Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 71†? Kloster Walkenried, Steinlager? 1570

Beschreibung

Grabplatte für das Kind Eiliger von Honstein. Stein, Fragment. Die Umschrift mit dem Sterbevermerk war bereits vor hundert Jahren fast vollständig zerstört.1) Die Versinschrift fand sich vermutlich im Mittelfeld; von ihr waren nur von den Zeilen 2 bis 9 Teile erhalten. Laut Reinboth war das inzwischen verkleinerte Fragment (offenbar ging der untere Teil verloren) bis Februar 2005 im „alten Lapidarium“ im heute als Museum genutzten Gebäudeteil abgestellt. Die Platte, ursprünglich im 1570 zur Kirche umgenutzten Kapitelsaal, der auch als Grablege der Honsteiner Grafen diente, von wo sie 1834 entfernt wurde, befindet sich heute vermutlich im offenen Steinlager hinter der Abtei oder in einem Container;2) sie konnte ohne unzumutbaren technischen Aufwand nicht ermittelt und angesehen werden. Das Epitaph des Verstorbenen Nr. 70, das ebenfalls im Kapitelsaal aufgehängt war, befindet sich heute im Kreuzgang.

Inschrift nach Kdm., Ergänzungen nach Eckstorm.

Maße: H.: 185 cm (Kdm.), 120 cm (Reinboth); B.: 90 cm.

  1. [QUAM BREVIS ET FRAGILIS QUAM DURI PLENA LABORIS TRISTIBUS HAEC QUAM SIT] VITA REFERTA MA[LIS QUAMQ(UE)] SIT ERRANTIS FOR[TU]NAEa) LUSUS ET VMBRAb) [FUNERIS] ETc) NIGRAE SAEVA RAPINA NECIS 5[TE Q]UISQUIS CERNES BUSTUM [HOC] MEA FATA MONEBUNT [FATA SED] AETERNO SIC [S]TATUENTE DEO [INCLYTA NAMQ(UE)] FUI HEROO DE STEMMATE PROLES [ALTA CUI] RUPES NOMEN [HA]BERE DEDIT [NATALIS] MIHI MENSIS ERAT [CUM CORNU]A TAURI 10[LINQUIT ET AD GEMINOS SOL SPACIOSUS ADITd)3) LUNA NOVOS QUINTO SOLITOS VBI DUCERET ORBES4) IMMINET EXTREMI FUNERIS HORA MIHI MORTE VENIT MIHI VITA DEO NAM VIVO PARENTES CORPORIS EXUVIAS HUC POSUERE PIJ]

Übersetzung:

Wie kurz und brüchig, wie voll von harter Mühe, wie angefüllt von bitterem Unglück dieses Leben ist, und wie sehr es der Spielball des wechselhaften Schicksals, der Schatten des Grabes und der grausame Raub des schwarzen Todes ist, daran wird dich, wer immer du dieses Grabmal betrachten wirst, mein Schicksal erinnern, während doch der ewige Gott das Schicksal so beschloss. Denn ich war ein ruhmvoller Spross von heldenhaftem Stamm, welchem ein hoher Fels den Namen zu tragen gab. Mein Geburtsmonat war, wenn die wandernde Sonne die Hörner des Stiers verlässt und sich den Zwillingen nähert. Als der Mond zum fünften Mal aufs Neue seine gewohnte Bahn zog, drohte mir die Stunde des letzten Todesgangs. Durch den Tod kommt für mich das Leben, denn ich lebe für Gott. Meine frommen Eltern haben die Hülle meines Körpers hier niedergelegt.

Versmaß: Elegische Distichen.

Kommentar

Die Inschrift wurde laut Letzner und Eckstorm verfasst vom Pastor Johann Mylius, der von 1559 bis 1584 in Walkenried amtierte. Eiliger (Elger) von Honstein wurde geboren am 7. Mai 1570 und starb am 29. September desselben Jahres; vgl. Nr. 70.5)

Textkritischer Apparat

  1. FOR[TU]NAE] for[tu]nac Kdm., fortunae Eckstorm, Lesser.
  2. TRISTIBUS HAEC QUAM SIT] VITA REFERTA MA[LIS QUAMQ(UE)] SIT ERRANTIS FOR[TU]NAE LUSUS ET VMBRA; fett die laut Reinboth im Februar 2005 noch sichtbaren Buchstaben.
  3. ET] Im Druck bei Eckstorm (danach auch Reinboth) immer eine &-Ligatur; ausgeführt war Kdm. zufolge ET, danach immer stillschweigend aufgelöst; et Lesser.
  4. LINQUIT ET AD GEMINOS SOL SPACIOSUS ADIT] Eckstorm; Linquit et ad Seminos Sol spaciosus adit Lesser; Linquens ad Geminos, Sol spatiosus abit Letzner, Chronica, Bl. 77v.

Anmerkungen

  1. Kdm. Kreis Blankenburg, S. 349.
  2. Reinboth, Bestattungen, S. 37 (mit S. 11).
  3. Wechsel vom Tierkreiszeichen Stier zu Zwillinge: 11. Mai (iul.). Die Angabe passt zum überlieferten Geburtsdatum 7. Mai, da der Wechsel der Sonne in das neue Tierkreiszeichen bevorsteht.
  4. Der fünfte Neumond nach Mai 1570 trat am Abend des 29. September ein; vgl. https://www.ewigeweisheit.de/evocations/lunar-calendar (11.12.2017; berechnet für die Länge von Braunschweig, die ungefähr der von Walkenried entspricht).
  5. Eckstorm, Chronicon Walkenredense, S. 254.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Blankenburg, S. 349f. (ergänzt nach Eckstorm).
  2. Letzner, Chronica, Bl. 77r/v.
  3. Eckstorm, Chronicon Walkenredense, S. 254.
  4. Lesser, Historie, S. 90f.
  5. Letzner, Walkenrieder Chronik, S. 180.
  6. Reinboth, Bestattungen, S. 37 (Nr. 37; nach Eckstorm).

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 71†? (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0007103.