Inschriftenkatalog: Stadt Osnabrück

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 26: Stadt Osnabrück (1988)

Nr. 15† Dom 1308

Beschreibung

Grabmal Bischof Ludwigs von Ravensberg. Der Bischof wurde im Dom beigesetzt1), erhielt jedoch kein steinernes Denkmal, welck he dannoch wol vordeinet, wie die niederdeutsche Bischofschronik tadelnd vermerkt2). Sein Grabmal dürfte aus Leinwand und Holz gewesen sein, darauf war gemalet mit banneren unde venlin der heren van Lippe van der einen unde des graven van der Marcke mit eren anderen jegendeil wapen3), also die Fahnen derjenigen, die Ludwig in der Schlacht auf dem Haler Felde besiegte. Der Chronist Ertmann gibt keine direkte Auskunft darüber, ob das Grabmal zu seiner Zeit Ende des 15. Jahrhunderts noch erhalten war, die Formulierung depictus est scheint aber darauf hinzuweisen.

Inschrift nach Ertmann.

  1. Corpore Zacheus, animo Judas MachabeusAlter et iste David Marckensem cuspide stravitTer C milleno bis quarto tempore plenoVirginei partus, et eum locus hic tenet artus.Ut vacet a penis, pie judex sis sibi lenis.Marcka, Monasterium, Tekenneborch eta) Juliacum,Arnsberch, Waltegge, Loen, Rethberch, insuper AhusTremonieque comes, Petrus vos terruit omnes.Strunckede vosque lupi fugistis vel cecidistis,Auxiliante Deo corruit isteb) leo.Hos versus dico generoso de LodowicoPresule, jocundo de Ravensberch oriundo.

Übersetzung:

Körperlich ein Zachäus, geistig ein zweiter Judas Makkabäus, ein David, streckte er den von der Mark mit dem Speer nieder im Jahr 1308 nach der jungfräulichen Geburt, und ihn umschließt dieser enge Ort. Damit er von Strafen verschont bleibe, sei du, gütiger Richter, milde. Mark, Münster, Tecklenburg, Jülich, Arnsberg, Waldeck, Lohn, Rietberg, darüber hinaus Ahaus und die Grafen von Dortmund, euch alle schüchterte Petrus ein, Strünckede und ihr Wölfe seid geflohen oder gefallen, mit göttlichem Beistand brach jener Löwe zusammen. Ich spreche diese Verse über den trefflichen Bischof Ludwig aus dem edlen Geschlecht von Ravensberg.

Versmaß: Leoninische Hexameter, die 10. Zeile ein leoninischer Pentameter.

Kommentar

Nach dem Tode Bischof Konrads II. von Rietberg, der Domkapitel und Stadt gegen sich aufgebracht hatte, wurde Ludwig von Ravensberg 1297 im beiderseitigen Einvernehmen zum Bischof gewählt4). Da Ludwig zunächst die durch seinen Vorgänger geschwächte Position des Bischofs festigen mußte und auch während seiner Amtszeit die Fehden im Osnabrücker Raum nicht abrissen, ist es erklärlich, daß er sich mehr weltlichen als geistlichen Belangen widmete. So hebt denn auch seine Grabschrift, die ihn als zweiten Judas Makkabäus tituliert, ausschließlich seine kriegerischen Qualitäten hervor. Daß er mit dem biblischen Zachäus verglichen wird, ist als eine Anspielung auf seine geringe Körpergröße zu verstehen5). Es gelang Ludwig von Ravensberg, das gute Verhältnis zur Stadt Osnabrück aufrechtzuerhalten, die ihn auch unterstützte, als er sich in kriegerische Auseinandersetzungen mit Domkapitel und Stadt Münster um die Absetzung des dortigen Bischofs Otto von Rietberg verwickelte. Auf die Seite Münsters stellten sich aus unterschiedlichen Motiven die in der Grabschrift aufgezählten Herren. Am 4. November 1308 kam es schließlich zwischen diesen und dem nur von der Osnabrücker Bürgerschaft unterstützten Bischof Ludwig zur Schlacht auf dem Haler Feld, in der Ludwig – wie die Inschrift besagt mit Hilfe des Hauptpatrons des Osnabrücker Doms Petrus – zwar siegte, aber wohl durch einen seiner eigenen Gefolgsleute irrtümlich schwer verwundet wurde. Er starb am 24. November6). Um die Schlacht ranken sich zahlreiche sagenhafte Elemente, so weissagte der Überlieferung zufolge Ludwigs Schwester ihrem Bruder Sieg und Tod in der Schlacht7). Eine andere Version schreibt diese Prophezeiung dem in Osnabrück verehrten Bruder Reiner (vgl. Nr. 49) zu8).

Stüve, einer aus der langen Reihe derjenigen, die beklagten, daß dem siegreichen Bischof nicht einmal ein Grabstein gesetzt wurde, gibt Feindseligkeiten zwischen Bischof und Domkapitel als Grund dafür an9). Diese Erklärung ist jedoch unwahrscheinlich, da für solche Feindseligkeiten keine weiteren Anhaltspunkte vorliegen. Der Grund dürfte vielmehr darin liegen, daß den Zeitgenossen das nach den Beschreibungen keineswegs bescheidene Grabdenkmal der Würde und den Verdiensten des Verstorbenen durchaus angemessen erschien. Des Sieges wurde jährlich aufgrund einer vom Rat veranlaßten Memorienstiftung gedacht10).

Textkritischer Apparat

  1. et] fehlt in Chronik 1.
  2. iste] ille Chronik 1.

Anmerkungen

  1. Ertmann, S. 87: ... in ecclesia sua cathedrali in medio quasi pavimenti sepultus.
  2. Zit. nach Chronik 1, S. 80.
  3. Ebd.
  4. Vgl. u. a. Rothert, Geschichte, Bd. 1, S. 46f. und 187ff.
  5. Lc. 19,1–10.
  6. Detaillierte Berichte vom Verlauf der Schlacht u. a. bei: Ertmann, S. 87f.; Steinen, Westfälische Geschichte, Bd. 1, Lemgo 1755, S. 179ff.; Stüve, Hochstift, Bd. 1, S. 158f.
  7. Ertmann, S. 86.
  8. Steinen (wie Anm. 6), S. 180f.
  9. Stüve, Hochstift, Bd. 1, S. 159.
  10. Vgl. die Urkunde im Stadtbuch, gedr. in OGQu. Bd. 4, S. 88ff.

Nachweise

  1. Ertmann, S. 87.
  2. Chronik 1, S. 80.
  3. Chronik 4, S. 44.
  4. Steinen (wie Anm. 6), S. 181f.
  5. Gildehausen, S. 21.
  6. J. E. Stüve, Beschreibung und Geschichte des Hochstifts und Fürstentums Osnabrück, Osnabrück 1789, S. 211.

Zitierhinweis:
DI 26, Stadt Osnabrück, Nr. 15† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di026g003k0001507.