Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 6 Kloster Walkenried, Museum 2. H. 13. Jh.

Beschreibung

Grabplatte. Stein, Fragment. Gefunden 1988 im Schutt des gotischen Chores der Klosterkirche, der Ende des 14. Jahrhunderts erneuert wurde.1) Dem Eckfragment einer mit einem Kreuz geschmückten Platte fehlen in der Breite etwa 16 cm. Die Arme des fast ganz erhaltenen Kreuzes sind an den Enden keilförmig verbreitert; hinzu kommt ein knaufartiger Ansatz (bei der gegenwärtigen Aufstellung: oben) am Kreuzschaft. Über die Ecke umlaufend der Rest der vertieften Inschrift.

Maße: H.: 78 cm; B.: 59 cm; Bu.: 4,7 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg H. Lampe) [1/1]

  1. [– – –N](VS)a) · MILES · DE / VVRREb) · REQ(V)IESc)[– – –]

Übersetzung:

(… Hermann?), Ritter von Furra, ruhe (…)

Kommentar

Die Schrift ist sehr sauber gehauen und mit bewusstem Formwillen gestaltet. An den Schaft- und Bogenenden dreieckige Sporen, die beim E zum Abschlussstrich vereinigt sind. Beim D sporenartige Zierstriche am Zusammentreffen von Schaft und Bogen. Bogenschwellungen sind angelegt, aber nicht sehr stark ausgeprägt. Die Cauden von R und Q sind geschwungen, das unziale M ist links geschlossen, die linken Schrägschäfte der breiten, wie zu einem W verschränkten V sind nach oben ausgezogen; der Balken des L ist leicht nach oben gerichtet. Das unziale E tritt neben der etwas schmaleren Normalform auch in zwei breiteren Varianten auf: zum einen mit einem geschwungenen oberen Bogenabschnitt (erstes E in REQ(V)IES), zum anderen in einer fast geschlossenen Kreisform (VVRRE). Damit liegt eine voll ausgeprägte, relativ frühe gotische Majuskel vor, die aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammen dürfte.

Bei einer normalen Laufrichtung der Inschrift bildete das Fragment die rechte untere Ecke der Platte. Sieht man die knaufartige Verlängerung des Kreuzschaftes als Teil eines Kreuzfußes an, würde es sich um die obere linke Ecke handeln; dabei würde die Inschrift an der oberen Schmalseite allerdings auf dem Kopf stehen bzw. von außen zu lesen sein wie die Inschrift auf dem Deckel einer Tumba.

Ein Hermannus miles de Vurre erscheint im Jahr 1259 als Zeuge in einer Walkenrieder Urkunde.2) Die Familie von Furra, die sich nach dem Ort [Groß-]Furra bei Sondershausen in Thüringen nannte,3) stand im 13. und frühen 14. Jahrhundert in einer engen Bindung zum Kloster Walkenried. Heinrich von Furra schenkte dem Kloster 1256 eine halbe Hofstätte und wurde dafür mit seiner Frau, seiner Tochter und deren verstorbenem Ehemann in die Gebetsbruderschaft des Klosters aufgenommen.4) Reynerus miles des Vurre stiftete 1258 der Kirche zu Walkenried einen Weinberg pro remedio animarum suae videlicet et Adelheydis uxoris suae progenitorumque suorum.5) Hermann ist der am häufigsten vorkommende Leitname der Familie. Träger dieses Namens kommen von 1206 bis 1332 in den Urkunden des Klosters, zumeist als Zeugen, vor. Als miles bezeichnet werden Angehörige der Familie allerdings nur in den beiden zitierten Urkunden von 1258 und 1259. Bei der letzten Nennung eines Namensträgers im Jahr 1332 überlässt Hermannus de Furre famulus (Knappe) dem Kloster für sein und seiner Eltern Seelenheil seine Rechte an einem Stück Land.6) Die Identifizierung des Verstorbenen mit dem 1259 genannten Ritter ist, wie bereits Reinboth vermutete,7) eine plausible Möglichkeit. Der Schriftbefund passt zeitlich dazu. Trotzdem kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass der Verstorbene mit einem anderen der zwischen 1233 und 1287 in dichter Folge auftretenden Namensvettern8) identisch ist.

Textkritischer Apparat

  1. N](VS)] Vom kapitalen N sind der rechte Schaft und der Ansatz des Schrägschaftes erhalten; das us-Kürzel schließt direkt an den Schaft an.
  2. VVRRE] Die beiden V nach Art eines W verschränkt.
  3. REQ(V)IES] Das I kleiner und hochgestellt.

Anmerkungen

  1. Vgl. Reinboth, Bestattungen, S. 7 u. 51.
  2. UB Walkenried, Bd. 1, Nr. 371, 373 (iunior) u. 374 (mit Bruder Waltherus de Vurren).
  3. Vgl. Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Fürstenthums Schwarzburg-Sondershausen, 1. H., Die Unterherrschaft, bearb. von F[riedrich] Apfelstedt, Sondershausen 1886, S. 49.
  4. UB Walkenried, Bd. 1, Nr. 346.
  5. UB Walkenried, Bd. 1, Nr. 363.
  6. UB Walkenried, Bd. 2, Nr. 1054.
  7. Vgl. Reinboth, Bestattungen, S. 7.
  8. Vgl. UB Walkenried, Bd. 1, S. 637f. (s. v. Furra). Dolle unterscheidet zwischen 1233 und 1287 sechs Träger des Namens „Hermann“ in der Familie.

Nachweise

  1. Reinboth, Bestattungen, S. 7 u. 35 (mit Zeichnung).

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 6 (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0000606.