Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 40 Osterode, St. Aegidien 1514

Beschreibung

Kelch. Silber, vergoldet. Sechspassfuß mit gravierten Ornamenten, Standring und durchbrochener Zarge. In den Ecken der Felder Frauenköpfe auf vier Blättern. Auf zwei Feldern figürliche Darstellungen: ein Kruzifixus mit der gravierten Inschrift A auf einem an den Enden aufgerollten Schriftband am Kreuzhaupt sowie Maria im Strahlenkranz mit Kind; die Christusfigur und Maria sind aufgesetzt, Kreuz, Schriftband und Strahlenkranz sind graviert. Auf den kurzen Schaftstücken Andreaskreuze und bogenartige Muster. Am durchbrochenen Nodus, dessen oberer und unterer Rand vor den Schaftstücken liegt, sechs blütenartige, nur schwach hervortretende Rotuli. Der untere Teil des durchbrochenen Kelchkorbes mit Dreipässen und Mustern in Fischblasenoptik ist mit blauem Schmelz hinterlegt, am oberen Rand ein Fries von aufrecht stehenden Kreuzblumen (Lilien). Inschrift B ist auf einem Feld unter dem Fuß eingeritzt.

Maße: H.: 20 cm; Dm.: 14,8–15 cm (Fuß), 11,2–11,3 cm (Kuppa); Bu.: 0,12 cm (A), 0,2 cm (B).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis (A), Minuskeln mit Versal (B).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg H. Lampe) [1/2]

  1. A

    I(ESUS) N(AZARENUS) R(EX) I(UDEORUM)1)

  2. B

    tile lentfert me fecit / Anno (et)c(eter)aa) xiiij

Übersetzung:

Tile Lentfert hat mich hergestellt im Jahr (15)14. (B)

Kommentar

Die Buchstaben der frühhumanistischen Kapitalis zeigen Einflüsse der gotischen Minuskel; so sind an den Schaftenden Brechungen zu beobachten. Retrogrades N, der Bogen des R ist weit geöffnet, die Cauda reicht nicht bis zur Grundlinie.

Der Goldschmied Tile Lentfert,2) der aus einer seit dem 14. Jahrhundert in Osterode ansässigen Familie stammt,3) wird 1499 und 1501 zusammen mit seinem Bruder Hans belehnt; von 1517 bis in die 1540er Jahre wird er als Bürgermeister in Osterode genannt, 1553 ist er tot.4) 1552 besitzt er das (1810 durch einen Neubau ersetzte) Haus Rollberg 17.5) Tile Lentfert fertigte außerdem den Kelch in Hattorf (Nr. 41), möglicherweise auch den Kelch in Dorste (Nr. 42).

Textkritischer Apparat

  1. (et)c(eter)a] vc Mithoff, 15 Scheffler. Befund: tironisches et, bestehend aus gebrochenem Deckbalken und gebogenem Schaft, dann ein c mit langem, unten nach rechts umgebogenem Abstrich; darüber ein cc-a, zu einem nur schwach gebrochenen Strich reduziert. (Den Hinweis auf diese Lesung verdanke ich meinem Kollegen Harald Drös, Heidelberg.) Eine sehr ähnliche Zeichenfolge auch auf dem Kelch in Hattorf Nr. 41.

Anmerkungen

  1. Io. 19,19.
  2. Scheffler, Goldschmiede, Bd. 2, S. 1028. Kreckmann, Goldschmiedehandwerk, S. 99.
  3. Vgl. Pischke, Osterode im Mittelalter, S. 54 (1368), 95 (1435) u. 97–99. Max, Grubenhagen, Bd. 1, S. 67 (1403).
  4. Schimpf, Familie Lentfert, S. 14f. Kreckmann, Goldschmiedehandwerk, S. 99. Vgl. auch Wendt, Geschichte, S. 309.
  5. Grobis, Rollberg, S. 132.

Nachweise

  1. Mithoff, Kdm. Göttingen und Grubenhagen, S. 168.
  2. Scheffler, Goldschmiede 2, S. 1028 (Nr. 1).
  3. Kreckmann, Goldschmiedehandwerk, S. 99.

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 40 (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0004008.