Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 73 Kloster Walkenried, Kapitelsaal (Kirche) 1577

Beschreibung

Altarretabel. Öl auf Holz. Aufgehängt an der Nordwand. Auf der Mitteltafel eine Darstellung des Letzten Abendmahls, im linken Flügel Maria mit dem Kind auf der Mondsichel, auf dem rechten Flügel Johannes der Täufer. Auf den Flügelaußenseiten Petrus und Paulus. Inschrift A in der konkaven, trapezförmigen Bekrönung. Inschrift B auf dem Gesims über der Mitteltafel, zur Auffüllung des Winkels links ein Rankenmuster. Beide Inschriften gemalt, in Gold auf schwarz. Interpunktionszeichen in Inschrift A; I und J mit Punkten.

Das stark beschädigte Retabel wurde 1965 restauriert.1) Zusätzliche Inschriften, die aus der Zeit von Herzog Heinrich Julius (1589–1614) stammen sollen, wurden in einem 1943 verbrannten Manuskript des hannoverschen Archivars Hofmann zitiert. Sie waren schon um 1900 nicht mehr vorhanden.2) Der Aufsatz stand wohl bis in das 19. Jahrhundert auf dem 1577 gestifteten Altar an der Ostseite des Kapitelsaals. 1870 war er links neben dem Altar (mit einer Kreuzigung in der Predella) abgestellt. 1895 durch einen neugotischen Altar und Aufsatz ersetzt, stand das Retabel zeitweise in der Sakristei und hing später an der Südwand der Kirche. Bei der Ausrichtung der Kirche nach Norden im Jahr 1977 wurde es über den Altar an den heutigen Platz an der Nordwand gehängt, wo es auch bei der erneuten Umorientierung der Kirche nach Osten im Jahr 2006 verblieb.3)

Maße: H.: 239 cm (gesamt), 148 cm (Mittelteil); B.: 144 cm (Mittelteil), 73 cm (Flügel); Bu.: ca. 1,5 cm (A), 4 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis mit Versal (A), Fraktur (B).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg H. Lampe) [1/3]

  1. A

    IN HONOREM, ECCLESIAE, CHR(IST)I, PIE=/TATIS. ERGO. HANC ARAM eta) TABV=/LAM PON(I) [C]VRAVITb), REVEREND(VS) / IN CHR(IST)O, GEORGIVS ABBAS, HVIVS / SANCTAE [A]EDISc) : ANNO SALVTIS, HV=/MANAE, M. D. LXXVII MENSIS MAIJ · III

  2. B

    Das Blutt Jhesu Christi Des Sohn Gottes Macht U[n]nsd) / Rein Vonn Allen Sündenn . Johannes am Ersten4) ·

Übersetzung:

Zu Ehren der Kirche Christi hat Georg, der hochwürdige Abt in Christus dieses heiligen Gotteshauses, aus Frömmigkeit diesen Altar und die Tafel (darauf) setzen lassen im Jahr des Heils der Menschen 1577 am 3. Mai. (A)

Kommentar

Vorlage für das Abendmahlsbild war ein 1571 datierter Stich des Niederländers Philip Galle nach einem Gemälde von Antonius Blockland, wie Hermann Oertel nachgewiesen hat. Das Walkenrieder Abendmahlsbild gehört zu den frühesten Darstellungen, die unabhängig von den Werken der Cranachschule in Mitteldeutschland entstanden sind.5) Ein Kunstführer hat das Retabel 1870 dem Maler Martin Luder aus Nordhausen, der 1557 zu den ersten Schülern der Klosterschule in Walkenried gehört hatte,6) auf der Grundlage einer bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts verlorenen „Unterschrift“ zugeschrieben.7) Dies ist nach Ansicht Oertels nicht wahrscheinlich, zumal da Eckstorm Luder in seiner Liste der Klosterschüler ausdrücklich als bedeutenden Maler nennt, ohne ihm aber das Retabel zuzuschreiben.8)

Georg Kreite aus Osterwieck, der 1557 ebenfalls zu den ersten Klosterschülern in Walkenried gehört hatte,9) war der Sohn eines früheren Mönches und von 1569 bis 1578 Abt von Walkenried. Über ihn weiß ein Strang der Tradition wenig rühmliches (Leuckfeld) zu berichten, weil er seine Zeit mit sauffen und spielen zugebracht, sich gern in Pelze gekleidet und an jedem Finger einen goldenen Ring getragen habe.10) Dieses Urteil geht zurück auf den Ilfelder Schulrektor Michael Neander. Offenbar hatte der Walkenrieder Pastor Johann Mylius (vgl. Nr. 84) Konflikte mit Kreite und beeinflusste seinen Lehrer Neander in dessen Urteil.11) Dagegen berichten sowohl Letzner wie auch Heinrich Eckstorm neutral über Kreite. Als dessen Leistungen müssen der Umbau des Kapitelsaals zur Kirche 1570, eine Gesindeordnung aus demselben Jahr und die Stiftung des Altarbildes für die Kirche im Jahr 1577 hervorgehoben werden.12) Georg Kreite starb am 11. Februar 1578.13) Er war der letzte evangelische Abt. Nach seinem Tod ließ Graf Volkmar Wolfgang von Honstein (1512–1580; vgl. Nr. 79, 85) seinen ältesten Sohn und späteren Nachfolger Ernst VII. (1562–1593) zum Administrator des Klosters wählen.14)

Textkritischer Apparat

  1. et] Kleiner und in Form einer et-Ligatur.
  2. [C]VRAVIT] Befund: OVRAVIT, fehlrestauriert; außerdem kreuzt der Schaft des A infolge der Restaurierung die Cauda des R; curavit Kdm., curauit Eckstorm.
  3. [A]EDIS] Befund: REDIS, fehlrestauriert; aedis Kdm., Eckstorm.
  4. U[n]ns] Befund u. Foto IFDN 15 365: Uuns, fehlrestauriert; Unns Kdm. Eckstorm zitiert die Inschrift, nähert die Orthografie aber durchgehend der der Lutherbibel an.

Anmerkungen

  1. Vgl. die im März 1965 während der Restaurierung gemachten Fotos im NLD Hannover, IFDN 15 365–15 367; auch: https://www.bildindex.de/document/obj32055156?part=0&medium=mi09057i03 (-05; 03.07.2019).
  2. Auf Hofmann verweist Steinacker in Kdm. Kreis Blankenburg, S. 340, ohne die Inschriften zu zitieren.
  3. Vgl. Reinboth/Reinboth, Kapitelsaal, S. 28–30.
  4. 1. Jh. 1,7.
  5. Oertel, Abendmahlsbilder, S. 149–152, mit Abb. 1 u. 2, nach S. 152.
  6. Vgl. Wagnitz/Reinboth, Klosterschule, S. 89.
  7. W. Girschner, Die vormalige Reichsabtei Walkenried am Harz. Ein Führer, Nordhausen 1870, S. 68. Vorsichtig zitiert in: Kdm. Kreis Blankenburg, S. 340. Als Tatsache notiert auf den Fotos von 1965 im NLD Hannover, IFDN 15 365–15 367. Die in dem Kunstführer angegebene Jahreszahl 1557 beruht entweder auf einem Druckfehler, einer Verlesung der Jahreszahl in Inschrift A oder auf einer Kontamination mit dem Jahr von Luders Aufnahme in die Schule.
  8. Oertel, Abendmahlsbilder, S. 153f. Reinboth hält an der Autorschaft Luders fest; Reinboth/Reinboth, Kapitelsaal, S. 28–30.
  9. Vgl. Wagnitz/Reinboth, Klosterschule, S. 89.
  10. Vgl. Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 2, S. 103–105.
  11. Vgl. Bouterwek, Michael Neander’s Bericht vom Kloster Ilfeld. Ein Beitrag zur Geschichte des 16. Jahrhunderts, in: Jahresbericht über das Königliche Pädagogium zu Ilfeld von Ostern 1872 bis Ostern 1873, Nordhausen 1873, S. 1–44, hier S. 39f. Außerdem streicht Neander vor dem düster gezeichneten Walkenrieder Hintergrund die bessere Verwaltung des Klosters Ilfeld (durch ihn selbst) heraus.
  12. Letzner, Walkenrieder Chronik, S. 108. Eckstorm, Chronicon Walkenredense, S. 253–256. Zu dem Urteil über Kreite vgl. ebenso Wagnitz/Reinboth, Klosterschule, S. 12f.
  13. Das Todesdatum: A. C. 1578. in carnispriuio (Dienstag vor Aschermittwoch); Eckstorm, Chronicon Walkenredense, S. 256.
  14. Vgl. Letzner, Walkenrieder Chronik, S. 109. Eckstorm, Chronicon Walkenredense, S. 256f. Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 2, S. 105–112.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Blankenburg, S. 340.
  2. Letzner, Walkenrieder Chronik, S. 108f. (Bl. 42v).
  3. Eckstorm, Chronicon Walkenredense, S. 255.
  4. NLD Hannover, Foto IFDN 15 365 (1965); nur Inschrift B zu erkennen.
  5. Reinboth/Reinboth, Kapitelsaal, S. 29.

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 73 (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0007307.