Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

  • ««
  • »»
  • Zu Datensatz springen
  • Gesamtübersicht

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 1 Tettenborn, St. Andreas 1. H. 13. Jh.

Beschreibung

Glocke. Bronze. Schlanke, steil ansteigende Glocke mit gewölbter Schulter und glatter Haube. Am Wolm zwei Stege. Die erhaben gegossene Inschrift A unterhalb der Schulter umlaufend zwischen dünnen Kordelstegen; am Anfang ein lateinisches Kreuz. Die Buchstaben aus Bändern geformt, mit leichtem Ansatz zur Bogenschwellung bei C und D. Über dem Weihekreuz auf dem oberen Steg aufsitzend ein Alpha mit einem Kreuz auf dem flachgedeckten A, auf der Gegenseite ein Omega, der Mittelschaft nach oben zum Kreuz verlängert (Inschrift B). Unterhalb der Inschrift an der Flanke in Höhe der beiden apokalyptischen Buchstaben jeweils eine romanische Kreuzigungsgruppe: Christus ist dargestellt mit knielangem Lendenschurz und parallel gestellten Füßen, an den Kreuzenden Dreipässe mit Linienmustern. Unter jeder Gruppe ein schwach erhabener Kreis mit einem flach erhabenen Punkt in der Mitte. An den beiden übrigen Seiten Maria mit dem Kind und eine Verkündigung, ebenfalls über einem Kreis mit Mittelpunkt. Die Verkündigung ist durch die Spuren eines abgenommenen Gipsabdrucks weitgehend unkenntlich.1)

Maße: H.: 87 cm; Dm.: 91 cm; Bu.: 3,3–3,6 cm (A), 2,2 cm (B).

Schriftart(en): Romanische Majuskel.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg H. Lampe) [1/5]

  1. A

    + HOC · VASa) · EX ERE · BENEDICb) · DEVSa) · ATQVE TVERE

  2. B

    A ω2)

Übersetzung:

Dieses Gefäß aus Erz segne, Gott, und schütze es. (A)

Alpha (und) Omega. (B)

Versmaß: Hexameter, zweisilbig leoninisch gereimt.

Kommentar

In ERE Wechsel von kapitalem und unzialem E. Die Schaft-, Balken- und Bogenenden weisen keilförmige Verbreiterungen auf. Flachgedecktes A, teilweise (VAS) mit gebrochenem Balken; die Balken des kapitalen E sind gleich lang. Einzelne Buchstaben sind vergrößert und reichen nach oben bzw. unten über die Zeile hinaus. N und S sind retrograd. Geschwungene, weit ausgezogene Cauda des R, Q mit waagerecht nach rechts angesetzter Cauda. Die Buchstaben erfüllen den Formenkanon der romanischen Majuskel; nur einmal ist der Wechsel zum unzialen E durchgeführt. Eine Tendenz zur Abschließung der Buchstaben ist nicht zu erkennen.

Inschrift A findet sich auch auf einer sogenannten Theophilusglocke aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts in Smollerup (bei Viborg) in Dänemark.3) Der Ausdruck HOC VAS erscheint für Glocken bereits auf der Lullus-Glocke in Hersfeld aus der Mitte des 11. Jahrhunderts4) und in einem weiteren Glockenspruch aus dem 13. Jahrhundert.5) Die Kreise unterhalb der Kreuzigungs- und Marienfiguren dürften – in Korrespondenz zu Alpha und Omega (Anfang und Ende) – als Unendlichkeitssymbole zu verstehen sein.6)

Die schlanke Form, die noch an die Zuckerhutglocken erinnert, die romanischen Formen des Kruzifixes wie auch der Glockenspruch deuten zusammen mit der Schrift auf eine Entstehung vor der Mitte des 13. Jahrhunderts.

Die Glocke wurde nach einer Erneuerung der Kirche ab 1604 im Juli 1606 (zusammen mit Nr. 38) wieder aufgehängt.7)

Textkritischer Apparat

  1. S retrograd.
  2. N retrograd.

Anmerkungen

  1. Von allen Reliefs wurden Gipsabdrücke genommen, weswegen sie weißlich verfärbt und mehr oder weniger verschmiert erscheinen. Ein deutliches Foto der Verkündigung im Deutschen Glockenarchiv im GNM Nürnberg, Glocke Nr. 11/4/147 C.
  2. Vgl. Apc. 1,8; 21,6; 22,13.
  3. Vgl. Paul Libeskind, Die Theophilus-Glocken, in: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum, 1905, S. 153–175, hier S. 170. Danach Walter, Glockenkunde, S. 173. Vgl. auch Jörg Poettgen, Der Beitrag der Inschriften und ihrer Gestaltung zur Altersbestimmung von Theophilusglocken – neue Studien zu einem ständigen Thema, in: Jahrbuch für Glockenkunde 21/22, 2009/2010, S. 1–16, hier S. 9f. u. 14.
  4. Vgl. DI 91 (Lkr. Hersfeld-Rotenburg), Nr. 17. Ein anderes Beispiel: Walter, Glockenkunde, S. 177 (1240). Beispiele aus dem 15. Jahrhundert nur: DI 24 (Lüne), Nr. 22 (1427) u. 43 (1492).
  5. Vgl. DI 64 (Querfurt), Nr. 21: VAS DEVS HOC SIGNA PLEBS SALUA SIT AURA BENIGNA: ‚Gott segne diese Glocke, das Volk sei wohlbehalten, das Wetter freundlich‘. Weitere Glocken mit diesem Spruch: Walter, Glockenkunde, S. 172f. (Reppichau, Prosigk, Veitsberg, Gnetsch, Körmigk); Schilling, Glocken, S. 134 (Mitte 13. Jh., Wiesenburg bei Belzig).
  6. Vgl. LCI, Bd. 2, Sp. 560–562.
  7. Chronik Tettenborn, S. 232f.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Grafschaft Hohenstein, S. 165.
  2. Deutsches Glockenarchiv im GNM Nürnberg, Glocke Nr. 11/4/147 C (Tettenborn, Kreis Nordhausen).

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 1 (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0000101.