Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 144† Kloster Walkenried, Kapitelsaal (Kirche) 1608

Beschreibung

Epitaph für Elisabeth Zimmermann, Ehefrau des Priors Heinrich Eckstorm. Das Epitaph, das in der heutigen Kirche angebracht war,1) zeigte eine Darstellung der Auferstehung.2) Das Grab der Verstorbenen befand sich im Kreuzgang vor der Kirche; vgl. Nr. 145.

Inschrift nach Eckstorm.

  1. Pietate castitate et reliquis virtutibus matronalibus ornatiss(imae) foeminae Elisabethae Zimmermannae in vera filij Dei inuocatione placide defunctae ipso die Resurrectionis Dominicae3) Anno Christi 1608 aetatisa) 36 coniugij 19 praemissis tribus liberis Elisabethae Matthia et Henrico vxori carissimae M(agister) Henricus Eckstormius cum sex liberis Luca Iesea Catharina Anna-Elisabetha Matthia et Casparo superstes maritus moestissimus gratitudinis amoris et desiderii ergo H(OC) M(ONUMENTUM) F(IERI) C(URAVIT)

    Psalm. 125. Benefac Domine bonis et rectis corde4)

Übersetzung:

Der durch Frömmigkeit, Keuschheit und die übrigen Frauentugenden hochgeschmückten Frau Elisabeth Zimmermann, die unter wahrhaftiger Anrufung des Gottessohns eben am Tag der Auferstehung des Herrn (Ostersonntag) im Jahr Christi 1608 mit 36 Jahren, nach 19 Ehejahren friedlich verstarb – wobei sie drei Kinder, Elisabeth, Matthias und Heinrich vorausgeschickt hatte –, seiner liebsten Ehefrau, hat Magister Heinrich Eckstorm, der zusammen mit den sechs Kindern Lukas, Gisela, Katharina, Anna-Elisabeth, Matthias und Caspar hinterbliebene Ehemann, in tiefer Trauer dieses Denkmal aus Dankbarkeit, Liebe und Sehnsucht errichten lassen.

Psalm 125: Tue Gutes, Herr, den Guten und denen, die im Herzen aufrichtig sind.

Kommentar

Elisabeth Zimmermann wurde am 15. Februar 1572 als Tochter von Caspar Zimmermann geboren, Bürger und künstlicher Mahler in Wernigerode, der aus Annaberg in Sachsen stammte. Ihre Mutter war Elisabeth Schlanstedt, deren Vater Andreas Schlanstedt im Jahr 1553 in Steina bei (Bad) Sachsa gestorben war; vgl. Nr. 58. Am 9. Juni 1589 heiratete Elisabeth Zimmermann Heinrich Eckstorm, mit dem sie 1591 von Ellrich nach Walkenried zog, als dieser dort die Ämter des Schulrektors und Pastors übernahm. Dem Paar wurden zwischen 1590 und 1608 neun Kinder geboren, von denen die älteste Tochter Elisabeth noch in Ellrich wenige Tage nach der Geburt verstarb. Zwei Söhne, Heinrich und Matthias (I), starben 1601 und 1602 in Walkenried5) (Nr. 132, 134). Zehn Tage nach der Geburt ihres jüngsten Sohnes Caspar am 15. März 1608 bekam Elisabeth Zimmermann am Karfreitag Fieber. Am Ostersonntag starb sie.6) Die Mutter wurde neben ihren beiden Söhnen beigesetzt; vgl. Nr. 145. Der kleine Caspar Eckstorm starb im Alter von einem Jahr am 6. Mai 1609 in Wernigerode.7)

Die Leichenpredigt auf Elisabeth Zimmermann hielt der Bursar des Stifts Vitus Bulle (Bulius), der Pastor in Hohegeiß war.8) Ihr angehängt waren auf 36 Seiten Beileidsschreiben und Trostgedichte auf die Verstorbene von Freunden, Kollegen und Schülern ihres Mannes. An ihrer Spitze rangieren die Gelehrten Heinrich Petreus (1546–1615) und Heinrich Meibom (1555–1625). Petreus war seit 1586 erster Rektor des Göttinger Pädagogiums und somit Eckstorms Kollege; 1608 leitete er das Schulwesen des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel.9) Der Historiker und Poeta laureatus Meibom lehrte in Helmstedt.10) Ihnen schlossen sich die Leiter der Kloster- und Stadtschulen von Ilfeld, Sondershausen, Ellrich, die Pastoren benachbarter Orte, darunter Caspar Friedeland in Sachsa (vgl. Nr. 106), sowie mehrere Alumni und Tischgenossen (hospites) mit lateinischen, teilweise auch griechischen Werken an. Ein langes Gedicht verfasste der älteste Sohn der Verstorbenen, der sechzehnjährige Lukas.11) Am Schluss sind die beiden Grabschriften für die Verstorbene (die vorliegende und Nr. 145) sowie die für ihre beiden Söhne (Nr. 132, 134), ihre Eltern und ihren mütterlichen Großvater (Nr. 58) abgedruckt,12) als deren Verfasser, mit Ausnahme der letzteren, Heinrich Eckstorm anzunehmen ist.

Für Lukas Eckstorm, geboren am 2. August 1591, erbat der Vater nach dem Tod der Mutter 1609 beim Herzog ein Stipendium von 30 Talern auf drei Jahre für ein Universitätsstudium und seine Aufnahme als Konventuale des Klosters.13) 1615 erneuerten der Subprior Vitus Bulle und die Konventualen Martin Sueserus und Bartold Kruckenberg die Bitte des Vaters, den studienhalber abwesenden Lukas Eckstorm als Konventualen aufzunehmen.14) Dies geschah offenbar. Einige Wochen oder Monate vor dem 27. April 1629 ist Lukas Eckstorm als Subprior des Klosters gestorben.15) Heinrich Eckstorm hatte seinen ältesten Sohn bereits 1604 in Helmstedt immatrikulieren lassen, wohin er aber erst später gegangen sein dürfte.16) Lukas Eckstorm studierte ab 1611 in Wittenberg17) und ab Juli 1618 in Rostock.18) Möglicherweise ging er anschließend nach Riga, wo 1632 ein minderjähriger Sohn von ihm lebte.19)

1632 war von den Söhnen der Elisabeth Zimmermann nur noch der am 23. Februar 1605 geborene jüngere Matthias Eckstorm am Leben. Er hatte sich 1618 in Helmstedt immatrikuliert20) und war inzwischen Zinskornschreiber des Klosters. Der von ihm mit seinen Miterben bzw. deren Nachkommen geschlossene Vergleich illustriert die Vernetzung der Nachkommenschaft von Heinrich Eckstorm und seiner Frau. Von den Töchtern der Verstorbenen lebten noch zwei: Frau Gißla Extormius, die am 4. September 1593 geborene Witwe des Pastors von Großwechsungen (Lkr. Nordhausen, Thüringen), Andreas Haselhorst, die erst 1667 starb,21) und Katharina (geb. 25. November 1595), die mit Sebastian Bolemann, dem älteren Sohn des gleichnamigen Walkenrieder Priors der Jahre 1601 bis 1612 (vgl. Nr. 153), verheiratet war. Kinder des seit 1613 als Konrektor amtierenden Hermann Bartram22) gehörten ebenfalls zu den Miterben; Bartram dürfte mit der nicht mehr genannten, also bereits verstorbenen Tochter Anna Elisabeth (geboren am 27. Mai 1598) verheiratet gewesen sein.23) Der Versuch des Konvents, Matthias Eckstorm im Februar 1634 zum Konventualen zu wählen, wurde von Herzog Friedrich Ulrich abgelehnt, da er nicht Geistlicher war.24) Seit 1628 hatte er das Klostervorwerk Wiedigshof bei Walkenried inne.25)

Textkritischer Apparat

  1. aetatis] In der Leichenpredigt danach noch suae.

Anmerkungen

  1. In templo minori porticui contiguo; Bulius, Leichenpredigt für Elisabeth Zimmermann, Bl. [H4]r.
  2. Eckstorm, Chronicon Walkenredense, S. 316.
  3. 27. März.
  4. Ps. 125,4.
  5. Bulius, Leichenpredigt für Elisabeth Zimmermann, Bl. Cijr–Ciijr.
  6. Ebd., Bl. Civr–Civv.
  7. Vgl. die Epicedia, Scripta Piis Manibus Caspari, Henrici M. F. Eckstormii, Qui Animulam Suam Christo Servatori reddidit Wernigerodae, anno salutis M. D.C IX. die VI. Maii, cum vixisset in terris annum 1. mensem 1. dies XXI, Helmstedt 1609 (VD 17 7:700563M).
  8. Bulius, Leichenpredigt für Elisabeth Zimmermann, Titel.
  9. Vgl. ADB 25, 1887, S. 520 (P. Zimmermann). DI 96 (Lkr. Northeim), Nr. 245.
  10. Vgl. NDB 16, 1990, S. 629–631 (P. Johanek).
  11. Bulius, Leichenpredigt für Elisabeth Zimmermann, Bl. Dv–H3r. – Zu dem Phänomen der gegenseitigen Verehrung von Trauer- und Trostgedichten sowie anderen Gelegenheitsgedichten vgl. Matthias Bollmeyer, Lateinisches Welfenland. Eine literaturgeschichtliche Kartographie zur lateinischen Gelegenheitsdichtung im Herzogtum Braunschweig-Lüneburg im 16. und 17. Jahrhundert, Hildesheim/Zürich/New York 2014 (Noctes Neolatinae, Bd. 20), hier bes. S. 56–83. Leider erfasst Bollmeyer Walkenried nicht als Schnittpunkt, in dem Helmstedter und Wolfenbütteler Bildungskreise sowie die der Schullandschaft des südöstlichen Harzvorlandes zusammentrafen.
  12. Bulius, Leichenpredigt für Elisabeth Zimmermann, Bl. H3v–[H4]v.
  13. NLA WO 11 Alt Walk, Nr. 9, Bl. 5f.: Bittbrief des Heinrich Eckstorm vom 19. April 1609 (der Vater bezeichnet den Sohn darin als 18 Jahre alt, obwohl sein Geburtstag erst Anfang August war).
  14. NLA WO 11 Alt Walk, Nr. 9, Bl. 13 (1. Mai 1615).
  15. NLA WO 11 Alt Walk, Nr. 102, Bl. 2: Herzog Friedrich Ulrich an Prior Hildebrand, 27. April 1629; Ernennung des Michael Prätorius zum Subprior des Klosters nach dem Tod des Subpriors Lukas Eckstorm. – Subprior dürfte Lukas Eckstorm nach dem Tod des Vitus Bulle 1626 geworden sein; vgl. den Kommentar zu Nr. 169.
  16. Matrikel Helmstedt, S. 202 (Nr. 65).
  17. Matrikel Wittenberg, Jg. Reihe, Tl. 1, S. 113 (Nr. 230).
  18. Matrikel Rostock, Bd. 3, S. 31, Nr. 129.
  19. NLA WO 11 Alt Walk, Nr. 9, Bl. 19v–18r (die Blätter sind in falscher Lage gezählt), hier Bl. 18v. Vertreter des Sohnes in dem Erbvergleich war der 1632 amtierende Prior Michael Prätorius.
  20. Matrikel Helmstedt, S. 267 (Nr. 350). Das Geburtsdatum des Matthias (II) Eckstorm und seiner im Folgenden genannten Schwestern nach Bulius, Leichenpredigt für Elisabeth Zimmermann, Bl. Ciijr.
  21. Andreas Haselhorst amtierte von 1609 bis zu seinem Tod am 28. Mai 1632 als Pastor in Großwechsungen (von 1602 bis 1609 war er dort Substitut). Seine erste Frau Dorothea Lonicerus, die er 1600 geheiratete hatte, starb am 6. November 1611; der Name seiner zweiten Frau, geboren „um 1593“, ist dem Pfarrerbuch unbekannt; zweifellos handelt es sich um Gisela Eckstorm. Sie starb in Großwechsungen am 27. November 1667; Pfarrerbuch der Kirchenprovinz Sachsen, Bd. 3, S. 541. 1617 widmete Haselhorst seinem Schwiegervater (socero suo carissimo) ein Gedicht zur Fertigstellung der Geschichte des Klosters; Eckstorm, Chronicon Walkenredense, Carmina Encomiastica, Bl. [c4]. In der Leichenpredigt auf die Mutter heißt die Tochter, ähnlich wie in der Inschrift, Iesa; Bulius, Leichenpredigt für Elisabeth Zimmermann, Bl. Ciijr.
  22. Wagnitz/Reinboth, Klosterschule, S. 40. Eckstorm, Chronicon Walkenredense, Appendix, Bl. Eee3v; vgl. auch ebd., Carmina Encomiastica, Bl. d3v.
  23. Vergleich vom 5. Juli 1632; NLA WO 11 Alt Walk, Nr. 9, Bl. 19v–18r.
  24. An seiner Stelle wurde Henning Brosenius, zu der Zeit Pastor an St. Paul in Halberstadt, gewählt und ernannt; NLA WO 2 Alt 9687, bes. Bl. 5 u. 9.
  25. NLA WO 11 Alt Walk, Nr. 9, Bl. 22 (3. Juli 1628).

Nachweise

  1. Eckstorm, Chronicon Walkenredense, S. 315f.
  2. Bulius, Leichenpredigt für Elisabeth Zimmermann, Bl. [H4]r.
  3. Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 1, S. 315.

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 144† (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0014401.