Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 32 Bad Sachsa, St. Nikolai 2. H. 15. Jh.

Beschreibung

Kelch. Silber, vergoldet. Der Sechspassfuß mit durchbrochener Zarge und breitem Standring steigt zu dem sechsseitigen unteren Schaftstück an. Darüber der Nodus mit durchbrochenen, fischblasenartig gebogenen Lanzetten; auf fünf der rautenförmigen Rotuli die Buchstaben der Inschrift A, auf dem sechsten ein Tatzenkreuz. Auf dem runden Schaftstück über dem Nodus Inschrift B. Inschrift C auf fünf Seiten des Schaftstücks unter dem Nodus, auf dem sechsten eine Rosette. Die Inschriften A–C sind glatt erhaben vor schraffiertem Hintergrund graviert. Auf einem Feld des Fußes ist ein Gekreuzigter aufgenietet vor einem eingravierten Baumkreuz. An dessen Spitze ein an den Enden eingerolltes Schriftband mit der gravierten Inschrift D. Die Kuppa ist erneuert. Als Worttrenner in Inschrift B ein blattförmiges Muster sowie ein Quadrangel mit oben und unten angesetzten Zierhäkchen am Ende.

Maße: H.: 17,9 cm; Dm.: 13,8–14 cm (Fuß), 11,2 cm (Kuppa); Bu.: 1 cm (A), 0,9–1 cm (B, C), 0,3 cm (D).

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg H. Lampe) [1/3]

  1. A

    + y h e s v

  2. B

    got · hilf ·

  3. C

    maria

  4. D

    · i(esvs) n(azarenvs) r(ex) i(vdeorvm)1)

Kommentar

Die plastische Wirkung der Buchstaben von der Art der Bandminuskel wird durch Binnenschraffierungen im Buchstabenkörper erreicht. Der linke Schaft des y ist senkrecht gestellt und unten waagerecht nach rechts gebrochen, der rechte Schaft nur ganz leicht schräggestellt und unten verkürzt. Die Schaft- und Bogenenden des h sind gespalten. In y h e s v (A) ist die rechte Spitze des oberen Schaftendes aus Platzgründen als separater Zierhaken in die obere Ecke des Rotulus gestellt. Der Balken des e ist zum Zierstrich reduziert. Die gebrochenen Bögen des runden s sind geschlossen. Die dreieckig verbreiterten Enden des gleicharmigen Kreuzes sind durch Riffelungen fächerartig gestaltet. Am Schaft des g ein rechts angesetzter Haken, der mit einem senkrechten Zierstrich abgeschlossen ist; ein leicht rechtsschräger Zierstrich auch am Balken des t. Das f ist durch einen rechtsschrägen Zierstrich geschlossen. Aus Platzgründen ist die Spitze des l rechtwinklig nach rechts gebrochen. Das Bogenende des doppelstöckigen a ist in das Innere des Buchstabens geführt; an der zum Quadrangel reduzierten Fahne des r ein Zierhaken. Bei den kleinen Buchstaben der Inschrift D sind die Buchstabenbestandteile zu senkrechten und (etwas kürzeren) waagerechten Strichen reduziert, so dass ein gitterförmiger Eindruck entsteht; durch die einem Schaft entsprechende Gestaltung des Zierstrichs am r besteht dieses aus zwei gleichlangen senkrechten Schäften, die von waagerechten Querstrichen durchzogen sind.2)

Die hochdeutsche Form got hilf wird als feststehende Formel übernommen und deutet nicht auf eine Entstehung des Kelches außerhalb des niederdeutschen Sprachraums hin.3)

Ein fischblasenförmig ausgezogenes Maßwerkornament findet sich auch auf zwei Kelchen, die in die zweite Hälfte des 14. bzw. die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts zu setzen sind;4) in einem anderen Falle geht die zeitliche Einordnung in das späte 15. oder frühe 16. Jahrhundert.5) Die y-Schreibung von yhesvs scheint vorzugsweise in das späte 15. Jahrhundert zu gehören.6) Zusammen mit der Form des Fußes ist insgesamt eine Entstehung in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts am wahrscheinlichsten.

Anmerkungen

  1. Io. 19,19.
  2. Ähnlich, aber etwas besser lesbar, auf einem Kelch in Reiffenhausen; vgl. DI 66 (Lkr. Göttingen), Nr. 107.
  3. So bereits auf einem in die 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts datierten Kelch in Göttingen; DI 19 (Stadt Göttingen), Nr. 17; Brinkmann, Altargerät, S. 36–38 (4. Viertel 14. Jh.). Vgl. dazu auch die Beobachtungen von Sabine Wehking aus dem Landkreis Göttingen: DI 66, S. 25 mit den Glocken Nr. 24 (1399), 77, 80, 81 (1494–1497) u. 122 (1517); dort auch auf zwei in das 15. Jahrhundert datierten Kelchen: Nr. 92, 107. Vgl. auch DI 88 (Lkr. Hildesheim), S. 35 mit Nr. 129.
  4. Vgl. DI 85 (Stadt Halle), Nr. 73; DI 66 (Lkr. Göttingen), Nr. 50.
  5. Vgl. DI 85 (Stadt Halle), Nr. 118.
  6. Vgl. DI 88 (Lkr. Hildesheim), Nr. 47 (1488). Die Datierung von DI 62 (Lkr. Weißenfels), Nr. 122 („vor 1539“) ist einem äußeren Datum geschuldet. Als Entstehungszeitraum kommt nach dem Kommentar das ganze 15. Jahrhundert infrage. Vgl. auch DI 104 (Lkr. Schaumburg), Nr. 73.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Grafschaft Hohenstein, S. 153.

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 32 (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0003206.