Inschriftenkatalog: Stadt Osnabrück
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 26: Stadt Osnabrück (1988)
Nr. 108† Dom 1558
Beschreibung
Grabplatte des Propstes Herbord Bar d. Ä. (sein Epitaph Nr. 109). Nach einer Zeichnung von Gelenius1) befand sich in der Mitte der Grabplatte die Darstellung eines Klerikers – vermutlich eine Ritzzeichnung –, in den Ecken des Steins Wappen, die von anderer Hand mit Namen bezeichnet sind, folglich wohl keine Beischriften hatten. Die Zeichnung gibt keinen Aufschluß darüber, wo die Inschrift angebracht war, Gelenius spricht jedoch von einer Umschrift. Bei der Länge der Inschrift impliziert dies, daß sie mehrzeilig um den Stein verlief, vermutlich befand sich auf jeder Seite ein Distichon (vgl. S. XVIII). Neben Gelenius gibt es noch weitere Überlieferungen: die Sammlung A sowie eine notariell beglaubigte Abschrift der Grabdenkmäler Herbord Bars d. Ä., Herbord Bars d. J. (vgl. Nr. 170, 171) und Nikolaus Bars (vgl. Nr. 196, 197) aus dem Jahr 17252). Letztere unterscheidet wie Gelenius und die Sammlung A jeweils zwischen Epitaphium und Sepulcrum, bietet also insgesamt sechs Grabschriften. Abweichend von der Überlieferung aus dem Jahr 1725 kombiniert die Sammlung A das Epitaph Herbord Bars d. Ä. mit der Grabplatte Herbord Bars d. J. und die Grabplatte Herbord Bars d. Ä. mit dem Epitaph Herbord Bars d. J. Aus den in den Inschriften angeführten Daten und Ämtern geht hervor, daß diese Zuweisung falsch ist. Eine falsche Zuordnung war jedoch nur dadurch möglich, daß sich die vier Grabdenkmäler ohne räumlichen Bezug zueinander an unterschiedlichen Orten im Dom befunden haben.
Inschrift nach Gelenius.
Stemmatis Ursini cubat haca) Herbordus in urna,Insignis patriae luxqueb) decusque suaec),Quid) fuit hic vigilans celebri cum laude DecanusAedis Joannis Praepositusque sacraeQuiquee) Monasterii Domini vice muniaf) gessit,Civibus ac Clero charus ubique simulInteger, humanus, non parcensg) fautor egeni,Hunch) pie suscipias in tua regna Deus.
Übersetzung:
In diesem Grab ruht Herbord aus der Familie der Bar, strahlendes Licht und Zier seiner Heimat, der hier unter allgemeinem Lob ein wachsamer Dechant und Propst der Kirche St. Johann war und der das Amt eines Münsterschen Vizedominus ausübte, bei den Bürgern und dem Klerus überall gleichermaßen beliebt, untadelig, kultiviert, ein freigebiger Gönner des Bedürftigen. Gott, nimm diesen gnädig in dein Reich auf.
Versmaß: Distichen.
Bar (schreitender Bär)3) |
Knehem (Schild fünfmal quergeteilt)4) |
Monnick (pfahlweise gestellte Schafschere)5) |
Steching (zwei Querbalken, aus dem oberen ein Löwe hervorwachsend)6) |
Textkritischer Apparat
- hac] hic Rep. 2, Nr. 196.
- luxque] lausque Sammlung A.
- suae] sui Sammlung A.
- Qui] Is Rep. 2, Nr. 196.
- Quique] Dumque Rep. 2, Nr. 196.
- munia] munera Rep. 2, Nr. 196; Sammlung A.
- parcens] parcus Rep. 2, Nr. 196; Sammlung A.
- Hunc] Hinc Sammlung A.
Anmerkungen
- Gelenius, S. 57.
- StAO Rep. 2, Nr. 196. Aus welchem Anlaß die notariell beglaubigte Abschrift angefertigt wurde, geht aus dem Urkundentext nicht hervor.
- Nach Spießen, Bd. 1, S. 6.
- Nach Spießen, Bd. 1, S. 32.
- Nach Spießen, Bd. 1, S. 90.
- Nach Spießen, Bd. 1, S. 121.
- Kohl, S. 270.
- StAO Rep. 560 III, Nr. 1, fol. 16r.
- Ebd., fol. 75r.
- StAO Rep. 5, Nr. 1274 (Amtseid).
- Stüve, Hochstift, Bd. 2, S. 97.
- Dazu Stratenwerth, S. 136–155.
- Stüve, Hochstift, Bd. 2, S. 122f. Stüve beurteilt die Aktivitäten Herbord Bars, „der sich durch, man möchte sagen, büreaukratisches Reglementieren unbedeutender Dinge und Widerstand gegen tiefere Reformation bemerklich macht“ (ebd., S. 146), durchgehend negativ.
- Gedr. in OM 1, 1848, S. 377–380. Die Handschrift bestand aus 4 Blättern und trug den Titel Eyn Neures Liedt, vam Stifte Osnabrugk, und dem Graven von Tecklenburgk ec. Im toin Es kumt ein frischer Sommer daher ec. Für die Bemühungen um ihre Auffindung danke ich Dr. Werner Arnold, Wolfenbüttel.
Nachweise
- Gelenius, S. 57.
- Sammlung A, fol. 9v.
- StAO Rep. 2, Nr. 196.
Zitierhinweis:
DI 26, Stadt Osnabrück, Nr. 108† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di026g003k0010807.
Kommentar
Herbord Bar, Sohn des Hermann Bar und Sophias von Knehem, ist seit 1513 als Osnabrücker Domherr nachweisbar, seit 1517 auch als Domherr in Münster, wo er ab 1538 das Amt des Viztums bekleidete7). Seit 1528 war er Thesaurar des Osnabrücker Domkapitels8), 1536 wurde er zum Domdechanten9), 1538 zum Propst von St. Johann gewählt10). Damit hatte er zur Zeit der Einführung der Reformation in Osnabrück entscheidende Positionen inne. In seiner Eigenschaft als Propst von St. Johann hatte der überzeugte Gegner der Reformation kaum die Möglichkeit, im Namen des Stiftskapitels tätig zu werden, da die Mehrheit der Reformation zuneigte11). Als Domdechant stand er indessen an der Spitze der altgläubigen Partei und war federführend an der umsichtigen Politik des Domkapitels beteiligt, das sich in realistischer Einschätzung seiner Möglichkeiten zunächst zurückhielt, nach dem Schmalkaldischen Krieg jedoch mit massiven Forderungen nach Wiederherstellung der alten Zustände hervortrat und bewirkte, daß der Bischof Franz von Waldeck im Januar 1548 die Reformation im Hochstift Osnabrück widerrief12). Daß es aufgrund der günstigen politischen Situation möglich war, den Bischof unter Druck zu setzen, hat dem Domkapitel und besonders dem Dechanten offenbar ein gestärktes Selbstbewußtsein vermittelt. Als der Graf von Tecklenburg 1549 die Klöster Herzebrock, Marienfeld und Klarholz mit einer außerordentlichen Steuer belegte und auf die Weigerung zu zahlen mit einer Pfändung reagierte, der Bischof jedoch mit Gegenmaßnahmen zögerte, organisierte Herbord Bar im Einverständnis mit dem Domkapitel einen allerdings erfolglosen Kriegszug zur Verteidigung der Interessen der Klöster13). Von den kriegerischen Aktivitäten des Domdechanten handelt ein vielstrophiges Lied, dessen Handschrift im 19. Jahrhundert zu den Beständen der Wolfenbütteler Herzog August Bibliothek gehörte, heute aber verschollen ist14). Das vermutlich zeitgenössische Lied rühmt die Taten des kunen Thumdechanten.