Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 129 Osterode, St. Jacobi 4. V. 16. Jh.

Beschreibung

Kanzelträger. Holz. Die Kanzel mit dem fünfseitigen, mit Figuren der vier Evangelisten und des Erlösers geschmückten Korb aus der Zeit um 1657 (jeweils mit Beischriften in Ohrmuschelwerk-Kartuschen),1) ist an der Nordwestecke des Chors aufgestellt. Von 1752 bis 1951 war sie in das zum Kanzelaltar umgestaltete Altarretabel Nr. 22 eingebaut. Die auf einem sechseckigen Sockel stehende Mosesfigur wurde erst bei der separaten Wiederaufstellung 1951/52 als Kanzelträger eingesetzt. Sie stammt ursprünglich von einer Kanzel in der St.-Nikolai-Kirche in Echte (Lkr. Northeim), die 1795 abbrannte.2) Moses hält in der linken Hand die nach vorne weisende Schrifttafel, die rechte weist mit dem Zeigefinger auf das vierte Gebot. Auf der nach Art eines aufgeschlagenen Buches zweigeteilten Schrifttafel Reste der Inschrift mit dem schwarz auf hellem Grund aufgemalten Text der Zehn Gebote. Das obere Drittel ist jeweils ganz zerstört. Unten rechts zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand des Mose eine römische Zahl.

Maße: H.: ca. 195 cm (Figur), 66 cm (Tafel); B.: 23 cm (Tafel); Bu.: 1,5 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg H. Lampe) [1/1]

  1. [– – –]a) /[– – – so]lt / [– – –] / [– – – l]ich / [f. . . .]III. / [– – –] / [feierta]g h[e]i=/[. . . . .] / [IIII] / [. . so]l[t] D[ei]nen / [– – – undt] d[e]ine / [– – –] / [– – –] / [– – –] / [– – –] / [. .] / [Du solt] n[i]cht / [– – –] // [– – –] / [– – –] / [– – –] / [– – –]b) / [D– – –] / F[a– – –]/n[üs r– – –] / […n]en [N]e[c]hs[…] / VIIII. / [D]u solt nicht / begehren deines / Nechsten Hau[s] /X. Du solt [nicht] / begehren [deines] / Nechsten [W]eib / Knecht [Ma]g[d] / Vieh oder al/les was sein / ist . /

    [i]iij.

Kommentar

Die Entstehung des dem Osteroder Bildschnitzer Andreas Gröber (1600/10–1661) zugeschriebenen Kanzelkorbes um 1657 ergibt sich aus der stilistischen Verwandtschaft mit dem Altarretabel, das im Obergeschoss eine gemalte Auferstehung zeigt, die 1657 von E. Richter signiert wurde.3)

Die Symbolik von Moses als Kanzelträger ist entstanden in der Reformation als einfachste und eingängige Darstellung des Themas von „Gesetz und Evangelium“. Moses steht für das (alttestamentliche) Gesetz, verdeutlicht durch die Schrifttafeln mit den zehn Geboten. Er trägt die Kanzel, von der aus in der Predigt das Evangelium, die Gnade Gottes, verkündet wird.4) Über die Ikonografie der früheren Kanzel in Echte lässt sich nichts mehr ermitteln.

Textkritischer Apparat

  1. Am Anfang der linken Hälfte fehlen mindestens drei Zeilen mit dem ersten Gebot.
  2. Am Anfang der rechten Hälfte standen wahrscheinlich vier Zeilen mit VII. / Du solt nicht / stelen. / VIII.

Anmerkungen

  1. S · MATTHAEVS // S · MARCVS // SALVATOR // S · LVCAS // S · IOANNES. Die erhaben geschnitzten, golden gefassten Buchstaben einer schrägliegenden Kapitalis zeichnen sich durch ausgeprägte, bogenförmige Anstriche an den Bogenenden von C und S sowie dem linken Schaft des V aus. Die Figur des Matthäus wurde nach einem Diebstahl 1992 im darauffolgenden Jahr ersetzt; vgl. Schlosskirche St. Jacobi Osterode. Eine Einladung zum Rundgang und zum Verweilen (Faltblatt), [Osterode] o. J., S. 2.
  2. Vgl. Martins, Bau- und Kunstgeschichte, S. 74f. Zum Brand der Kirche in Echte vgl. Ulfrid Müller, Die Kirchen und Kapellen in der Gemeinde Kalefeld, Kalefeld-Sebexen 2011, S. 33f. Altar, Kanzel und Orgel der Kirche in Echte wurden gerettet. Vom Verbleib der Kanzelfigur berichtet die Literatur zu Echte nicht.
  3. Martins, Bau- und Kunstgeschichte, S. 73. Meyer, Verzeichnis, S. 55 u. 57. Ein Foto des älteren Zustandes (um 1928) befindet sich im NLD Hannover (ohne Nr.). St. Aegidien erhielt 1659 eine neue Kanzel und ein neues Retabel von Andreas Gröber; Meyer, Verzeichnis, S. 58.
  4. Vgl. Reinitzer, Gesetz und Evangelium, Bd. 1, S. 13–17 u. 114f. Reinitzer, Tapetum Concordiae, S. 50–54.

Nachweise

  1. Reinitzer, Tapetum Concordiae, Abb. 27a–b, S. 374f.

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 129 (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0012901.