Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 152 Osterode, Museum 1611

Beschreibung

Balken. Holz. Der Auflagebalken des Obergeschosses aus dem 1975 abgerissenen,1) früheren Hospital zum Heiligen Geist in der Marienvorstadt ist heute in zwei Teilen übereinander angebracht im Innenhof des Museums. Der Vers mit der Jahresangabe am Beginn der Inschrift (bis ZWAR :) ist erhaben in vertiefter Zeile ausgeführt, die Buchstaben sind rot gefasst. Der Rest der Inschrift vertieft und rot gefasst. Die letzten beiden Wörter am Ende in zweiter Zeile unter den vorhergehenden. Nach dem Versende als Worttrenner teilweise nur noch schwach erkennbare Quadrangeln mit (nicht farbig gefassten) nach oben und unten gerichteten Zierhäkchen; nur aufgemalte Hochpunkte werden nicht wiedergegeben. Die Inschrift ist durch Trocknungsrisse im linken Teil der beiden Balken und durch Substanzverlust am rechten Ende des oberen Balkens beeinträchtigt. An dem 1976/77 auf dem alten Grundstück (Marienvorstadt 27/29) in den Formen des historischen Gebäudes errichteten Nachbau wurde die Inschrift als Kopie angebracht.

Maße: H.: 22 cm; L.: 12 m (oben), 11 m (unten); Bu.: 7–9 cm.

Schriftart(en): Schrägliegende Kapitalis mit Minuskel-t.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg H. Lampe) [1/6]

  1. IHM · SECHSZEN · HVNDERT · ELFTEN · IAHR · NACH · VNSERS ERLOSERS · GBVRT · ZWAR : IST · ABGEBROCHEN · DAZVMAL : DES HEILIGEN GEIST HOSPITAL WIDER AVFGEBAVET SO GVT · ALS ER AN·ITZO STEHEN DHVT · VORMVND · DOMALS · GWESEN · ERKORN · IORG · RETHEN · VND · BAR[TOLD WE]NBORN · // [ZI]MRMEIStER · HANS · MARKS · GWESN · ISt · NEW AVFGERICHT · ZVR · SELBEN · FRISt · DARZV GHOLFEN StEHFEN RIKEN · HENRICH HVMBERG · DERGELICHEN · AVCH · DER LERKNCHTa) · HANS · KLAPPEROt · DIESELBIGEN · ALE · BEHVtt · GOtt · BEWAHR · ZVGLEICH · DEN · HOSPItAL · [FVR]b)2) FEVER VND / ANDEREM · VNFALLc)

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

Der erhaben geschnitzte erste Teil der Inschrift ist schmuckvoller ausgeführt als der folgende vertiefte. Die Schaftenden sind keilförmig verbreitert, die Balkenenden schräg abgeschnitten, der Balken des H ist mit einer Ausbuchtung nach unten versehen. Diese Charakteristika fehlen bei den mit dünnem Strich vertieften Buchstaben. Das H weist hier einen kleinen Knick nach oben auf. O ist mit rechts eingedrücktem Bogen, A mit gebrochenem Balken, R immer mit geschwungener Cauda ausgeführt. Die Balken des kapitalen Z im erhaben geschnitzten Teil sind schräggestellt, im vertieften Teil ist der untere Bogen des zweistöckigen Z geschwungen nach rechts ausgestellt.

An der Marienkirche ist seit 1270 die Existenz eines Hospitals – einer Unterkunft für Arme, Kranke und Bedürftige – belegt, das seit dem 15. Jahrhundert den für städtische Hospitäler (z. B. in Göttingen, Northeim und Einbeck) typischen Namen „Heilig Geist“ (St. Spiritus) führte. War zunächst der Pfarrer der Kirche Vorsteher des Hospitals, so gab es spätestens seit der Reformation zwei Vorsteher, die vom Rat benannt wurden.3)

Als im Jahre 1611 das gegenüber der Marienkirche gelegene Hospital abgebrochen und neu errichtet wurde, ließen die Beteiligten ihren Anteil am Werk bis zum Lehrjungen vermerken. Die beiden Vorsteher (‚Vormünder‘) des Hospitals waren Ratsmitglieder.4) Georg (Jörg) Rethen, Ratsherr seit 1577, wurde 1615 zum Bürgermeister gewählt, starb aber noch im selben Jahr.5) Bartold Wendeborn, Ratsherr von 1598 bis 1616, vertrat als Kämmerer die Stadt 1615 auf einem Landtag, der in Osterode abgehalten wurde.6) Die Familie Klapprodt gab es in mehreren Zweigen in der Stadt. Allein zwischen 1600 und 1614 erhielten fünf Männer mit dem Vornamen Hans bzw. Johann das Bürgerrecht.7)

Textkritischer Apparat

  1. LERKNCHT] Lerknecht Spangenberg, KN(E)CHT Giebel.
  2. [FVR]] Ergänzt nach Giebel; Für Spangenberg. Das Wort war offenbar über die Zeile geschrieben, wie Reste der unteren Schaftenden von F (über dem A von HOSPITAL) und R (Schaftende und Cauda) über dem F von FEVER) anzeigen. Am Nachbau Marienvorstadt 27/29 ist FVR in die Zeile gezogen.
  3. VNFALL] Unfall Spangenberg, VNHAIL Giebel, VNAIL Nachbau Marienvorstadt 27/29.

Anmerkungen

  1. Leuschner, Osterode in der Frühneuzeit, S. 173 u. 236; Abb.en (Fotos) S. 130 u. 235.
  2. D. h. ‚Vor‘.
  3. Vgl. Müller, Kirchen und Klöster, S. 15f. u. 35f. Pischke, Osterode im Mittelalter, S. 130. Leuschner, Osterode in der Frühneuzeit, S. 234 u. 236 (mit Foto des alten Baus auf S. 235). – Zu St.-Spiritus-Hospitälern vgl. DI 96 (Lkr. Northeim), Nr. 76; DI 42 (Stadt Einbeck), Nr. 128, 129, 153, A1 Nr. 34 (1571).
  4. Leuschner, Osterode in der Frühneuzeit, S. 236.
  5. Wendt, Geschichte, S. 310 (Georg Reiten). Heller, Ratsherren, S. 32.
  6. Wendt, Geschichte, S. 311 u. 174f. Heller, Ratsherren, S. 33.
  7. Vgl. Granzin, Bürgerbuch, S. 5f. u. 9.

Nachweise

  1. [Spangenberg], Nachtrag, Sp. 184.
  2. Hans Erich Giebel, Osteroder Hausinschriften, in: Unter dem Harze Nr. 197, 1954.
  3. Bremeneck (Giebel), Sösewasser, S. 61 (nur Anfang).
  4. Kopie an dem Nachbau Marienvorstadt 27/29.
  5. Leuschner, Osterode in der Frühneuzeit, S. 236.

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 152 (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0015203.