Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 10 Gittelde, St. Mauritius 1336

Beschreibung

Glocke. Bronze. Frühere Stundenglocke in der Laterne. Die erhaben gegossene Inschrift – die Buchstaben wurden vor dem Guss in den Mantel vertieft – verläuft unterhalb der Schulter zwischen Schnurstegen. Am Schlag ein flacher Wulst. Die Glocke wird seit längerer Zeit nicht mehr genutzt.1)

Maße: H.: 52 cm; Dm.: 57 cm; Bu.: 2,4 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg H. Lampe) [1/4]

  1. + M · C·C·C · X·X·X·V·Ia) · IN VIGILIA · IACOBI2) · HENRIC(VS) DVD(ER)STAT(ENSIS)b)

Übersetzung:

Im Jahr 1336 am Vorabend des Jakobstages. Heinrich von Duderstadt.

Kommentar

Die gotische Majuskel zeichnet sich durch Sporen an Schaft- und Bogenenden aus, die bei C und unzialem E zu einem lang ausgezogenen, gebogenen Abschlussstrich geschlossen sind. Unziales H, rundes N, eingerolltes G, links geschlossenes unziales M; L mit hochgezogenem Balkensporn, flachgedecktes A mit fast geraden Schäften, der Mittelbalken ist leicht linksschräg; der untere Bogen des B ist größer als der obere. Der linke Schrägschaft des X ist senkrecht gestellt, der rechte Schrägschaft ist zweimal geknickt, so dass ein waagerechter Mittelteil entsteht. Auf der unten eingerollten Cauda des R ein punktförmiger Nodus. Als Kürzungszeichen ein an den vorhergehenden Buchstaben angeschlossener gebogener Haken, der in einem Sporn endet.

Ein Bezug zu Herzog Heinrich von Braunschweig-Grubenhagen (um 1289–1351), den Steinacker hergestellt hat,3) ist nicht wahrscheinlich, da Gittelde nicht zu dessen Herrschaftsbereich gehörte.4) Der Herzog hat sich auch nicht „Heinrich von Duderstadt“ genannt, sondern nur zeitweise dominus marchiae aureae (Herr der Goldenen Mark, 1322). Der stark verschuldete Herzog hat nach seiner Rückkehr aus Griechenland vielmehr 1334 Duderstadt und Gieboldehausen an den Erzbischof von Mainz verpfändet, 1342 schließlich verkauft.5) Auch fehlt der Herzogstitel bei dem Namen in der Inschrift.

Es dürfte sich bei HENRIC(VS) DVD(ER)STAT(ENSIS) vielmehr um den Glockengießer handeln, der sich direkt nach dem Tag des Gusses nennt. 1317 hat ein Gießer Heinrich eine Glocke für Northeim (mit wesentlich besserer Ausführung der Schrift) gegossen, auf der der auftraggebende Herzog neben ihm (OTTO DVX) genannt wird.6) Die Existenz einer Gießerwerkstatt in Duderstadt ist für die Zeit um 1400 belegt, als Bertoldus Gropengeter dort tätig war.7) Eine Ähnlichkeit oder gar Übereinstimmung der Schrift mit der auf einer Glocke des Bremer Gießers Wilcinus von 1312 in Damme (Lkr. Vechta)8) wurde zu Unrecht angenommen. Die Übereinstimmungen gehen nicht über die allgemeinen Charakteristika der gotischen Majuskel hinaus.

Textkritischer Apparat

  1. M · C·C·C · X·X·X·V·I] Kdm.; MCCXXXVII [Uhde], irrtümlich (ebd., S. 16, wird die Glocke von Uhde richtig ins Jahr 1336 gesetzt); nach Uhde auch Biegling.
  2. DVD(ER)STAT(ENSIS)] Nach DVD ein Kürzungshaken; das zweite T oberhalb des Schnursteges, das A beim Guss zerdrückt.

Anmerkungen

  1. Biegling, Gittelder Kirchengeschichte, S. 42 u. 45.
  2. 24. Juli.
  3. Kdm. Kreis Gandersheim, S. 292. Danach [Uhde], 1000 Jahre Gittelde, S. 16f.; Biegling, Gittelder Kirchengeschichte, S. 42 u. 45.
  4. Uhde behauptet, dass die Herzöge von Braunschweig-Grubenhagen im 14. Jahrhundert einen Drittelanteil an Gittelde besessen hätten; Uhde, Gittelde, S. 56–58; danach [Uhde], 1000 Jahre Gittelde, S. 15f.; unkritisch übernommen von Leuschner, Montanwesen, S. 121. Uhde überinterpretiert seine Hauptquelle, eine Urkunde von 1288 (vgl. UB Kloster Osterode, Nr. 73), die zu mehreren gemeinschaftlich von den Herzögen Albrecht und Wilhelm ausgestellten Urkunden gehört (vgl. Pischke, Landesteilungen, S. 52–56, bes. S. 53); außerdem zieht er die Glockeninschrift im Zirkelschluss als Beleg heran. Pischke weiß nichts von einem solchen Gemeinschaftsbesitz; vgl. Pischke, Landesteilungen, S. 57 mit Tab. Vb u. S. 61–64 mit Tab. VI.
  5. Vgl. Zimmermann, Haus Braunschweig-Grubenhagen, S. 10f. Max, Grubenhagen, Bd. 1, S. 194–201 u. 214–222. Johann Wolf, Geschichte und Beschreibung der Stadt Duderstadt, mit Urkunden und drei Kupfern, Göttingen 1803, S. 72–84, bes. S. 78–80.
  6. Vgl. DI 96 (Lkr. Northeim), Nr. 13.
  7. Vgl. DI 66 (Lkr. Göttingen), Nr. 24.
  8. So A[dolf] Rauchheld, Glockenkunde Oldenburgs, in: Oldenburger Jahrbuch 29, 1925, S. 5–184, hier S. 166f.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Gandersheim, S. 292 (mit Abb. 146, S. 267).
  2. [Uhde], 1000 Jahre Gittelde, S. 43.
  3. Biegling, Gittelder Kirchengeschichte, S. 45.

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 10 (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0001000.