Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 18† Walkenried, Klosterkirche 4. V. 14.–1. V. 15. Jh.

Beschreibung

Tafel mit Verweis auf die Grablege der Familie von Werthern. Die Tafel, die sich ursprünglich im Chor der Klosterkirche befunden haben dürfte, zeigte das Bild eines Ritters und einer Frau, die zusammen das Modell einer Kapelle in den Händen hielten. Vor dem Mann ein Schwert und das Wappen der Werthern. Die Inschrift lief um den Stein um (in circuitu). Der Stein wurde vor 1584 auf dem Friedhof außerhalb der Kirche aufgefunden. 1584 wurde er als Epitaph des Rektors Johann Mylius (Nr. 84) wiederverwendet.1) Er ist nicht mehr aufzufinden.

Inschrift nach Eckstorm.

  1. Hic lapis est horum nomen de Wertere quorum Semitaa) iustorumb) perducatc) ad alta Polorum2) Haec domus ipsorum data pensat servitiorum

Übersetzung:

Dieser Stein gehört denen, die den Namen von Werther(n) tragen, die der Weg der Gerechten zu den Höhen des Himmels führen möge. Dieses Haus (= der Himmel) vergilt ihnen das Geschenk ihrer Dienste.

Versmaß: Hexameter, zweisilbig leoninisch gereimt.

Kommentar

Die Grablege der Familie von Werthern befand sich in einer hinter dem Hochaltar geschaffenen Kapelle, die den Chorschluss der Kirche einbezog.3) Der Inschrift zufolge bezeichnete die Platte die Grablege der Familie, die Leuckfeld bereits mit einem Anthon von Werther und dem Jahr 1247 in Verbindung bringt.4) Da aber das östlichste Joch des Chores mit dem polygonalen Abschluss aufgrund von Senkungen der Fundamente in der zweiten Hälfte – wahrscheinlich gegen Ende – des 14. Jahrhunderts neu aufgebaut wurde,5) wird die Gruft der von Werthern nicht älter als dieser Neubau sein. Zu diesem gehören auch die dort an der Wand angebrachten Ritzzeichnungen (Nr. 19). 1421 bestand die Gruft, als Berthold (Berld) von Werthern d. Ä. (gest. 1437) zusammen mit seinem Bruder und seinem Sohn eine große Seelgerätstiftung veranlasste, wofür das Kloster sich verpflichtete, ihnen den Altar vnser lieben Frawen …, gleich vor dem hohen Altar kegen ihrer Grafft (Gruft) gelegen, zu überlassen, an diesem sechs ewige Lichter zu unterhalten, täglich eine Messe zu lesen und jährlich ein Gedenken für die Angehörigen der Familie zu feiern. Außerdem wurden vier Seelmessen zu den Weich- oder Quatemberfasten gestiftet. Berthold von Werthern bekräftigte gleichzeitig Zusagen seines Vaters Friedrich, die im Zusammenhang mit der Einrichtung der Grablege gemacht worden sein dürften. Die Mönche sollten außerdem das Wappen der von Werthern in der Kapelle erhalten und bei Bedarf erneuern.6) 1454 folgte eine weitere testamentarische Memorialstiftung seines Sohnes Berthold d. J.7)

Bei dem auf der Platte abgebildeten Paar, das möglicherweise gegen Ende des 14. Jahrhunderts die Erneuerung des östlichen Chorabschlusses (mit-)finanzierte und sich dafür die Einrichtung der Gruft und der Familienkapelle an dem prominentesten Ort der Klosterkirche erhandelte,8) dürfte es sich um den Vater des Stifters von 1421, Berthold d. Ä., den 1396 gestorbenen Friedrich von Werthern und seine zweite Frau Adelheid von Bodenhausen handeln, was bereits Leuckfeld annahm.9) Die Familientradition identifizierte die Dargestellten dagegen mit einem angeblich in der Gründungsphase des Klosters im 12. Jahrhundert tätigen Stifterpaar Dietrich und Agnes von Werthern und zitiert die Inschrift im Zusammenhang mit diesen.10) Das Paar wurde allerdings auf einer eigenen Tafel (Nr. 20) dargestellt.

Textkritischer Apparat

  1. Semita] Animae Albinus.
  2. iustorum] sanctorum Letzner.
  3. perducat] perductae Albinus.

Anmerkungen

  1. Eckstorm, Chronicon Walkenredense, S. 171. Letzner, Walkenrieder Chronik, S. 178. Kdm. Kreis Blankenburg, S. 348.
  2. Enthalten in einer in der Stiftsbibliothek St. Gallen (Cod. Sang. 1075) überlieferten Spruchsammlung aus dem 12./13. Jahrhundert: Semita iustorum perducit ad alta polorum /quo splendent iusti serto rutilante uenusti, zitiert in: Joh(ann) Huemer, Zur mittellateinischen Spruchpoesie, in: Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, N.F. 27. Jg., 1880, Sp. 210–218, hier Sp. 211, Z. 19. Auch in einer süddeutschen Sammelhandschrift mit geistlichen Texten aus dem 14./15. Jahrhundert; BSB München, Clm 3686, Nr. 21, Bl. 242va. Zu dieser siehe: München, Bayerische Staatsbibliothek, Katalog der Handschriften aus dem Dominikanerkloster und Domstift in Augsburg. Vorläufige Beschreibung, erstellt von Dr. Hermann Hauke (2005); http://bilder.manuscripta-mediaevalia.de/hs//projekt-Muenchen-Augsburg-pdfs/Clm%203686.pdf (21.03.2018).
  3. Vgl. Kdm. Kreis Blankenburg, S. 280f. u. 299. Maier/Keibel-Maier, Kloster Walkenried, S. 97–100. Dies., Baukunst, S. 16.
  4. Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 1, S. 306.
  5. Vgl. Kdm. Kreis Blankenburg, S. 302–305.
  6. 1421, 18. April: Eckstorm, Chronicon Walkenredense, S. 159–162; Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 1, S. 325–329 (nach Eckstorm). Vgl. die im Zusammenhang mit der Stiftung ergangenen Urkunden vom 23. April und 20. August 1421; UB Walkenried, Nr. 1264 u. 1265. Zur Genealogie der Stifter vgl. Albinus, Historia von Werthern, S. 23–26; Reinhardt, Stamm-Baum von Werthern, S. 11f. u. Tab. F.
  7. Testament vom 1. März 1454; UB Walkenried, Bd. 2, Nr. 1364; Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 1, S. 329–333. Vgl. auch UB Walkenried, Bd. 2, Nr. 1365–1367. Eckstorm, Chronicon Walkenredense, S. 170.
  8. Als Hintergrund für die Einräumung dieses Ortes als Grabkapelle muss beachtet werden, dass das Kloster Ende des 14. Jahrhunderts so verschuldet war, dass Papst Bonifaz IX. es am 5. April 1399 dem Abt des Petersstiftes in Erfurt unterstellte; vgl. UB Walkenried, Bd. 2, Nr. 1227.
  9. Vgl. Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 1, S. 306. Zur Genealogie vgl. Albinus, Historia von Werthern, S. 22f.; Reinhardt, Stamm-Baum von Werthern, S. 11 u. Tab. F.
  10. Vgl. Albinus, Historia von Werthern, S. 10; Reinhardt, Stamm-Baum von Werthern, S. 4.

Nachweise

  1. Eckstorm, Chronicon Walkenredense, S. 171.
  2. Letzner, Chronica, Bl. 76v.
  3. Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, Thl. 1, S. 306 (nach Eckstorm).
  4. Albinus, Historia von Werthern, S. 10.
  5. Reinhardt, Stamm-Baum von Werthern, S. 4.
  6. Kdm. Kreis Blankenburg, S. 347 (nach Eckstorm).
  7. Letzner, Walkenrieder Chronik, S. 178.
  8. Reinboth, Bestattungen, S. 46 (Nr. 50, nach Eckstorm).

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 18† (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0001806.