Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 53 Osterode, Waagestraße 8 1550

Beschreibung

Haus. Fachwerk, sog. „Ratswaage“. Giebelständiges, sieben Gefache breites Fachwerkhaus mit vorkragendem zweiten Obergeschoss und ebenfalls vorkragendem Giebel. Das Haus wurde bei einem Brand Ende 1969 weitgehend zerstört; Original erhalten ist vor allem die Fassade unterhalb des Giebeldreiecks.1) Auf den durch Fußwinkelhölzer erweiterten Ständern des ersten Obergeschosses Fächerrosetten. Über der zwei Gefache breiten, leicht spitzbogigen und mit Tauband geschmückten Einfahrt anstelle einer Fächerrosette ein Wappenschild mit Jagdhorn. Über dem Schild ein geschwungenes, vom Band des Jagdhorns umwundenes Spruchband mit der leicht erhaben in vertiefter Zeile geschnitzten Inschrift A. An vier Stellen im Schriftband zusätzliche Punkte, die den Eindruck von Scharnieren erwecken sollen. Auf dem durchgehenden, etwas zurückgesetzten Balken unterhalb des Bogens die erhaben in vertiefter Zeile geschnitzte Jahreszahl B, die 1954 freigelegt wurde.2) Auf dem Schwellbalken des Obergeschosses jüngere aufgemalte Inschriften, die auf die langjährige Funktion als Gasthaus sowie die historische Funktion des Vorderhauses als Ratswaage und des Hinterhauses als „Hochzeitshaus“ Bezug nehmen.3) Am mittleren Ständer des Hauses hängt von der Höhe der Fenster des zweiten Obergeschosses eine eiserne Balkenwaage, auf der eine Jahreszahl (Nr. 196) aufgemalt ist.

Maße: Bu.: ca. 4 cm (A), 5,5 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg H. Lampe) [1/1]

  1. A

    dat sin nicht · alle · Jeger de de horne blasen4)

  2. B

    Anno · 1550

Übersetzung:

Es sind nicht alles Jäger, die das Horn blasen. (A)

Wappen:
Jäger5)

Kommentar

Der Bauherr Arndt Jäger (Jeger) wird im Wachtgeldregister von 1552 als Bürger des Viertels ‚auf dem Markt‘ (Up dem Marckede) verzeichnet, zu dem auch die heutige Waagestraße gehörte.6) Die Familie lässt sich seit der Mitte des 14. Jahrhunderts in Osteroder Urkunden nachweisen.7)

Der Rat hatte bereits 1546 dem mutmaßlichen Ratszimmermeister Markus Brandenburg (vgl. Nr. 50) den Auftrag erteilt, ein Pfarr- und Schulhaus sowie eine Ratswaage zu errichten.8) Granzin hat angenommen, dass es sich dabei um das 1550 fertiggestellte Haus handelte.9) Der über der Toreinfahrt angebrachte Name des Bauherrn schließt dies aber aus. Das vorliegende Haus ist möglicherweise erst 1643 (Nr. 196) in den Besitz des Rates übergegangen. 1653 wurde, wie Wendt aus eigenem Erleben berichtet, im hinteren Teil das Hochzeitshaus angebaut.10) Vermutlich seit 1683 (belegt durch die Kopfsteuerbeschreibung von 1689) befand sich in der „Ratswaage“ auch die Posthalterei. Anders als Granzin andeutet, hat das sprechende Jagdhorn-Wappen des Bauherrn Jäger aus dem Jahr 1550, das durch Inschrift A als zugehörig gesichert ist, nichts mit dieser Funktion zu tun.11)

Anmerkungen

  1. Granzin, Ratswaage, S. 5 (mit Foto S. 4). Leuschner, Osterode in der Frühneuzeit, S. 178.
  2. Hans Erich Giebel, Osteroder Hausinschriften, in: Unter dem Harze Nr. 197, 1954.
  3. Hus für Hochziter / Gasthof zur Ratswaage / Erbaut Anno 1550. Die ersten Zeilen waren schon früher am Giebel aufgemalt; Granzin, Ratswaage, S. 6.
  4. Vgl. Wander, Sprichwörterlexikon, Bd. 2, Sp. 981f. (Nr. 46; auch Nr. 44).
  5. Wappen Jäger (Jagdhorn).
  6. Granzin, Wachtgeldregister, S. 18. Leuschner, Osterode in der Frühneuzeit, S. 178.
  7. Vgl. Pischke, Osterode im Mittelalter, S. 53f., 96 u. 98f.
  8. Granzin, Ratswaage, S. 9; vgl. Martins, Gebäude, S. 9.
  9. Granzin, Ratswaage, S. 9; ebenso Martins, Ratswaage, S. 6. Wahrscheinlich befand sich die Ratswaage zunächst neben dem gleichzeitig in Auftrag gegebenen Schul- und Pfarrhaus. An dieser Stelle wurden gegen Ende des 17. Jahrhunderts neue Pfarrhäuser errichtet; vgl. Martins, Gebäude, S. 9.
  10. Wendt, Geschichte, S. 355f. Danach ebenso Leuschner, Osterode in der Frühneuzeit, S. 179.
  11. Leuschner, Osterode in der Frühneuzeit, S. 179. Vgl. Granzin, Ratswaage, S. 15f.

Nachweise

  1. Hans Erich Giebel, Osteroder Hausinschriften, in: Unter dem Harze Nr. 197, 1954.
  2. Bremeneck (Giebel), Sösewasser, S. 64.
  3. Martins, Ratswaage, S. 6 (B) u. 7 (A).
  4. Granzin, Ratswaage, S. 6 (B) u. 16 (A).
  5. Leuschner, Osterode in der Frühneuzeit, S. 178.

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 53 (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0005305.