Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 5 Walkenried, Schlossstr. 15 2. H. 13. Jh.

Beschreibung

Stein. Der Stein, der vermutlich aus der früheren Klosterkirche stammt, ist verbaut über dem Erdgeschossfenster links außen an der Frontseite des 1725/27 errichteten früheren Jagdschlosses. Der durch den Einbau auf dem Kopf stehende Stein zeigt das Ende einer Inschrift, vertieft in einem vertieften Rahmen. Das Jagdschloss wurde hauptsächlich mit Steinen der Klosterruine Walkenried erbaut.1)

Maße: H.: ca. 30 cm; B.: ca. 55–65 cm; Bu.: ca. 6–7 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg H. Lampe) [1/1]

  1. [– – –] EWAN(GELISTE)a) · GALLI · ABB(AT)ISb) ·

Übersetzung:

… des Evangelisten, des Abtes Gallus.

Kommentar

Die Schrift zeigt dreieckige Sporen an den Schaft-, Balken- und Bogenenden, die beim unzialen E zum Abschlussstrich zusammengezogen sind. Eingerolltes G mit Bogenschwellung, offenes B. Das flachgedeckte A weist in GALLI zusätzlich einen Zierstrich am linken Schaft auf. Das runde N wird durch den Mittelbalken zur Ligatur AN erweitert. Die Formen der qualitätsvollen gotischen Majuskel deuten auf eine Entstehung im Zusammenhang mit der Fertigstellung und Weihe des gotischen Kirchenbaus: Der Hauptaltar und damit vermutlich der Chor der ‚neuen‘ Kirche war bereits im Jahr 1253 in Benutzung,2) der gesamte Kirchenbau wurde 1290 geweiht.3)

Die Inschrift mit den Heiligennamen verwies vermutlich auf einen Altar, in den die Reliquien der genannten Heiligen eingelassen waren,4) hier also die eines Evangelisten (Johannes?) und des Abtes Gallus von St. Gallen. Da der Stein die Dimensionen der Mauersteine der Kirche aufweist, dürfte es sich bei diesem nicht um das Bruchstück einer Altarplatte5) handeln, möglicherweise aber um einen Stein aus dem Unterbau der Mensa.

Bei GALLI ABB(AT)IS könnte es sich grundsätzlich auch um eine Tagesbezeichnung handeln. Das Wort davor – EWAN(GELISTE) – lässt sich einer solchen Interpretation aber nicht anschließen.

Textkritischer Apparat

  1. EWAN(GELISTE)] EWA Kdm., Reinboth. Über dem runden N mit Mittelbalken ein Kürzungsstrich, hier aufgelöst als N im Nexus mit A. Ich folge mit dieser Lesung einer Überlegung meines Kollegen Harald Drös, Heidelberg.
  2. Über der Zeile ein Kürzungsstrich über dem I.

Anmerkungen

  1. Kdm. Kreis Blankenburg, S. 364f.
  2. Am 15. Oktober 1253 wird eine Schenkungsurkunde ausgestellt mit dem Vermerk: Actum coram altari sancte Marie in novo monasterio; UB Walkenried, Bd. 1, Nr. 329.
  3. Vgl. Maier/Keibel-Maier, Baukunst, S. 22f.
  4. Bei der Weihe der ersten Kirche im Jahr 1137 besaß das Kloster 73 Reliquien von namentlich nicht genannten Heiligen, die in sieben Altären niedergelegt wurden; Eckstorm, Chronicon Walkenredense, S. 46f.; danach Niedersächsisches Klosterbuch, Bd. 3, S. 1476 (J. Dolle). Altar- und Kirchenpatrozinien des Gallus finden sich in Niedersachsen u. a. in Amelungsborn, Goslar und Hannover; vgl. Krumwiede, Kirchen- und Altarpatrozinien, Ergänzungsband, S. 161.
  5. Entsprechende Inschriften: z. B. DI 81 (Stadt Essen), Nr. 14 (1051); DI 74 (Regensburger Dom 1), Nr. 1 (um 1070); DI 77 (Greifswald), Nr. 67 (1385/90).

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Blankenburg, S. 365.
  2. Reinboth, Jagdschloß, S. 49.

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 5 (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0000509.