Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 81 Gittelde, St. Johannis 1583

Beschreibung

Epitaph für Anna von Boventen. Stein, im 20. Jahrhundert farbig gefasst. Eingelassen in die Ostwand der Kirche. Im Hauptgeschoss der Ädikula ein Kruzifix im Hochrelief. Der glatte Hintergrund ist hellgrün gefasst und an den Längsseiten von einem wellenförmigen Fries begleitet. Am Kreuzfuß kniet die betende Familie von Gittelde, links außen der Vater und drei Söhne in Rüstungen, die Helme vor sich abgelegt, ein vierter Sohn im spanischen Kleid sowie ein Wickelkind; rechts außen die Mutter und vier Töchter. Über den Eltern jeweils vier senkrecht angeordnete Wappen ohne Beischriften, außen gerahmt von Säulen mit Akanthus-Kapitell. Im von mehrfach kannelierten Leisten eingefassten Sockelfeld Inschrift A. Im Gebälk unterhalb des Giebels Inschrift B. Die Inschriften hell erhaben im vertieften, rot gefassten Feld. Der dreieckige Giebel mit Muschelfüllung. Auf dem Architrav des Gebälks jeweils eine Kugel.

Maße: H.: 236 cm; B.: 148 cm; Bu.: 4,5 cm, 6 cm (A, dritte u. vierte Zeile).

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg H. Lampe) [1/3]

  1. A

    ANNO · 1583 · DEN · 23 · IVLY · VMB · II · VREN · / IN · DER · NACHT · IST DE · VEHL · DOGETSAME / FRAWE · ANNA · GEBOREN · V(ON) · BOVENTEN / IN · GODT · SELICH · ENTSLAPEN · R(EQVIESCAT) · I(N) · P(ACE)

  2. B

    IOHAN(ES) · 3 · ALSO · HEFT · GODT · DE · WERLT GELEVET / DAT · HE · SINEN · ENIGEN · SONE · GAF · VP · DAT · ALLE · / DE · AN · EN · GELOVEN · NICH · VORLOREN · WERDEN / SVNDER · DAT · EVIGE · LEVENT · HEBBEN1)

Wappen:
Gittelde2)Boventen6)
Berge3)Steinberg7)
Landsberg4)Oldershausen8)
Kisleben5)Hanstein9)

Kommentar

Vor allem die Enden der Schrägschäfte von A, V und konischem M sind keilförmig verbreitert. Der als Haarstrich ausgeführte Schrägschaft des N zeigt eine Ausbuchtung nach links. Das O ist spitzoval, G und D weisen oft eine spitz ausgezogene Bogenschwellung auf; das obere Bogenende ist, auch beim C, teilweise abgeschrägt. Der Bogen des D reicht über den Schaft hinaus, die senkrechte Cauda des G setzt am Bogenende an. Das asymmetrische Y mit zwei Punkten besteht aus einem langen, senkrechten linken Schaft, an dem der gebrochene, kurze rechte Schaft ansetzt. Die Cauda des R ist geschwungen, die Bögen von B, P und R sind relativ klein, die Schäfte dieser Buchstaben sind zumeist leicht durchgebogen. Die Schrift zeigt gewisse Ähnlichkeiten zu der einer Werkstatt, deren Produkte in den Jahren zwischen 1569 und 1576 in benachbarten Orten im südlichen Landkreis Hildesheim (Wrisbergholzen, Banteln und Brüggen) nachzuweisen sind.10) Diese zeichnen sich durch die besondere Form von O und D, kleine Bögen an R und P sowie an den Zahlen 1 und 5 aus. Zudem ist bei dem vorliegenden Epitaph der Hintergrund des seitlichen Frieses ebenso punktiert wie der flächige Hintergrund der genannten Epitaphien. Ein Werkstattzusammenhang liegt nah, zumal die 1572 gestorbene Lamspringer „Klosterjungfrau“ Barbara von Boventen, die ein Epitaph in Banteln erhielt, eine Schwester der Verstorbenen war.11)

Die Formel R · I · P (Inschrift A) findet sich in dieser Form – ohne den sonst üblichen Bezug auf die Seele durch cuius anima – im mittel- und südniedersächsischen Raum sonst erst im 17. Jahrhundert.12)

Anna von Boventens Vater Ludolph d. Ä. war mit Barbara von Steinberg verheiratet, der väterliche Großvater Hans (VIII.) von Boventen mit Mechtild von Oldershausen, der mütterliche Großvater Burchard von Steinberg mit Gusta von Hanstein.13) Nach dem Tod von Annas Bruder Ludolph d. J. von Boventen im Jahr 1586 – zu dessen Grabmal vgl. DI 96 (Lkr. Northeim), Nr. 173 – fiel das westlich von Gittelde gelegene Willershausen (Lkr. Northeim) an ihren Witwer Hans von Gittelde.14)

Hans von Gittelde ist seit 1544/50 greifbar.15) Sein gleichnamiger Vater war verheiratet mit Anna von Berge (Neu-Eichenberg im Werra-Meißner-Kreis). Der ebenfalls Hans genannte Großvater hatte eine Landsberg zur Frau.16) Die Ehe mit Anna von Boventen bestand spätestens im April 1560.17) Die Mutter der Anna von Berge, deren Wappen auf der heraldisch rechten Seite unten steht, muss demnach eine geborene von Kisleben gewesen sein. Hans von Gittelde starb am 20. August 1599; vgl. Nr. 124.

Von den abgebildeten vier Söhnen des Paares sind drei namentlich bekannt. Der älteste Sohn Gerd von Gittelde starb 1588 und wurde ebenfalls in der Johannis-Kirche begraben (Nr. 92). Zu Ludolf und Heinrich von Gittelde siehe den Artikel zu ihrem Vater Hans (Nr. 124). Die Tochter Marie (1563–1654) ließ das Wappen ihrer Mutter mit deren Initialen am Gut Banteln (Lkr. Hildesheim) anbringen, das ihr Mann Johann von Bennigsen geerbt hatte.18)

Anmerkungen

  1. Jh. 3,16.
  2. Wappen Gittelde (zwei nach außen gekehrte Schlüssel); vgl. Siebmacher 1605, S. 201 (Tafel 181).
  3. Wappen Berge (Balken); eigentlich ein silberbordierter schwarzer Balken; vgl. Siebmacher 1605, S. 156 (Tafel 136). Winzer, Herren von Gittelde, S. 129.
  4. Wappen Landsberg (geteilt, oben Fuchs, unten schräges Gitter); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 78; Bd. 2, Tafel 190.
  5. Wappen Kisleben (drei aufgerichtete Pfeile balkenweise); vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 5, Abt. 11, S. 32 u. Tafel 18.
  6. Wappen Boventen (gespalten, vorne Löwe, hinten Schlüssel), hier linksgewendet; vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 4, Abt. 6, S. 25 u. Tafel 15.
  7. Wappen Steinberg (springender Steinbock); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 121; Bd. 2, Tafel 305; Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 16 u. Tafel 18.
  8. Wappen Oldershausen (quadriert, 1. u. 4. neun Rosen, 3:3:3), hier linksgewendet; vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 14 u. Tafel 15.
  9. Wappen Hanstein (drei Mondsicheln, 2:1); vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 8 u. Tafel 9.
  10. Vgl. DI 88 (Lkr. Hildesheim), Nr. 183, 184, 188, 193 u. 194.
  11. Vgl. DI 88 (Lkr. Hildesheim), Nr. 184.
  12. Vgl. DI 28 (Stadt Hameln), Nr. 113 (1614) u. Nr. 152/153 (1643/44); DI 46 (Stadt Minden), Nr. 160 (1622); DI 58 (Stadt Hildesheim), Nr. 667 (1625); DI 56 (Stadt Braunschweig II), Nr. 855 (1636); DI 36 (Stadt Hannover), Nr. 321 (nach 1638).
  13. Behrens, Steinberg, S. 27 (N. 57 u. 56). Dolle, Studien, S. 180 u. 184. Winzer, Herren von Gittelde, S. 89.
  14. Dolle, Studien, S. 146f. Müller, Willershausen im 13. bis 16. Jahrhundert, S. 83. Winzer, Herren von Gittelde, S. 89, 93f., 129f. u. 176f.
  15. Vgl. Winzer, Herren von Gittelde, S. 83–101.
  16. Ebd., S. 82 u. 128f. – Winzer rekonstruiert einen Stammbaum (ebd., S. 183), demzufolge Hans VII. (erwähnt 1492–1543) der mit einer von Landsberg verheiratete Großvater war; ebd., S. 80f. Zwischen Hans IX., den Ehemann der Anna von Boventen, und Hans VII. schiebt er einen nur einmal, 1535, zu greifenden Hans VIII. ein, der demzufolge mit Anna von Berge verheiratet war und vor seinem Vater gestorben wäre; ebd., S. 82f. Dies scheint mir überflüssig zu sein. Viele Fragen, darunter die Erklärung der Wappen der heraldisch rechten Seite auf dem Grabmal, lassen sich einfacher lösen, wenn man Hans VIII. aus der Abfolge fortlässt. Die nicht näher bekannte von Landsberg wäre dann mit Hans VI. (erwähnt 1466–1490) verheiratet gewesen, und dessen Sohn Hans VII. mit Anna von Berge, wahrscheinlich in zweiter Ehe, da Hans IX. beim Tod des Vaters nicht volljährig war. Somit ließe sich auch leichter erklären, wieso in zwei Quellen ein Dietrich von Gittelde als Großvater von Hans IX. genannt wird: zum einen in dem Bericht von dem adelichen Gittelschen sitze in Gittell (Aussagen von Gittelder Einwohnern von 1602), abgedruckt bei Winzer, ebd., S. 212; außerdem bei Valentin König, Genealogische Adels-Historie Oder Geschlechts-Beschreibung Derer Im Chur-Sächsischen und angrenzenden Landen … stehenden ältesten und ansehnlichsten Adelichen Geschlechter …, Zweyter Theil, Leipzig 1729, S. 87 (s. v. von Arnstädt, Nr. 25). Dietrich von Gittelde (erwähnt 1466–1499) war der jüngere Bruder von Hans VI. und agierte zwischen 1490 und 1499 als Familienältester vor seinen Neffen.
  17. Vgl. NLA HA Cal. Or. 81a, Nr. 915: Dietrich von Plesse belehnt Anna von Gittelde, die Frau seines Lehnsmannes Hans von Gittelde, mit dem halben Zehnten in Sebexen (11. April 1560); zit. nach Online-Findbuch.
  18. Vgl. DI 88 (Lkr. Hildesheim), Nr. 204 u. 203.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Gandersheim, S. 291.
  2. NLA WO 2 Alt, Nr. 15047, Bl. 23v.
  3. G. Bode, Grabstein, in: Zeitschrift des Harz-Vereins, 21. Jg., 1888, S. 232.
  4. UB Boventen, Nr. 680 (nach Bode u. Kdm.).
  5. Müller, Willershausen im 13. bis 16. Jahrhundert, S. 84.

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 81 (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0008109.