Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 37 Herzberg, Schloss 1506

Beschreibung

Glocke. Bronze. Die Glocke hängt in der Laterne der „welschen Haube“ des Treppenturms. Gerade ansteigende Flanke. Die Inschrift unterhalb der Schulter zwischen Doppelstegen. Über dem oberen Steg sechs Lilien, auf der Haube zwischen den Kronenarmen sechs dünne Kreuze. Brakteatenabdrücke als Worttrenner. Die erhaben gegossenen Buchstaben sind beim Guss teilweise verrutscht und zerdrückt. Die 1942 zu Kriegszwecken ausgebaute und verzeichnete Glocke1) wurde im November 1947 wieder im Turm aufgehängt.2) Genutzt wurde sie als Stundenschlagglocke.

Maße: H.: 55,5 cm; Dm.: 64,5 cm; Bu.: 2 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg H. Lampe) [1/3]

  1. Anno domi(n)ea) m ccccc vib) iorc) · ihesus maria · kristusd) s(ancta) [a]nnae) s(ancta) elisabtef) ·

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1506 Jahr. Jesus, Maria, Christus. Heilige Anna, heilige Elisabeth.

Kommentar

Das runde Schluss-s ist mit einem Diagonalstrich versehen; u ist weit offen, m und n sind unten überwiegend stumpf abgeschnitten, an e und r lange Zierstriche, die nach rechts umgebogen sind. Der Bogen der c der Jahreszahl ist oben waagerecht nach rechts gebrochen.

Diese Schrifteigentümlichkeiten sprechen dafür, dass es sich bei der vorliegenden Glocke um ein Werk des Gießers Paul Mas handelt, von dem zwischen 1499 und 1514 zahlreiche Glocken im Raum zwischen Eisleben, Querfurt und Nordhausen (Thüringen) überliefert sind.3) Allein sechs Glocken waren oder sind in der Umgebung von Querfurt vorhanden.4) Rund um Nordhausen sind fünf Glocken überliefert in Mauderode, Trebra und Wernrode aus dem Jahr 1500 sowie von 1507 in Liebenrode und Lipprechterode (alle Lkr. Nordhausen).5) Im Landkreis Eichsfeld gibt es von ihm Glocken in Haynrode von 1502, in Bodenrode von 1508 sowie in Birkungen aus dem Jahr 1511.6) Auf mehreren dieser Glocken hat sich pawel mas selbst genannt.7) Das für Mas typische Formular, das mit der Jahresangabe beginnt, der sich eine Bitte um Fürbitte an Maria, Anna und den oder die jeweiligen Kirchenheiligen anschließt, liegt bei der vorliegenden Glocke nur verkürzt vor; insbesondere fehlt die Anrufung der Heiligen (hilf …). Dafür verwendet der Gießer die bei Mas häufiger vorkommende Verdoppelung der Jahresangabe (Anno domini … ior), die sich 1505 und 1506 auch auf seinen Glocken in Gatterstädt und Schraplau findet bzw. fand.8) Im Altkreis Osterode liegt außerdem in Tettenborn eine Glocke von Paul Mas aus dem Jahr 1513 vor; Nr. 38.

In der Laterne gibt es noch eine kleinere, inschriftenlose Glocke mit sehr geradem Anstieg der Flanke und zwei Kordelstegen unter der Schulter.9) Sie dürfte aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts stammen. Wann die Glocken in das Schloss gekommen sind, das im Jahr 1510 abbrannte,10) muss offenbleiben. Der Treppenturm wurde unter Herzog Christian Ludwig (regierte in Grubenhagen von Ende 1648 bis 1665) errichtet. Als ursprünglicher Bestimmungsort der vorliegenden Glocke ist an eine Kirche mit einem Elisabeth-Patrozinium zu denken. In Frage kommt vor allem die Elisabethkirche in Wülfingerode (Gemeinde Sollstedt/Lkr. Nordhausen), deren Vorgängerbau aus dem Jahr 1506 stammte.11)

Textkritischer Apparat

  1. domi(n)e] domie Glockenarchiv im GNM; domini Mithoff, DOMINI Karteiblatt von 1942. domie steht auch auf einer Glocke des Paul Mas in Gatterstädt aus dem Jahr 1505; vgl. DI 64 (Lkr. Querfurt), Nr. 59.
  2. vi] Befund: drei Schäfte, der erste unten nach rechts gebrochen, der zweite unten verlängert, der dritte unten gerade abschließend; vi Mithoff, iii Glockenarchiv im GNM, III Karteiblatt von 1942.
  3. ior] Fehlt Mithoff, Karteiblatt von 1942.
  4. kristus] Bei Mithoff Lücke von sieben Punkten.
  5. [a]nna] Befund: Buchstaben bis auf Reste des oberen Teils der Schäfte und des gebrochenen Bogens des zweiten a beim Guss zerstört; anna Glockenarchiv im GNM; SINIA? Karteiblatt von 1942.
  6. elisabte] Glockenarchiv im GNM; ELSABTE? Karteiblatt von 1942; bei Mithoff eine Lücke von sechs Punkten.

Anmerkungen

  1. Nr. 5/45/72, als „C“ kategorisiert; vgl. beide Karteiblätter (wie Quellenzeile). Im Inneren der Glocke noch schwach zu lesen.
  2. Ernst Glazik u. Holger Kulke, Schloss Herzberg: geologisch exponiert, baulich exemplarisch, historisch reich an kaum bekannten Details, in: HbllHarzRd 57, 2001, S. 142–167, hier S. 164.
  3. Vgl. Walter, Glockenkunde, S. 816; Eichler/Poettgen, Handbuch der Stück- und Glockengießer, S. 183. Zu den Glocken in Eisleben vgl. Beschreibende Darstellung der Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, XIX. Heft, Der Mansfelder Seekreis, Halle a. d. S. 1895, S. 130 u. 148. Zur Schrift vgl. den Kommentar von Ilas Bartusch zu DI 64 (Querfurt), Nr. 69.
  4. Vgl. DI 64 (Querfurt), Nr. 59, 59, 60, 63 (Gatterstädt, 1505/06), 65 (Schraplau, 1506), 67, 69 (Barnstädt, 1507/08).
  5. Kdm. Kreis Grafschaft Hohenstein, S. 97, 100f., 115, 166, 171 u. 190f.
  6. Kdm. Kreis Worbis, S. 37, 48 u. 140. – Den Hinweis auf diese Glocken verdanke ich Andreas Philipp, Göttingen.
  7. Vgl. DI 64 (Querfurt), Nr. 69 (Barnstädt, 1508). 1507 in Lieberode: m pawel; Kdm. Kreis Grafschaft Hohenstein, S. 97; 1507 in Lipprechterode m pavel mvs; ebd., S. 100; 1500 in Trebra pavlvs; ebd., S. 166. 1502 in Haynrode per paulum ma[e]s, 1508 in Bodenrode m Pavel maes, 1511 in Birkungen m pavel mos; vgl. Kdm. Kreis Worbis, S. 37, 48 u. 140 (die Lesungen teilweise verbessert nach Autopsie durch Andreas Philipp, Göttingen). – Das m kann lateinisch zu m(agister), aber auch hochdeutsch zu m(eister) ergänzt werden.
  8. Vgl. die in DI 64 (Querfurt) beschriebenen Glocken Nr. 59, 63, 65.
  9. Vgl. Deutsches Glockenarchiv im GNM Nürnberg, Glocke Nr. 5/45/73, ebenfalls als „C“ kategorisiert. Erwähnt von Mithoff, Kdm. Göttingen und Grubenhagen, S. 104.
  10. Mithoff, Kdm. Göttingen und Grubenhagen, S. 103.
  11. Vgl. Kdm. Kreis Grafschaft Hohenstein, S. 178.

Nachweise

  1. Deutsches Glockenarchiv im GNM Nürnberg, Glocke Nr. 5/45/72 C.
  2. Karteiblatt des hannoverschen Provinzialkonservators von 1942; Westfälisches Glockenmuseum in Gescher: Konvolut Kreis Osterode.
  3. Mithoff, Kdm. Göttingen und Grubenhagen, S. 104.

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 37 (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0003701.