Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 153 Kloster Walkenried, Brüdersaal 1612

Beschreibung

Grabplatte für den Prior Sebastian Bolemann. Stein. Fragment, etwa das obere Viertel der Grabplatte ist erhalten. Aufgestellt an der Westwand des Brüdersaals. Umlaufend ein Flechtband, in den Ecken Medaillons mit Rosetten. Im vertieften Mittelfeld die erhaben gehauene Inschrift. Von dieser sind die ersten vier Zeilen vollständig erhalten; von der fünften Zeile ist die obere Hälfte der Buchstaben zumeist zu erkennen. Das Grab befand sich im Kreuzgang in der Nähe des Eingangs zum Kapitelsaal, der heutigen Kirche. Die Platte war bereits 1922 Fragment.1)

Inschrift ergänzt nach Eckstorm, Leichenpredigt.

Maße: H.: 50 cm; B.: 107 cm; Bu.: 5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit Versal.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg H. Lampe) [1/1]

  1. VENERABILIS ET INTE=/GERRIMUS VIR D(OMI)N(US) SE=/BASTIANUS BOLEMAN, / CUM FUISSET HUI(US) MO=/NASTERII BURSARIU[S / ANNOS XXX PRIOR XI VIXISSET ANNOS LXVIII CHRISTO SALUATORI SUO ANIMAM REDDIDIT ANNO REPARATAE SALUTIS M D CXII DIE EXALTATIONIS CRUCIS2) CORPUS HOC LOCOa) SEPULTUM EST ANIMA IN SINU ABRAHAE SOLATIO FRUITUR]

Übersetzung:

Der ehrwürdige und höchst rechtschaffene Mann, Herr Sebastian Bolemann, hat, nachdem er dreißig Jahre Bursar (Finanzverwalter) und elf Jahre Prior dieses Klosters gewesen war und 68 Jahre gelebt hatte, seine Seele an Christus, seinen Heiland, zurückgegeben im Jahr des wiedererlangten Heils 1612 am Tag der Kreuzerhöhung. Sein Leib ist hier begraben, seine Seele genießt Trost in Abrahams Schoß.

Kommentar

Die Schrift zeichnet sich durch ausgeprägte dreieckige Sporen an Schaft-, Balken- und Bogenenden aus. Der untere Balken von E und L ist verlängert, der Sporn am Ende nach oben gezogen; der Mittelbalken ist zum am Schaft ansetzenden Dreieck verkürzt. A ist mit einem nach unten geknickten Querbalken versehen. U besteht aus zwei Schäften mit Verbindungsbogen; in INTEGERRIMUS ein unziales U mit einem Anstrich am Bogen. Der Bogen des R ist klein, die Cauda geschwungen. O ist leicht spitzoval.

Sebastian Bolemanns Lebensweg ist ein Beispiel für den Nutzen der 1557 eingerichteten Klosterschule in Walkenried. Er wurde am 18. November (Dienstag nach Martini)3) 1544 in Wülfingerode (bei Sollstedt, Lkr. Nordhausen) in der damaligen Herrschaft Lohra als Sohn eines Bauern geboren. Von seinen Eltern wurde er, wie es in der Leichenpredigt des Rektors und Pastors Eckstorm heißt, zur Schule gehalten, was diesen doppelt schwerfiel: Zum einen hatten sie insgesamt zehn Söhne und eine Tochter, zum anderen fehlte es an Bildungsmöglichkeiten auf dem Dorf. Sebastian Bolemann ging daher zuerst nach Sondershausen, dann nach Nordhausen in die Schule. Dort wohnte er bei einem Bäcker namens Georg Forkel, der bewandert war: Er hatte etwa zehn Jahre in Rom gearbeitet und war, Eckstorm zufolge, Hofbäcker des Papstes gewesen. Da er in Nordhausen sein Handwerk in der Nähe des Walkenrieder Hofes betrieb, kannte er die Closter Herrn gut, die er um die Aufnahme Bolemanns in die Schule bat. Erst mit etwa zwanzig Jahren, 1564, trat Bolemann schließlich in diese ein. In Walkenried erlebte er die schwierigen Jahre 1564 bis 1567, in denen der sächsische Kurfürst einen Verwalter in das Kloster setzte und Abt und Konvent in den Stadthof nach Göttingen auswichen (dazu vgl. den Kommentar zu Nr. 120). Nach ihrer Rückkehr wurde Bolemann, weil er sich gegenüber den Konventualen und seinen Lehrern als fleissig vnd diensthafftig erwiesen hatte, in den Konvent aufgenommen. Bereits 1571 wurde er Bursarius, also Finanzverwalter des Klosters, was er für dreißig Jahre blieb. Dieses Amt hat er offenbar engagiert versehen und sich dabei Verdienste um das Kloster erworben. Diese Aussage dürfte nicht nur dem Genre der Leichenpredigt geschuldet sein; deren Verfasser, Heinrich Eckstorm, hat sie auch mit Beispielen unterlegt. Nach dem Tod des Priors Liborius Hirsch (Nr. 127) wurde Sebastian Bolemann im Jahr 1601 zum Prior gewählt. Er hatte 1578 geheiratet (der Nachname seiner Frau Catharina wird nicht genannt). Das Paar hatte sechs Söhne und zwei Töchter, von denen die Töchter Maria und Katharina und zwei Söhne (Sebastian, verheiratet mit Gisela Eckstorm, einer Tochter des Priors Heinrich Eckstorm (vgl. Nr. 144), und Martin) 1612 noch lebten.4) Die Verfasser der der Leichenpredigt angehängten Trauergedichte (Epicedien) – darunter ebenfalls Heinrich Eckstorm, der auch die Grabschrift verfasst haben dürfte, – beschränken sich auf den Kreis um die Walkenrieder Schule.5)

Textkritischer Apparat

  1. LOCO] Fehlt Kdm., Reinboth.

Anmerkungen

  1. Vgl. Kdm. Kreis Blankenburg, S. 356.
  2. 14. September.
  3. Roth löst auf: 11. November; Roth, Auswertungen, Bd. 10, S. 6f. (R 9005). Der 11. November, ebenfalls ein Dienstag, ist der Martinstag. Es ist eindeutig der Tag eine Woche später gemeint.
  4. Eine Predigt, Bey dem begrebniß des weiland Ehrwürdigen … Herrn Sebastiani Bolemani, Prioris …, Gethan durch M. Henricvm Eckstormivm, Helmstedt 1613; hier Bl. Diiv–Eiij (VD 17 7:714558P).
  5. Heinrich Eckstorm widmete sein Gedicht Bolemanns Schwiegersohn Johannes Gotling; weitere Beiträger sind Eckstorms Sohn Lukas, der Konrektor Martin Schweser sowie der Schüler (alumnus) Ernst Gotling aus St. Andreasberg; ebd., Bl. [Eiv]–F2r. Zu Ernst Gotling bzw. Göttling (1594–1665) vgl. Lesser, Historie, S. 132.

Nachweise

  1. Eckstorm, Leichenpredigt Bolemann (wie Anm. 4), Bl. F2v.
  2. Eckstorm, Chronicon Walkenredense, S. 324.
  3. Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 2, S. 133.
  4. Kdm. Kreis Blankenburg, S. 356 (ergänzt nach Leuckfeld).
  5. Reinboth, Bestattungen, S. 35 (Nr. 31; nach Kdm.).

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 153 (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0015300.