Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 9 Kloster Walkenried, Kreuzgang 1317?

Beschreibung

Grabplatte für Graf Dietrich (von Honstein). Stein. Aufgestellt im westlichen Arm des Kreuzgangs, rechts neben der für Werner Letgast (Nr. 3). Der Verstorbene ist in Ritzzeichnung dargestellt, die rechte Hand liegt auf der Brust, die linke auf dem Schwert, über die Schultern und den linken Arm ist ein Mantel geworfen. Auf dem von gelockten Haaren umgebenen Kopf ein hermelinbesetzter Grafenhut. Rechts oben vom Kopf eingeritzte Initialen aus späterer Zeit.1) Das untere Drittel der Platte fehlt; das erhaltene Fragment ist beschädigt durch Abplatzungen, verursacht durch früher aufsteigende Feuchtigkeit. Die vertieft eingehauene Inschrift über einer Linie umlaufend, die rechte Längsseite ist durch Abplatzungen beeinträchtigt. Das Fragment wurde, zerbrochen und mit der Rückseite nach oben (inversum et fractum) in der Klosterkirche gefunden und bereits zur Zeit Eckstorms an der Wand des Kreuzgangs aufgestellt.2) Um 1870 war er in der Tür zur alten Sakristei eingemauert.3)

Maße: H.: 128 cm; B.: 79 cm; Bu.: 5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg H. Lampe) [1/3]

  1. + ANNO · D(OMI)NI · M · CC[C] X/VIIa) · III · JD(VS)b) · AP(RI)L(IS)4) · O(BIIT) [. . . .]DERIC[V.]c) [– – –] / [– – –] / [– – –]ENREDE(N)SISd) · CVI(VS) · A(N)I(M)A · REQ(VI)ESCA(T)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1317, am dritten Tag vor den Iden des April, starb Dietrich (…) von Walkenried, seine Seele möge ruhen.

Kommentar

An den Schaft- und Bogenenden keilförmige Verbreiterungen, beim A von ANNO ist der linke Schaft keilförmig verbreitert; die teilweise ausgeprägten Bogenschwellungen weisen eine Tendenz zur geraden Binnenkontur auf. Der Wechsel von unzialen und kapitalen Formen ist nur wenig ausgeprägt: ein kapitales N in ANNO, in ENREDE(N)SIS zwei kapitale E. Das symmetrische unziale M ist offen. Das flachgedeckte A weist teilweise (erstes A in AIA) einen geschwungenen linken Schaft mit einem eingestellten Zierstrich auf; das unziale E mit lang ausgezogenem Abschlussstrich. In DERIC[V.] das unziale E mit nach links spitz ausgezogener Bogenschwellung, C mit eingestelltem Zierstrich. P und R mit großem Bogen und gebogener Cauda am R; die geschwungene Cauda des Q setzt unten am Bogen an. Das eingerollte us-Kürzel bei CVI(VS) und JD(VS) sowie der Kürzungsstrich durch das L in AP(RI)L(IS) sind ausgeprägt.

Ein Grafenhut findet sich (ohne den hier angedeuteten Hermelinbesatz) auch auf der Grabplatte eines Grafen von Wernigerode aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts.5)

Am wahrscheinlichsten ist die Identifikation des Dargestellten mit Dietrich IV. von Honstein6) – in lateinischen Urkunden heißt er immer Theodericus –, Sohn des 1305 gestorbenen Grafen Heinrich III. Er wurde vor 1270 geboren und ist seit 1286 urkundlich erwähnt.7) Dietrich IV. und sein jüngerer Bruder Heinrich V. teilten um 1312 das Erbe mit ihren Vettern Heinrich IV. und Dietrich III. (gest. 1329/30), den Söhnen Dietrichs II. (gest. 1309). Die Ersteren übernahmen die Besitzungen in Sondershausen, Straußberg und anderen Orten südlich der Wipper.8) Dietrich IV. war in kinderloser Ehe verheiratet mit Mechthild von Orlamünde (gest. 1332), Tochter des Grafen Hermann V. von Orlamünde (gest. 1319). 1312 trat er als Schwiegersohn Graf Hermanns als Zeuge auf.9) 1313 und 1314 lebte er noch.10) Mechthild wurde am 16. Januar 1320 als Witwe bezeichnet.11) Bei einer Streitschlichtung zwischen dem Landgrafen Friedrich von Thüringen und den Honsteiner Grafen wurde am 1. August 1319 nur der jüngere Bruder Heinrich V. neben den Vettern Heinrich IV. und Dietrich III. genannt.12) Bereits am 11. Juli 1317 schloss sein jüngerer Bruder Heinrich einen Kaufvertrag über einen Anteil an dem Ort Trebra (15 km südöstlich von Sondershausen) ohne Dietrich IV. ab.13)

Der bei Eckstorm überlieferte Name Theodericus de Broema (Anm. d) muss auf einer Fehllesung der bereits beschädigten Inschrift beruhen. Eckstorm bezog den Namen auf Burg Brome im Fürstentum Lüneburg.14) Auf dieser Burg saßen aber immer nur Ministerialen.15)

Textkritischer Apparat

  1. M · CC[C] X/VII] M CCC LVII Mülverstedt, S. 56. Mülverstedt sieht aber (ebd., S. 58f.), dass die von ihm (aus inhaltlichen Gründen) bevorzugte Lesung L problematisch ist: Die unteren Balkenenden von X sind zu erkennen und reichen nicht so hoch, dass hier ein gebrochener Balken anzunehmen wäre; seine Zweifel führen Mülverstedt zu einer zweiten, in Klammern gesetzten Lesung M.CCC.LVII (XVII?); ebd., S. 59. M. CCC, LX. IIII. Eckstorm; auch Eckstorm hat ein X erkannt, das L könnte aus Platzgründen nur über der Zeile gestanden haben. Steinacker entscheidet sich für MCCC[X]VII; Kdm. Beim heutigen Befund könnte anstelle des – allerdings immer gelesenen – dritten C auch ein L zu ergänzen sein; die Lesung M · CC[L] X/VII (1267) ist daher nicht ausgeschlossen.
  2. JD(VS)] Eid. Eckstorm.
  3. O(BIIT) [. . . .]DERIC[V.]] obijt Theodoricus Eckstorm, obiit Theodericus Mülverstedt. Das O weist einen quer durchgezogenen Kürzungsstrich auf, dessen unteres Ende noch zu erkennen ist; rechts davon sind die unteren Reste von vier Schäften zu erkennen. Möglich ist also [THEO]DERIC[VS].
  4. [– – –] / [– – –] / [– – –]ENREDE(N)SIS] de Broema – – – Ecclesiae Walkenredensis Eckstorm; comes de Honstein advocatus ecclesie (Walke)nredensis Ergänzung Mülverstedt. Diese Ergänzung setzt angesichts des schätzungsweise zur Verfügung stehenden Platzes eine große Anzahl von Kürzungen voraus. Statt advocatus wäre auch ein Ausdruck wie FAVTOR (Gönner) denkbar.

Anmerkungen

  1. H B; Kapitalis.
  2. Eckstorm, Chronicon Walkenredense, S. 150.
  3. Reinboth, Bestattungen, S. 8f.
  4. 11. April.
  5. So Mülverstedt, Walkenrieder Grabsteine, S. 58. Die Grabplatte war Ende des 19. Jahrhunderts aufgestellt an St. Sylvestri in Wernigerode; vgl. Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Grafschaft Wernigerode, bearb. von Gustav Sommer u. C. Eduard Jacobs, Halle/S. 1883, S. 102–104, mit Abb. 76B, Zeichnung c.
  6. Ebenso die Annahme bei: Europäische Stammtafeln N.F., Bd. XVII, Tafel 91; als Begräbnisort ist Walkenried angegeben, als Sterbedatum das der Grabplatte.
  7. Vgl. Meyer, Grafen von Honstein, S. 493ff. (zuerst Nr. 270: 1286, 24. Februar); zum Tod des Vaters Heinrich III. vgl. ebd., S. 526f. (mit Nr. 329 u. 330). Erwähnt UB Walkenried, Bd. 2, Nr. 806, 860, 871.
  8. Vgl. Meyer, Grafen von Honstein, S. 541. Zum Todesjahr Dietrichs II. siehe ebd., S. 536f.
  9. Vgl. C[arl] Chl[odwig] von Reitzenstein, Regesten der Grafen von Orlamünde aus Babenbergischem und Ascanischem Stamm, Bayreuth 1871, S. 127, mit Tafel IV.
  10. UB Walkenried, Bd. 2, Nr. 897 (1313, 25. September). Paulus Jovius, Chronicon Schwartzbvrgicvm, in: Christian Schoettgen, Georg Christoph Kreysig (Hg.), Diplomataria et Scriptores Historiae Germanicae Medii Aevi …, Bd. 1, Altenburg 1753, S. 109–724, hier S. 315 (1314).
  11. Reitzenstein, Regesten der Grafen von Orlamünde (wie Anm. 9), S. 134.
  12. Ebd., S. 133. Derselbe Vorgang wird bei Reitzenstein auch nach der Schwarzburger Chronik des Paulus Jovius (Götze) berichtet; ebd., S. 133f. Im Regest wird Dietrich IV. statt seinem Bruder Heinrich genannt, dabei handelt es sich aber um einen Fehler Reitzensteins. Vgl. Jovius, Chronicon Schwartzbvrgicvm (wie Anm. 10), S. 315f.
  13. Urkunde zitiert in: Johann Friedrich Müldener, Antiquitates Goellingenses, oder historisch-diplomatische Nachrichten von dem … Benediktiner-Closter Göllingen … in Thüringen, Frankenhausen und Leipzig 1766, Nr. XLVII, S. 158f.
  14. Eckstorm, Chronicon Walkenredense, S. 150f.
  15. Vgl. Johann Dietrich Bödeker, Das Land Brome und der obere Vorsfelder Werder. Geschichte des Raumes an Ohre, Drömling und Kleiner Aller, Braunschweig 1985, bes. S. 85f. zu Theodericus Brumes und die von Brome.

Nachweise

  1. Mülverstedt, Walkenrieder Grabsteine, S. 56 u. Tafel VI.
  2. Eckstorm, Chronicon Walkenredense, S. 150.
  3. NLD Hannover, Foto IFDN BS 14517 (1913); https://www.bildindex.de/document/obj32055162 (03.07.2019).
  4. Kdm. Kreis Blankenburg, S. 347 (nach Mülverstedt) u. Abb. 238, S. 348.
  5. Reinboth, Bestattungen, S. 20 (Nr. 2; mit Abb.).

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 9 (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0000904.