Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 30 Bad Grund, St. Antonius 1495

Beschreibung

Kelch. Silber, vergoldet. Sechspassfuß mit breitem Standring, an der Zarge ein x-förmiges Muster. Auf einem Feld ein graviertes Kreuz mit zwei Löchern, in denen ein heute verlorener Gekreuzigter befestigt war. Am Kreuzeshaupt ein graviertes, an den Enden aufgerolltes Schriftband mit dem Titulus A. Der Fuß verjüngt sich zum sechsseitigen Schaft. Die Rotuli des Nodus sind mit stilisierten Blüten gefüllt, die ovalen Zungen mit gravierten Mustern versehen. Auf den Schaftstücken unterhalb des Knaufs gravierte Blüten, auf denen oberhalb des Knaufs die Buchstaben der Inschrift B, beginnend mit dem über dem Kreuz zu lesenden Buchstaben. Die Kuppa ist erneuert. Unterhalb des Fußes auf drei Feldern (in der Mitte das auf der Oberseite das Kreuz tragende Feld) die kunstvoll ausgeführte Inschrift C, am Anfang und Ende begleitet von einem floralen Muster. Alle Inschriften sind eingraviert.

Maße: H.: 17,6 cm; Dm.: 13,6 cm (Fuß), 10,1 cm (Kuppa); Bu.: 0,15 cm (A), 1 cm (B), 0,35 cm (C).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis mit gotischer Minuskel (c).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg H. Lampe) [1/4]

  1. A

    I(ESUS) [N](AZARENUS)a) R(EX) I(UDEORUM)1)

  2. B

    H I M K M Zb)2)

  3. C

    AN(N)Oc) D(OMI)NI Mo cccco XcVd) MERG(E)RTEe) PAPEN

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1495. Margarete Papen. (C)

Kommentar

Die Buchstaben der frühhumanistischen Kapitalis sind mit dreieckigen Sporen an den Schaft-, Balken- und Bogenenden versehen. Der Balken des H ist nach unten ausgebuchtet, I mit beidseitigem, in (B) kreisförmigem Nodus versehen. In (B) zwei konische M mit verkürztem Mittelteil; der untere Schrägschaft des K ist leicht gebogen. Bemerkenswert ist das oben spitze, zweistöckige Z mit eingerolltem Bogen und leicht linksschräg gestelltem Balken. In Inschrift C außerdem jeweils eingerolltes D und G, spitzovales O (hochgestellt), epsilonförmiges E, A mit Deckbalken und gebrochenem Mittelbalken. P und R sind leicht offen; der rechtsschräge Schaft des X ist unten nach rechts umgebogen. Das gebrochene c besteht nur aus Schaft und oberem Balken.

Die Kirche in Grund, gestiftet von dem im Bergbau tätigen Hans Streid (Stried), wurde vor 1495 errichtet. 1505 erreichte Herzogin Elisabeth von Braunschweig-Calenberg (1428–1520/21), eine geborene Gräfin von Stolberg, die 1495 das Amt Stauffenburg als Wittum übertragen bekommen hatte, die Verselbständigung der St.-Antonius-Kirche von St. Mauritius in Gittelde.3) Der Kelch könnte sich trotz der Plünderung von Grund und der Zerstörung der Kirche im Jahr 16264) von Anfang an im Besitz der Gemeinde befunden haben.

Textkritischer Apparat

  1. N unvollständig, über der linken Begrenzungslinie des Kreuzstammes liegend; ausgeführt sind nur der linke Schaft und ein Mittelbalken, so als ob der Goldschmied ursprünglich ein H (mit dem Gedanken an IHESUS) ausführen wollte.
  2. K M M Z H Lücke.
  3. O hochgestellt.
  4. Lücke liest die Jahreszahl als „1414“; er hat dabei das gebrochene c in XcV, das genau dem der vier c davor entspricht, für ein I gelesen.
  5. MERG(E)RTE] Nach oben ausgebuchteter Kürzungsstrich über GR.

Anmerkungen

  1. Io. 19,19.
  2. Möglicherweise nach einer Marien-Litanei, einem Vorläufer der Lauretanischen Litanei des 16. Jahrhunderts, sinngemäß zu ergänzen: H(eilige) I(ungfrau), M(utter) K(risti), M(utter des) Z(alichmakers) [=Seligmachers]. Vgl. Walter Dürig, Die Lauretanische Litanei. Entstehung, Verfasser, Aufbau und mariologischer Inhalt, St. Ottilien 1990, S. 9f. u. 13f. (zur Entstehung), S. 16 („Heilige Jungfrau“, „Mutter Christi“) u. 17 („Mutter des Erlösers“); dazu die Erläuterungen S. 19f., 20f. u. 29f. Dazu auch Anselm Salzer, Die Sinnbilder und Beiworte Mariens in der deutschen Literatur und lateinischen Hymnenpoesie des Mittelalters. Mit Berücksichtigung der patristischen Literatur. Eine literar-historische Studie, Linz 1893, bes. S. 105–109 (Mutter, Mutter Christi), 345, 349, 353, 358–362, 367f. (Jungfrau) u. 581–586 (Mutter).
  3. Friedrich Günther, Die Gründung der Bergstadt Grund und ihre erste Geschichte, in: Zeitschrift des Harz-Vereins, 39. Jg., 1906, S. 1–50, hier bes. S. 1–25 u. 41f.
  4. Honemann, Alterthümer des Harzes, Thl. 3, 21828, S. 105–107. Ahrend, Gründa Historika, S. 217 u. 219.

Nachweise

  1. Lücke, St.-Antonius-Kirche, S. 23 (B).

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 30 (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0003002.