Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 25† Kloster Walkenried, ehem. Nikolauskapelle 1456

Beschreibung

Skulptur. Silber. Maria mit Jesuskind. Das auf dem Schoß der Maria sitzende Jesuskind hielt in der rechten Hand zwei Dornen, die von der Dornenkrone Christi stammen sollten. Abt Johannes (von Brakel, amt. 1446–1466) ließ die Skulptur der Überlieferung zufolge 1456 anfertigen und vom Halberstädter Bischof weihen. An Festtagen wurde das Andachtsbild in Prozessionen von den Mönchen umhergetragen. Die am Torhaus gelegene Kapelle durfte zur Verehrung des Bildes bzw. der Reliquien von Frauen betreten werden. Unter den Fusse des Bildes befand sich die Inschrift. Die Skulptur wurde nach der Reformation, möglicherweise zur Zeit des letzten Abtes Georg Kreite (amt. 1569–1578),1) oder aber 16412) (vgl. Nr. 191) eingeschmolzen.

Inschrift nach Leuckfeld.

  1. IN FESTIS MEIS ACCEDENTIBUS ALTARE MEUM ET ME DEVOTE HONORA(N)TIBUS XII CARENAE LAXANTUR

Übersetzung:

Allen, die an meinen Festtagen an meinen Altar kommen und mich ehrfürchtig verehren, werden zwölf Karenen (vierzigtägige Bußzeiten) erlassen.

Kommentar

Die Reliquien waren 1351 von Herzog Heinrich II. von Braunschweig-Grubenhagen (um 1289–1351), Sohn von Heinrich Mirabilis, der sie vom Katharinen-Kloster auf dem Berg Sinai mitgebracht hatte, kurz vor seinem Tod dem Stift geschenkt worden.3) Herzog Heinrich II. war durch seine Schwester Adelheid (gest. 1324), die unter dem Namen Irene den späteren byzantinischen Kaiser Andronikos III. Palaiologos (gest. 1341) geheiratet hatte, dessen Schwager geworden. Nach dem Tod seiner ersten Frau Jutta unternahm er 1327 eine vierjährige Pilgerreise in das Heilige Land.4) Unterstützt durch einen Schutzbrief des Kaisers konnte er das Katharinen-Kloster auf dem Berg Sinai besuchen, wie er in der Urkunde berichtete, mit der er die Dornen dem Kloster schenkte.5) Durch die Kosten der Pilgerfahrt und einer zweiten Heirat, die er auf dieser Reise (mit einer Angehörigen der Kreuzfahrerfamilie der Ibelin) einging, tief verschuldet, verpfändete und verkaufte er nach seiner Rückkehr seinen – ohnehin schmalen – Anteil am welfischen Teilfürstentum Grubenhagen stückweise an den Erzbischof von Mainz, wodurch insbesondere Duderstadt mit der Goldenen Mark dem Welfenhaus bis 1815 verlorenging.6)

Mit dem Gebet vor dem Andachtsbild an Marienfesten war ein Erlass von zwölf vierzigtägigen Fastenbußen (Karenen) verbunden. Ein ähnlicher Ablass wurde gegen Ende des 13. Jahrhunderts (nach 1290) der Domkirche in Halberstadt – ebenfalls vor einer Marienskulptur vom Typus der sitzenden Madonna – zugesprochen.7)

Anmerkungen

  1. Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 1, S. 291–293.
  2. Ein Inventar, das nach dem Tod des Priors Friedrich Hildebrand 1641 das in dessen Stube in Nordhausen aufgefundene Stiftseigentum verzeichnete, führt „ein doppelt silbern und vergoldet Marienbildt“ auf. Dieses wurde eingeschmolzen und daraus ein Kelch angefertigt; zit. nach Kdm. Kreis Blankenburg, S. 343.
  3. UB Walkenried, Bd. 2, Nr. 1123 (1351, 5. Januar). Nach der Urkunde bereits Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 1, S. 292–297. Vgl. Eckstorm, Chronicon Walkenredense, S. 149f.
  4. Vgl. NDB 8, 1969, S. 350 (G. Schnath).
  5. Wie Anm. 2.
  6. Vgl. NDB 8, 1969, S. 350 (G. Schnath).
  7. Vgl. DI 75 (Dom Halberstadt), Nr. 27. Zu dem Phänomen der Ablassinschriften s. Christine Magin, Ablassinschriften des späten Mittelalters, in: Berndt Hamm, Volker Leppin, Gury Schneider-Ludorff (Hg.), Media Salutis. Gnaden- und Heilsmedien in der abendländischen Religiosität des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Tübingen 2011 (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation, Bd. 58), S. 101–120; erweitert: https://rep.adw-goe.de/bitstream/handle/11858/00-001S-0000-0001-CC1F-9/Magin-Ablassinschriften.pdf?sequence=1, hier bes. S. 2f.

Nachweise

  1. Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 1, S. 292.
  2. Reinboth, Torhaus, S. 12 (nach Leuckfeld).

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 25† (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0002501.