Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 55† Walkenried, Klosterkirche 1552

Beschreibung

Grabplatte für Graf Ernst V. von Honstein. Stein.1) Im Innenfeld des oben in einem flachen Bogen endenden Steins war der bärtige Verstorbene in Rüstung dargestellt, die Arme abgewinkelt. Die rechte Hand mit Kommandostab war in die Seite gestützt, die linke Hand an das Schwert gelegt. In den vier Ecken des Innenfeldes Wappen in leicht nach innen gelehnten tartschenförmigen Schilden, die beiden unteren vor den Unterschenkeln und Füßen der Figur. Das Honsteiner Wappen unten links ist als Wappen des Verstorbenen als einziges mit Helm, Helmzier und Decke versehen.2) Inschrift A in einem gebogenen Schriftband über dem Kopf, Inschrift B umlaufend um den Stein; beide erhaben in vertiefter Zeile. Auf der rechten Längsseite fehlte bei der 1890 erstellten Abzeichnung etwa die untere Hälfte des Textes, auf der linken ein Wort; die folgenden Buchstaben waren nur noch schwach zu lesen. An der unteren Schmalseite war nur ein Wortende auszumachen. Auf dem Rahmen über der Zeile zahlreiche Kürzungsstriche, als Worttrenner Quadrangeln mit oben und unten angesetzten Zierhäkchen. Der Stein wurde 1861 in der Kirchenruine aufgefunden und im nördlichen Arm des Kreuzgangs abgelegt.3) Er wurde im Winter 1959/60 entfernt, weil er durch aufsteigende Feuchtigkeit „vollkommen zerfallen“ war.4)

Inschrift nach Abb. bei Zimmermann.

Maße: H.: 242 cm; B.: 170 cm5)

Schriftart(en): Kapitalis (A), gotische Minuskel mit Versal (B).

nach Zimmermann, Zu den Grabdenkmälern, Abb. nach S. 498 [1/1]

  1. A

    · V(ERBVM) · [D(OMINI)]a) · M(ANET) · I(N) · AE(TERNVM)b)6)

  2. B

    an(n)o · do(mini) · i·v·lii · s(on)ab(e)ntc) · nach · s · ioh(a)n(is)d)e)7) / ist · d[e]rf) · ed[e]leg) · u(nd) · wolgbor(n) [– – –] / [– – –]ste(i)n [– – –] / [. . g]ot · vo·sc[h]ide(n)h) · d[e]ri)j) · got · gned(i)g · sei(e)k) · A(men)l)

Übersetzung:

Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit. (A)

Im Jahr des Herrn 1552 am Sonnabend nach Sankt Johannis ist der edle und wohlgeborene (Herr, Herr Ernst Graf von Hon)stein, (… in) Gott verschieden. Der (Seele) sei Gott gnädig. Amen. (B)

Wappen:
Gera8)Waldeck10)
Honstein9)Henneberg-Römhild11)

Kommentar

Die gotische Minuskel ist offenbar regelkonform ausgeführt gewesen. Bemerkenswert ist die Jahresangabe, die den Aufbau einer arabischen Jahreszahl mit römischen Zahlzeichen verbindet, so dass i und v nach Stellenwert als Tausender und Hunderter zu lesen sind.

Zwar weist der Stein mit dem gebogenen Abschluss oben und seiner über das normale Maß hinausgehenden Breite eher die Form eines Epitaphs auf. Andererseits war das zweite für Graf Ernst V. überlieferte Grabdenkmal Nr. 56, das Letzner und Eckstorm zufolge 1570 aus der eingestürzten Klosterkirche in den Kapitelsaal versetzt wurde, ein Leichstein (Letzner, bei Eckstorm als statua bezeichnet), der auffgerichtet an der Wand gestanden hat. Damit kann nur ein Epitaph gemeint sein. Letzner zufolge wurde dagegen der Grabstein bei dem Einsturz verschüttet (mit dem Gewelbe befallen).12) Demnach muss es sich bei dem vorliegenden, 1863 in der Kirchenruine aufgefundenen Stein doch um die Grabplatte gehandelt haben.

Über dem Wappen des Verstorbenen bzw. seines Vaters befindet sich oben links (heraldisch rechts) das seiner Mutter Margarete von Reuß-Gera, die mit Ernst IV. von Honstein (1440–1508) verheiratet war. Oben rechts (heraldisch links) das Wappen der väterlichen Großmutter Margarete von Waldeck (1405–1464 od. früher), Frau von Heinrich XI. von Honstein (1402–1454), unten das der mütterlichen Großmutter Anna von Henneberg (1424–1467).13) Die Position der Wappen weicht demnach von den üblichen Regeln ab.

Bei Letzner und Eckstorm findet sich eine ausführliche Beschreibung des Begräbniszuges des katholisch gebliebenen Ernst V., der von der Burg Scharzfels nach Walkenried ging. Als der Wagen mit der Leiche vom Weg abkam und sich im Wald verirrte, soll der älteste Sohn Volkmar Wolfgang ausgerufen haben, „die Bösewichter“, d. h. die katholischen Geistlichen, hätten den Vater im Leben in die Irre geführt und wollten ihn nun noch im Tod verführen.14) Umso überraschender bzw. nur durch eine bewusste Entscheidung der Söhne gegen die Haltung des Vaters zu erklären ist die Anbringung der protestantischen Devise (A) über dem Kopf des Verstorbenen.

Textkritischer Apparat

  1. · V(ERBVM) · [D(OMINI)]] fehlt Kdm.
  2. AE(TERNVM)] T. Kdm., Ligatur AE erwogen.
  3. s(on)ab(e)nt] snbnt Schmid/Zimmermann.
  4. ioh(a)n(is)] ionn’ Schmid/Zimmermann.
  5. Kdm. hat bis hierher nur: anno … nac(h) …
  6. d[e]r] Der Balken des e ist kaum zu erkennen; dr Schmid/Zimmermann.
  7. ed[e]le] Der Balken des e ist nicht abgezeichnet; edle Schmid/Zimmermann, Kdm.
  8. vo·sc[h]ide(n)] Befund: vo·sc.nde (mit einem kurzen Kürzungsstrich über dem scheinbaren n und einem langen über e), die Oberlänge des h nicht abgezeichnet; möglicherweise ist statt des Worttrenners, der wie vo nur gestrichelt gezeichnet ist, also schlechter zu lesen war, auch ein r zu emendieren. … scheiden Kdm.
  9. d[e]r] Der Balken des e ist nicht abgezeichnet; dem Kdm.
  10. [– – –]ste(i)n [– – –] / [. . g]ot · vo·sc[h]ide(n) · d[e]r] Fehlt Schmid/Zimmermann.
  11. Reinboth liefert eine Rekonstruktion der Inschrift auf der Basis von Schmid/Zimmermann.
  12. A(men)] Fehlt Schmid/Zimmermann, Kdm. u. Reinboth; Reinboth zieht den Versal zu A/nno.

Anmerkungen

  1. Kdm. Kreis Blankenburg, S. 348.
  2. Zimmermann, Zu den Grabdenkmälern, Abb. nach S. 498.
  3. Reinboth, Bestattungen, S. 8, 46 u. 52. Schmid/Zimmermann, Grabdenkmal, S. 207, Anm. 5 (demnach aufgefunden 1863). Von Voges 1878 als im Kreuzgang liegend verzeichnet; die Umschrift hielt er für „nicht mehr lesbar“; NLA WO 142 N, Nr. 5: Amtsgericht Walkenried, Walkenried (bes. Zettel).
  4. Reinboth, Bestattungen, S. 8, 46 u. 52.
  5. Maße nach Schmid/Zimmermann, Grabdenkmal, S. 207, Anm. 5; laut Kdm. Kreis Blankenburg, S. 348: H.: 239 cm, B.: 162 cm.
  6. Protestantische Devise nach I Pt. 1,25.
  7. 25. Juni. Ebenso die Angabe des Todesdatums auf dem Epitaph Nr. 56: Sabbatho post Ioan(nis) Baptis(te).
  8. Wappen Gera (gekrönter u. bewehrter Löwe), hier linksgewendet; vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 4, S. 78f. (mit S. 76) u. Tafel 65. Auf der Zeichnung wie ein schreitender Hund wirkend, der auch irrtümlich aus der Helmzier (Brackenkopf) genommen sein könnte.
  9. Wappen Honstein (quadriert, mit Herzschild belegt: 1. u. 4. geschacht [Honstein], 2. u. 3. siebenmal geteilt, darüber schreitender Löwe [Lauterberg]; Herzschild Hirsch [Klettenberg]); vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 4, S. 45–47 u. Tafel 38. Hier: verwittert, nur die heraldisch rechte Seite (1. u. 3.) ist ohne den Herzschild abgezeichnet, der Löwe in 3. linksgewendet.
  10. Wappen Waldeck (achtstrahliger Stern); vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 3, Teil 2, S. 72 u. Tafel 119. Der Stern hier sechsstrahlig.
  11. Wappen Henneberg-Römhild (quadriert: 1. u. 4. bekrönte Säule [Colonna], 2. u. 3. Henne auf einem Berg [Henneberg]); vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 2, S. 124 u. Tafel 124 (Nr. 5).
  12. Vgl. Letzner, Walkenrieder Chronik, S. 179; Eckstorm, Chronicon Walkenredense, S. 227.
  13. Vgl. die Stammtafel bei Schmid/Zimmermann, Grabdenkmal, S. 206. Lebensdaten ergänzt nach https://de.wikipedia.org/wiki/Stammliste_von_Hohnstein (08.01.2018).
  14. Vgl. Letzner, Walkenrieder Chronik, S. 179; Eckstorm, Chronicon Walkenredense, S. 227f. („Buben“). Nach Eckstorm Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 1, S. 307.

Nachweise

  1. Zimmermann, Zu den Grabdenkmälern, Abb. nach S. 498.
  2. Schmid/Zimmermann, Grabdenkmal, S. 207, Anm. 5 (B).
  3. Kdm. Kreis Blankenburg, S. 349.
  4. Reinboth, Bestattungen, S. 46f. (Nr. 52; B, Abb. aus Zimmermann).

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 55† (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0005509.