaph, ursprünglich in St. Johannis an der Südwand, wurde nach dem Abbruch der Kirche Anfang 1927 in St. Aegidien aufgehängt. Es zeigt in Seitenansicht die vollplastische Figur eines Mannes in Rüstung, der auf einer aus dem Gesims vorkragenden, von einer Konsole gestützten Platte vor einem reliefierten Rundbogen kniet. Der Rundbogen ist begrenzt durch einen Fries aus zwei verdrehten Bändern; in den Zwickeln Beschlagwerk. Auf Pilastern in der oberen Hälfte jeweils zwei Wappen; unter diesen wäre Platz für je zwei weitere Wappen. Im Obergeschoss im Halbrelief eine kleiner dargestellte kniende Frau vor einer Draperie. Auf Postamenten neben dem Obergeschoss links eine männliche, rechts eine weibliche Standfigur. Auf dem Giebel ein stehender Putto, darunter eine gewölbte Kartusche, auf der sich ehemals eine gemalte Inschrift befunden haben könnte. In den Seitenhängen neben dem Hauptgeschoss zwei Reliefs in ovalen Kartuschen: links eine Kreuzigungsgruppe mit der vertieften Inschrift A am Kreuzhaupt und rechts die Grablegung Christi. Einzelne Teile des (beim Abbruch weiter beschädigten) Epitaphs wurden bei der Wiederaufstellung ergänzt, darunter der Kopf der Frauenfigur im Obergeschoss, die linke Hand des Verstorbenen und der Helm. Dies zeigt der Vergleich mit zwei vor der Abnahme in der Johanniskirche angefertigten Aufnahmen.1) Auf diesen ist im Unterhang hinter der heute noch vorhandenen Konsole eine Kartusche zu erkennen, die ursprünglich die – möglicherweise gemalte – Inschrift B getragen haben könnte, die bis auf einen schwachen Rest bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts gänzlich vertilgt war.2) Das Epitaph ist von Rissen durchzogen.

Inschrift B nach [Spangenberg].

Maße: H.: ca. 380 cm; B.: 270 cm; Bu.: ca. 0,9 cm (A).

Schriftart(en): Kapitalis (A).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg H. Lampe) [1/2]

  1. A

    J(ESUS) N(AZARENUS) R(EX) J(UDAEORUM)a)3)

  2. B †

    ANNO 1616 [– – –] Jost von [– – –]he ist in [– – –]

Wappen:
?4)?6)
?5)?7)

Kommentar

Das Epitaph wird seit etwa einhundert Jahren zumeist unter dem Namen des Jost von Bovenden geführt.8) Die von Bovenden/Boventen sind allerdings bereits 1586 mit Ludolph (d. J.) ausgestorben.9) Auch entspricht von den Wappen keines dem der Familie.10)

Es überrascht, dass sich der Auftraggeber des bedeutenden Epitaphs, das mit seiner vollplastischen Figur im ganzen Altkreis Osterode nur eine Parallele in dem (hölzernen) Epitaph des letzten Grafen von Honstein im Kloster Walkenried (Nr. 135) hat,11) weder unter den regionalen Adeligen noch unter dem Regierungspersonal auswärtiger Herkunft identifizieren lässt. Es kann nicht ein Grabmal für Jobst von Adelebsen sein, der seit 1606 Landdrost für die Fürstentümer Göttingen und Grubenhagen war und 1616 starb.12) Sein Leichnam wurde 1616 nach Adelebsen überführt.13) Auch sprechen die Wappen gegen eine solche Zuschreibung. Ebenso kann kein Angehöriger der Familie von Weihe (Weyhe), die mehrere bedeutende Juristen stellte und in der der Vorname Jobst vorkommt, gemeint sein. Die Darstellung in Rüstung wäre für einen Angehörigen der Juristenfamilie nicht zu erwarten.14) Das Fehlen der originalen Inschrift ist in diesem Fall besonders bedauerlich.

Als Künstler wäre eventuell der seit 1596 in Braunschweig ansässige „Bildhauer und Gipsschneider“ Bernhard Klein in Betracht zu ziehen, der sich 1615 der Fähigkeit rühmte, mit ewig währendem, von ihm selbst zugerichtetem weißem Gips arbeiten zu können.15)

Textkritischer Apparat

  1. J jeweils mit Punkten.

Anmerkungen

  1. Fotokartei des NLD in Hannover, No. 1692,2 und No. 1618; beide auf der Rückseite bezeichnet „1925?“ Tatsächlich dürfte No. 1692,2 kurz vor dem Abbruch der Johanniskirche entstanden sein, das Foto No. 1618 wurde deutlich früher angefertigt (der linke Arm des Verstorbenen ist auf diesem noch erhalten); auch: https://www.bildindex.de/document/obj20687518?medium=mi08558c11 bzw. -12 (30.08.2018). In der Fotokartei außerdem ein Gesamt- und ein Detailfoto des restaurierten Zustandes nach der Anbringung in St. Aegidien, bezeichnet C 14060 und D 14061 (No. 2115, 8 u. 9), die frühestens 1927 entstanden sein können; auch: https://www.bildindex.de/document/obj20687518?medium=mi08557f07 bzw. -08 (30.08.2018).
  2. [Spangenberg], Nachtrag, Sp. 178.
  3. Io. 19,19.
  4. Wappen ? (aufspringender Fuchs od. Wolf, eine Gans im Maul; auf dem Helm eine Krone).
  5. Wappen ? (zwei abgewandte Schlüssel, leicht auswärts gestellt und sich in der Reite überschneidend). Auf den vor der Umsetzung entstandenen Fotos (wie Anm. 1) ist die dem Wappeninhalt entsprechende Helmzier noch zu erkennen.
  6. Wappen ? (gespalten).
  7. Wappen ? (linksschräger, gestümmelter Ast, auf dem rechtwinklig ein Schaft mit Pfeilspitze aufsitzt). Auf den vor der Umsetzung entstandenen Fotos (wie Anm. 1) ist schwach noch eine Helmzier (Mönchskopf?) zu erkennen. Ob der Wappeninhalt nach der Wiederaufstellung noch dem originalen entspricht, ist zumindest zweifelhaft.
  8. Z. B. Grobis, Johannis-Friedhof, S. 49. Osterode in alten Ansichten 1, T. 13 u. ö.
  9. Vgl. DI 96 (Lkr. Northeim), Nr. 173.
  10. Zum Wappen Boventen (gespalten, vorne Löwe, hinten Schlüssel) vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 4, Abt. 6, S. 25 u. Tafel 15. – Die heutige Anbringung der Wappen entspricht im Grundsatz der vor der Abnahme; vgl. die in Anm. 1 genannten Fotos.
  11. Größer und bedeutender ist das ebenfalls aus dem Jahr 1616 stammende Epitaph für Johann von Minnigerode und Dorothea von Hanstein im nahe gelegenen Wollershausen; vgl. DI 66 (Lkr. Göttingen), Nr. 309.
  12. Vgl. Samse, Zentralverwaltung, S. 255. Samse verbessert die Angaben bei Max, Grubenhagen, Bd. 2, S. 400.
  13. Vgl. NLA WO 2 Alt, Nr. 4286 (zit. nach Online-Findbuch).
  14. Der Kanzler Jobst von Weihe starb 1637; vgl. Samse, Zentralverwaltung, S. 185. Kein bedeutendes Familienmitglied hielt sich länger in Osterode auf; vgl. ebd., S. 148 (Eberhard von Weihe), 294 (Peter von Weihe, gest. 1613).
  15. Vgl. Meier, Kunsthandwerk des Bildhauers, S. 17–19.

Nachweise

  1. [Spangenberg], Nachtrag, Sp. 178.
  2. Mithoff, Kdm. Göttingen und Grubenhagen, S. 172 (nach Spangenberg?).
  3. Meys, Memoria und Bekenntnis, S. 626 (ohne Inschrift).

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 157(†) (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0015708.