Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 86 Kloster Walkenried, Kreuzgang 1584–1586

Beschreibung

Grabplatte für die 1581 gestorbene Gräfin Anna von Honstein. Stein. Aufgestellt an der Wand im westlichen Arm des Kreuzgangs, rechts vom Epitaph des Grafen Volkmar Wolfgang (Nr. 79). Die Verse der vertieften Inschrift jeweils in zwei Zeilen, zwischen den Versen eine Zeile Abstand. Am Anfang der Verse Versalien; die Pentameter sind gegenüber den Hexametern um eine Buchstabenbreite eingerückt, die zweite Zeile der Verse um etwa zwei Buchstabenbreiten gegenüber dem linken Zeilenrand. Bei den in ganzer Breite erhaltenen Zeilen sind am Ende kurze Doppelstriche auf der Grundlinie angebracht, die eine innere Worttrennung oder den Fortgang des Verses anzeigen. Die Worttrenner sind rautenförmig, am Ende des Verses ein vergrößerter Worttrenner. Die Platte ist durch Abplatzungen an der rechten Längsseite beschädigt, die im unteren Drittel etwa ein Viertel der Breite ausmachen; diese haben Textverluste ab dem dritten Vers zur Folge. An der unteren Schmalseite ist seit dem in Kdm. dokumentierten Zustand vom Anfang des 20. Jahrhunderts ein Stück mit der Datumszeile verloren gegangen.

Die Grabplatte befand sich ursprünglich in dem 1570 zur Kirche umgewidmeten Kapitelsaal. Dort wurde sie bei einer Renovierung 1834 entfernt; später lag sie im Brüdersaal und wurde um 1930 im Kreuzgang aufgestellt, wo sie sich auch nach dessen Restaurierung (1984) wieder befindet.1)

Inschrift ergänzt nach Eckstorm.

Maße: H.: 169 cm; B.: 63 cm; Bu.: 3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit Versalien und Minuskelbuchstaben b, d und q.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg H. Lampe) [1/4]

  1. CONdITVR · HOC · SAXO . COMI=/TVM · dE STIRPE · CREATA · / HONSTHENIDVM · MVLTIS = / NObILIS · ANNA bONIS · / CVI GENVS · ANTIqVVM · SVM=/MOS · AdIVNXIT · HONORES / SEd · VIRTVS · ILLI CANd[IdA] / MAIOR HONOS / NAMq(VE) · FVIT · SAPIENS · [CVN]/CTISq(VE) · bENIGNA PVd[ORIS] / VIRGINEIq(VE) · TENAX · [MORTIS] / Ad VSq(VE) · dIEM · / ET · VERAM · FIdO · PIE[TATEM] / CORdE · FOVEbA[T] / QVAM · CVNCTIS · [TERRAE] / PRETVLIT · ANTE [bONIS]a) /ERGO CAELESTESb) · IN[TER] / VIGET · HEROINA[S] /ET · FIdEI · CARPIT [PRAEMIA] / dIGNA · SVAE /

    [A(NNO) D(OMINI) M D L XXXI]c)

Übersetzung:

Unter diesem Stein ist Anna begraben, die aus dem Geschlecht der Grafen von Honstein stammte und durch viele Vorzüge berühmt war. Ihr brachte das alte Geschlecht höchste Ehren, aber ihre strahlende Tugend war ihr eine noch höhere Ehre. Denn sie war weise und gütig gegenüber allen und hielt bis zum Tag ihres Todes an ihrer jungfräulichen Reinheit fest. Und in treuem Herzen hegte sie wahre Frömmigkeit, welche sie allen irdischen Gütern vorzog. Also lebt sie unter den himmlischen Heldinnen und genießt die verdienten Belohnungen ihrer Treue. Im Jahr des Herrn 1581.

Versmaß: Elegische Distichen (bis … SVAE).

Kommentar

Die Schrift ist mit dünnem Strich gehauen; kleine dreieckige Sporen an den Bogenenden von C und S. Das flachgedeckte A besteht aus einem linken, durchgebogenen Schrägschaft und senkrechtem rechten Schaft; der Deckbalken steht im Allgemeinen nicht über. Die Schäfte des M sind zumeist entsprechend denen des A gestaltet; der Mittelteil endet über der Mittellinie. X besteht aus zwei abgewandten Bögen, von denen der linke unter die Grundlinie reicht; die Cauda des R ist geschwungen. Die Minuskelbuchstaben sind in das Zweilinienschema eingeordnet; das q ist wie ein spiegelverkehrtes P gestaltet. Ein Kapitalis-D in HONSTHENIDVM, am Zeilenanfang ein Versal-Q ebenfalls in Kapitalis. Die Gestaltung der Schrift und die Anordnung der Verse entsprechen der auf den Grabplatten des Bruders der Verstorbenen (Nr. 85) und der von dessen Enkel (Nr. 89).

Da die Grabgedichte auf diesen Grabplatten laut Letzner2) von Lorenz Rhodomann verfasst wurden, der 1584 Rektor der Schule in Walkenried wurde, dürfte die vorliegende Platte frühestens 1584 angefertigt worden sein. Möglicherweise geschah dies auch erst 1586, als die dritte (Nr. 89) der drei Platten beschriftet wurde.

Anna von Honstein, Canonica in Dören, ist am 29. Juli 1581 in Scharzfeld gestorben.3) Die Schwester des Grafen Volkmar Wolfgang wird zwischen 1544 und 1563 als Kanonissin der Reichsabtei Thorn (Provinz Limburg in den Niederlanden) genannt. Da sie in der Liste von 1574 nicht mehr auftaucht, wird sie das Stift zwischen 1563 und 1574 verlassen haben.4) Die Inschrift legt nahe, dass dafür religiöse Überzeugungen ausschlaggebend waren. Offenbar vollzog sie die Entscheidung ihrer Brüder, sich der Reformation anzuschließen, mit etwa zehn Jahren Verspätung nach und kehrte in die Grafschaft Honstein zurück.

Textkritischer Apparat

  1. ANTE [bONIS]] Anna bonis Eckstorm, Letzner, Leuckfeld, Lesser; danach ergänzt bei Kdm. u. Reinboth.
  2. CAELESTES] Coelestes Eckstorm, Letzner, Leuckfeld, Lesser.
  3. [A(NNO) D(OMINI) M D L XXXI]] Ergänzung nach Kdm.; M und XXXI dort noch nach Lesung. Nach Kdm. auch Reinboth. Möglicherweise stand hinter der Jahresangabe noch ein genaues Todesdatum; vgl. Nr. 89.

Anmerkungen

  1. Vgl. Reinboth, Bestattungen, S. 11.
  2. Letzner, Walkenrieder Chronik, S. 181.
  3. Eckstorm, Chronicon Walkenredense, S. 264; danach Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 1, S. 309. Die Monatsangabe, die bei Eckstorm und Leuckfeld fehlt, bei Lesser, Historie, S. 85. Laut Letzner war sie gewesene Thumfraw im Stifft Essen; Letzner, Walkenrieder Chronik, S. 181. Für Letzners Angabe findet sich keine Bestätigung.
  4. Vgl. Josef Habets, Auguste Jean Antoine Flament (Hg.), De Archieven van het kapittel der vorstelijke Rijksabtij Thorn, Bd. 2, 's-Gravenhage 1899, S. XXXIIf.

Nachweise

  1. Eckstorm, Chronicon Walkenredense, S. 264f.
  2. Letzner, Chronica, Bl. 77v.
  3. Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 1, S. 309f. (nach Eckstorm).
  4. Kdm. Kreis Blankenburg, S. 351.
  5. Lesser, Historie, S. 85.
  6. Letzner, Walkenrieder Chronik, S. 181.
  7. Reinboth, Bestattungen, S. 22f. (Nr. 7, nach Kdm.).

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 86 (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0008604.