Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 19(†) Walkenried, Klosterkirche 4. V. 14.–1. V. 15. Jh.

Beschreibung

Ritzzeichnungen in der Wand des Chorschlusses (Polygon). Stein. Dargestellt waren in Bethaltung sechs Angehörige der Familie von Werthern als Ritter in Rüstung und mit spitzen Schuhen. Jeder Figur waren inschriftlich Name und Alter beigegeben, außerdem das Familienwappen. Schon um 1600 waren die seit dem Kircheneinsturz von 1570 im Freien befindlichen Inschriften kaum noch zu lesen.1) Leuckfeld führt 1705 aber noch den Schluss einer Inschrift (A) für den nach seiner Angabe 1369 gestorbenen Ritter Siegfried von Werthern an, zwei weiteren Zeichnungen ordnet er die Namen Thiedrich und Berthold zu.2) In der Tradition der Familie von Werthern (Albinus, Reinhardt) ist die Inschrift A vollständiger überliefert.

Auf der südlichen Wand des Polygons sind heute noch zwei Ritzfiguren unter einem Baldachin zu sehen, an der südöstlichen eine; vor jeder Figur jeweils ein linksschräggestellter Wappenschild mit Helm.3) Über der letzteren Figur, auf der zweiten Steinreihe unterhalb des Rundbogenfrieses, ein vertieftes Schriftband. Auf dem dritten Stein von links die leicht erhabenen Buchstabenreste der Inschrift B, die zuerst Fritz Reinboth entdeckt hat.

In der Südwand außerdem eine Wandnische, vermutlich eine Piscine. Auf dem Stein rechts unter dem Sturz der Nische (der Stein weist links unten ein Dübelloch auf) sind Reste von Buchstaben zu vermuten. Zu erkennen ist nur das obere Ende eines Quadrangels. Die nördliche Wand mit drei weiteren Figuren stürzte 1902 ein.4) Die heute stehenden Reste wurden 1972 wegen Einsturzgefahr abgetragen und 1988/89 wieder aufgebaut.

Inschrift A nach Albinus, Inschrift B ergänzt nach Zeichnung Reinboth.

Maße: Bu.: ca. 12 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (B).

  1. A †

    Anno Domini M CCC LXVII Die V Mensis Novembris obiit Dominusa) Sigfridusb) de Werthern Miles Voitusc) Dominorum in Honstein Reqviescat [– – –]d)

  2. B

    [– – –]e) wert[ern] [– – –]

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1367, am 5. November, starb Herr Siegfried von Werthern, Ritter (und) Vogt der Herren von Honstein; er ruhe (in Frieden). (A)

Wappen:
Werthern, Werthern, Werthern5)

Kommentar

Das w in Inschrift B, bestehend aus einem senkrechten linken Schaft, einem rechten Schrägschaft und einem eingestellten Mittelschaft, entspricht der in der frühen gotischen Minuskel gängigen Form.

Im (nach innen gezogenen) Chorschluss hinter dem Hauptaltar befand sich die Grablege der Familie von Werthern. Da das östliche Joch des Chores aufgrund von Senkungen der Fundamente in den letzten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts neu aufgebaut werden musste (wobei der romanische Bogenfries wiederverwendet wurde), dürften die Ritzzeichnungen an den Wänden des Polygons nach dem Neuaufbau entstanden sein; 1421 bestand die Gruft schon; vgl. Nr. 18. Steinacker datierte die Zeichnungen „um 1400“, während Mülverstedt sie mit Vorbehalt in die Mitte des 15. Jahrhunderts stellte.6) Für mehrere der Dargestellten, darunter den laut Inschrift 1367 gestorbenen Siegfried, wird es sich daher um ein nachträglich angebrachtes Gedenken handeln. Zwei weitere Grabinschriften für vor der Mitte des 14. Jahrhunderts verstorbene Familienmitglieder dürften gleichfalls zur Traditionsstiftung in der um 1400 geschaffenen Grablege gehören; vgl. Nr. 21. Zu den Verpflichtungen, die das Kloster bei der Stiftung des Jahrgedächtnisses übernahm, gehörte auch die Erhaltung bzw. Erneuerung der Wappen der von Werthern in der Kapelle.7)

Textkritischer Apparat

  1. Anno … Dominus] Fehlt Leuckfeld.
  2. Sigfridus] Albinus, Leuckfeld; Sifridus Reinhardt.
  3. Voitus] Albinus, Reinhardt; vetus Leuckfeld.
  4. Leuckfeld nimmt am Ende eine Fehlstelle an.
  5. Reinboth hat auf dem ersten, höheren Stein zwei senkrechte Linien gezeichnet, die nicht ganz dem Befund entsprechen. Aus dem Befund lässt sich kein Buchstabe rekonstruieren.

Anmerkungen

  1. Eckstorm, Chronicon Walkenredense, S. 171. Letzner, Walkenrieder Chronik, S. 178.
  2. Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 1, S. 305.
  3. Vgl. Mülverstedt, Walkenrieder Grabsteine, S. 59f. mit den Tafeln VII u. VIII (ohne Inschrift). Kdm. Kreis Blankenburg, S. 347f.
  4. Kdm. Kreis Blankenburg, S. 347f. (mit Abb. 239, S. 349) u. S. 280.
  5. Wappen Werthern (drei [Eich-]Blätter, 2:1). So bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts; später vermehrt: geviert, 1. u. 4. Löwe, 2. u. 3. schrägrechter Ast mit drei (2:1) Blättern; vgl. Mülverstedt, Walkenrieder Grabsteine, S. 61–63.
  6. Kdm. Kreis Blankenburg, S. 348. Mülverstedt, Walkenrieder Grabsteine, S. 60.
  7. Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 1, S. 327.

Nachweise

  1. Albinus, Historia von Werthern, S. 22 (A).
  2. Reinhardt, Stamm-Baum von Werthern, S. 11, Nr. 53 (A).
  3. Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 1, S. 306 (A).
  4. Reinboth, Bestattungen, S. 44f. (Nr. 49; eigene Zeichnung, Abb.en aus Mülverstedt).

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 19(†) (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0001900.