Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 105 Herzberg, Junkernstr. 9 1594

Beschreibung

Haus. Fachwerk. Das giebelständige, zweimal vorkragende Haus ist an der Front sechs Gefache breit. Giebel und Obergeschoss sind mit Holz verkleidet. Der dreimal vorspringende Schwellbalken des Obergeschosses ist geschmückt mit Taubandfriesen. Auf dem Schwellbalken an der Giebelseite die erhaben geschnitzte Inschrift A1, auf die an der östlichen Traufseite des Hauses die vertiefte Inschrift B1 folgt, beide farbig (gelb) gefasst. Zwischen den Versen der Inschriften einzelne Buchstaben in Kreisen, die zusammen die Initialen zweier Inschriften (A2, B2) ergeben; an der Traufseite beginnend und endend vor und nach der Inschrift. Am Anfang und Ende und auf den Balkenköpfen der Giebelseite sternförmige und andere Muster. Links im ersten Vollfeld der Giebelseite über einem zugemauerten Eingang ein Kielbogen, der in einen kleinen, geschnitzten Dreipass ausläuft; dieser bildet die untere Begrenzung einer hölzernen Fachfüllung. Auf dieser oben eine Kartusche mit reduziertem Rollwerk und Blumen in den Ecken; in dieser in einem rechteckig gerahmten Feld die erhabene Inschrift C, zwischen den Zeilen Stege. Darunter die zentriert angeordnete Jahreszahl D, vertieft und in einer gemalten Kartusche, offensichtlich modern nachgearbeitet. Darunter, rechts und links der Spitze des Kielbogens, Inschrift E, erhaben im vertieften Feld, mit Randleisten, die an den Enden nach innen eingedreht sind. Direkt über dem Bogen die vertiefte Jahreszahl F. Die Inschriften C bis F farbig (schwarz vor gelbem Hintergrund) gefasst.

Nach Auskunft des Hausbesitzers (Mai 2016) gab es am Schwellbalken an der Westseite ebenfalls Spuren einer Inschrift, von denen aber unter Spachtelmasse und Farbe nichts mehr zu erkennen ist.

Maße: Bu.: 7 cm (A, B), 2 cm (C), 2,5 cm (C, Kapitalisbuchstaben), 3,5 cm (E), 7 cm (F).

Schriftart(en): Minuskeln mit Versalien (A1, B1, C, E), Kapitalis (A2, B2, lateinischer Text in C u. E).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg H. Lampe) [1/5]

  1. A1

    Vertraw Si[eh]a) wehm1) Traw Gott Alleinn · Sein Gnade und Trav Jst alle Morgen new2) Wer Gott vertrauwet · Hat woll Gebawet ·3)

  2. A2

    V(ERBUM) D(OMINI) M(ANET) I(N) A(ETERNUM)4)

  3. B1

    So abeneurlichb) gehts off Erden Das einer offt zum Naren muß werde(n) Den wan einr meine, er hab das Glück So wendt das Glück sich bald zu rück Wan eynr meint es sei mit ihm aus So kombt ihm bald das glück zu hauß

  4. B2

    S(I)c) D(EUS) P(RO) N(OBIS) Q(UIS) C(ONTRA) N(OS)d)5)

  5. C

    Der gantzen welt Pracht muß vergehn / Allein Gottes wort wird ewig stehn . / OP(VS)e) LAVDET ARTIFICEM6) · Tillf) Luder

  6. D

    <1501>

  7. E

    ORA ET LABORA7) // Laß GOT Sorgen8)

  8. F

    15 // 94

Übersetzung:

Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit. (A2)

Wenn Gott für uns ist, wer vermag dann etwas gegen uns? (B2)

Das Werk soll den Künstler loben. (C)

Bete und arbeite. (E)

Versmaß: Deutsche Reimverse (A1, B1, C bis stehn).

Kommentar

Die Jahreszahl D ist in der gegenwärtigen Form sicher nachgearbeitet. Auch spricht nur der Kielbogen-Eingang für eine Entstehung von Teilen des Hauses in diesem Jahr. Das Obergeschoss mit dem dreifach gekehlten Schwellbalken entstammt erst der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.

Der Erbauer des Hauses, der zwei der drei protestantischen Sinnsprüche, die 1545 auf der Fahne Herzog Ernsts von Braunschweig-Grubenhagen standen (Nr. 49a), an seinem Haus anbringen ließ, gehörte möglicherweise zum Umkreis des Hofes in Herzberg. Auch der Straßenname spricht für die Siedlung von „Junkern“ dort.

Textkritischer Apparat

  1. Si[eh]] Befund: e ohne Balken, das untere Bogenende ist nach rechts verlängert und mit dem nach links verlängerten Bogen des h verbunden; h ohne Oberlänge.
  2. abeneurlich] abentürlich Griep.
  3. Die Informationstafel auf dem rechten Feld der Giebelseite führt vor dem Buchstaben S noch an: Factum est; davon ist an dem Haus aber nichts zu erkennen.
  4. N(OS)] N nicht farbig gefasst; M Griep.
  5. OP(VS)] Befund: kreisförmiges Kürzungszeichen.
  6. Till] Befund: Tul, über dem rechten Schaft des u ein Punkt. Es ist möglich, dass das erste l einen Schaden aufwies, der zu der Farbfassung führte; andererseits fehlt über dem linken Schaft ein i-Punkt, der sonst in der Inschrift gesetzt wurde. Tül Informationstafel am Haus.

Anmerkungen

  1. Vgl. Wander, Sprichwörterlexikon, Bd. 4, Sp. 1290 (Nr. 68): „Traw, sihe wem!“
  2. Nach Klg. 3,23: Sondern sie (Gottes Barmherzigkeit) ist alle morgen new, vnd deine Trew ist gros.
  3. Vgl. Wander, Sprichwörterlexikon, Bd. 2, Sp. 90, Nr. 2200.
  4. Protestantische Devise nach I Pt. 1,25.
  5. Rm. 8,31.
  6. Opus laudat artificem: Walther, Proverbia, Bd. 8, S. 978, Nr. 39332c1. Thesaurus proverbiorum medii aevi. Lexikon der Sprichwörter des romanisch-germanischen Mittelalters, Bd. 13, Berlin/New York 2002, S. 78f. Wohl verkürzt nach Sir. 9,24: in manus artificum opera laudabitur. In der Luther-Bibel: Das Werck lobet den Meister.
  7. Die Grunddevise des abendländischen Mönchtums als Hausinschrift auch: DI 83 (Lkr. Holzminden), Nr. 54 (1550) u. 249 (1643). DI 66 (Lkr. Göttingen), Nr. 427 (Mitte 17. Jh.). DI 56 (Stadt Braunschweig II), Nr. 863 (1637). Als weltliche Devise: Dielitz, Wahl- und Denksprüche, S. 230.
  8. Devise in der Form Lass Gott walten; Dielitz, Wahl- und Denksprüche, S. 171.

Nachweise

  1. Griep, Bürgerhaus, S. 156 u. Tafel 36.
  2. Informationstafel am Haus.

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 105 (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0010504.