Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 44(†) Scharzfeld, St. Thomas 1. V. 16. Jh., 17. Jh.

Beschreibung

Zwei Flügel eines Altarretabels, heute fest verbunden. Holz, golden und farbig gefasst. Der Mittelschrein wurde beim Abbruch des Vorgängerbaus der heutigen Kirche im Jahr 1851 zerstört.1) Im linken Flügel Petrus mit Buch und Schlüssel, Andreas mit Kreuz und Bartholomäus mit Messer; auf dem Messer eine gemalte Meistermarke. Auf dem Sockelfeld unter dem eigentlichen Kasten die Namensbeischriften A. In der Mitte des rechten Flügels Christus mit Kreuzfahne, dem der links von ihm stehende, zu ihm gewandte Thomas die Hand in die Seitenwunde legt. Rechts daneben der Evangelist Johannes mit Kelch und einer über diesem sich windenden Schlange. Auf dem Sockelfeld darunter die Namensbeischriften B. Beide Inschriften sind gemalt, hellbraun (golden?) auf dunklem Untergrund. Der vergoldete Hintergrund der Schreinkästen mit Granatapfeldekor, die glatten Nimben sind wie die Sockel der Figuren leer. Die Schriftfelder auf den Sockeln sind geglättet und neu silbern gefasst. Auf dem Sockel der Christusfigur lassen sich unter der Fassung Reste der (gemalten) Inschrift C erkennen.

Maße: H.: 111 cm; B.: 141 cm; Bu.: 3,8 cm (A, B), ca. 2 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis (A, B), gotische Minuskel (C).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg H. Lampe) [1/2]

  1. A

    S. PETR(US)a)S. ANDREASS. BARTHOL(OMAEUS)b)

  2. B

    S. THOMAS.S(ALVATOR)c)S. IOHAN(N)ES.d)

  3. C

    [Jhes . s]

Kommentar

Die Kapitalis der Inschriften A und B zeichnet sich durch keilförmig verbreiterte Schaft- und Bogenenden aus. Die senkrechten Schäfte des N und die linken Schäfte von A, H und M sind als Haarstrich gestaltet. Bemerkenswert ist, dass sich jeweils zwei Formen des E und des A finden (neben dem kapitalen ein epsilonförmiges E in ANDREAS sowie ein geschwungener linker Schrägschaft des A neben einem geraden); der untere Balken des Kapitalis-E ist verlängert und, wie beim L, am Ende zum Sporn ausgezogen. Diese Merkmale sprechen dafür, dass die Inschriften A und B nicht erst nach 1851 angebracht wurden. Vielmehr liegen ihnen Schriftformen zugrunde, die vorsichtig in das 17. Jahrhundert zu setzen sind.

Die Zerstörung des Mittelschreins beim Abbruch der Kirche 1851 ist vermutlich dadurch zu erklären, dass das Retabel (ähnlich wie bei Nr. 22 u. 39) nach der Mitte des 17. Jahrhunderts in ein barockes Retabel bzw. einen Kanzelaltar eingefügt worden war, bei dessen Demontage der Schaden entstanden sein dürfte. Zur Zeit Mithoffs (1873) bestand bereits der heutige Zustand, der auf eine Restaurierung nach 1851 zurückgehen muss.

Die Schlange über dem Kelch folgt einer Erzählung in der Legenda Aurea, wonach der Oberpriester des Artemis-Tempels in Ephesus in einer Auseinandersetzung um die Stärke des jeweiligen Gottes Johannes dazu veranlasste, von dem Gift trinken, an dem zuvor schon zwei Verbrecher gestorben waren. Johannes schlug das Kreuz über dem Kelch und das Gift entwich als Schlange.2)

Die Namengebung der Kirche ist nicht alt, sondern erfolgte erst 1957,3) sicher unter Bezug auf das vorliegende Retabel.

Textkritischer Apparat

  1. PETR(US)] Ein kleiner Kreis als Kürzungszeichen.
  2. BARTHOL(OMAEUS)] Doppelpunkt als Kürzungszeichen.
  3. Mithoff ergänzt: S. [SALVATOR].
  4. IOHAN(N)ES.] Kürzungsstrich über dem N; IOHANNES Mithoff.

Anmerkungen

  1. https://www.karstwanderweg.de/kirchen/scharzfeld/text.htm (18.07.2017). Mithoff, Kdm. Göttingen und Grubenhagen, S. 188.
  2. Die Legenda aurea des Jacobus de Voragine, aus dem Lateinischen übersetzt von Richard Benz, Heidelberg 1979, S. 70.
  3. https://www.karstwanderweg.de/kirchen/scharzfeld/text.htm (18.07.2017).

Nachweise

  1. Mithoff, Kdm. Göttingen und Grubenhagen, S. 188.

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 44(†) (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0004406.