Inschriftenkatalog: Stadt Osnabrück

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 26: Stadt Osnabrück (1988)

Nr. 292† Dom 1639

Beschreibung

Marienglocke. Am Glockenhals lief zwischen Stegen und Ornamentbändern aus floralen Elementen und Engelsköpfen eine zweizeilige Inschrift um, darunter auf dem Mantel ein Brustbild Marias mit dem Kind1). Am unteren Rand mehrfach umlaufende Stege. Die Glocke wurde 1918 abgenommen und als Kriegsmaterial eingeschmolzen.

Die Inschrift überliefert ein Entwurf aus dem Jahr 16392).

Maße: Dm.: 129 cm (Ton e).

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. + HAEC MARIAE TITULOS QVOTIES RESONAVERIT OMNISHOC ROGITAT CLERVS TVRBAQVE CHRISTIADVMVT MATER MISERIS SVCCVRRENS ATQVE PIORVMPATRONAM VITAE SIC QVOQVE MORTIS AGATANNO REDEMPTIONIS HVMANAE 1639

Übersetzung:

So oft diese alle Ehrentitel Mariens ruft, bittet der Klerus und die Schar der Christen darum, daß sie als Mutter der Armen helfe und als Schutzherrin walte über der Frommen Leben wie auch über ihren Tod. Im Jahr der Erlösung der Menschen 1639.

Versmaß: Zwei Distichen.

Kommentar

Das Osnabrücker Domkapitel beauftragte im Oktober 1639 den lothringischen Glockengießer Franz Hemony mit dem Guß von drei Glocken (vgl. Nr. 293, 294). Dies war notwendig geworden, da in den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts insgesamt drei Glocken gesprungen waren, die „Maria“ des Jakob de Croisilles (Nr. 10), die Crispinus und Crispinianus geweihte Glocke des Gerhard de Wou (Nr. 62) und die der Trinität und Petrus geweihte Glocke des Hans Meier (Nr. 260). Das Material wurde nun bei dem Neuguß verwandt. Eine von Hemony ausgestellte Kautionsurkunde ist erhalten, in der er dafür bürgt, daß die Glocken nach musicalischem Ton: ut re mi fa auf die grösseren Glocken accordieren3). Franz Hemony, der von einem weiteren Meister – vermutlich wie bei anderen Arbeiten auch von seinem Bruder Peter4) – unterstützt wurde5), stellte die drei Glocken innerhalb eines Monats fertig, so daß sich das Domkapitel bereits Mitte November nach einem geeigneten Würdenträger umsah, der die feierliche Weihe vornehmen sollte6). Die Osnabrücker Glocken gehören zu den ersten bekannten Arbeiten Hemonys, als früheres Werk erwähnt Walter7) lediglich eine Glocke von 1636 aus Zutphen/Geldern. Nach Angaben Walters war Hemony dafür bekannt, Glocken mit besonders reinem Ton zu gießen und nach dem Guß noch feine Abstimmungen des Klangs vornehmen zu können. Darüber hinaus schildert er ihn als einen gebildeten Mann, der eine lateinische Korrespondenz mit einem befreundeten Jesuiten pflegte. Somit wäre Hemony durchaus in der Lage gewesen, die Inschriften seiner Glocken selbst zu verfassen. Die erhaltenen Entwürfe der drei Osnabrücker Glockeninschriften wurden indessen allem Anschein nach angefertigt, bevor man den Glockengießer beauftragte. Das läßt sich daraus schließen, daß in den Entwürfen jeweils am Ende der Inschrift der Nachsatz N. N. me fecit vorgesehen war. Diese Nennung des Künstlers wurde vermutlich aus Platzgründen nicht ausgeführt, da man dazu eine dritte Zeile benötigt hätte. Im Gegensatz zu den Entwürfen wurden die Jahreszahlen wohl aus demselben Grund nicht in römischen, sondern in arabischen Ziffern ausgeführt.

Anmerkungen

  1. Eine Zeichnung findet sich bei Siebern/Fink, S. 59, Fig. 67. Die Ornamentbänder sind dort im Detail wiedergegeben.
  2. StAO Rep. 100, Abschn. 332, Nr. 12, fol. 2.
  3. StAO Rep. 100, Abschn. 366, Nr. 1. Gedr. bei Prinz, S. 238. Dort auch eine Aufstellung der zum Glockenguß benötigten Materialien.
  4. Walter, S. 765.
  5. Dies geht aus dem Schreiben des Domkapitels an Bischof Franz Wilhelm vom 15. November 1639 hervor, das die Glockenweihe zum Inhalt hat. StAO Rep. 100, Abschn. 366, Nr. 1; gedr. bei Prinz, S. 239.
  6. Ebd. Der Weihbischof von Münster lehnte ein entsprechendes Ersuchen des Domkapitels ab. Es ist nicht bekannt, wer die Weihe schließlich vornahm.
  7. Walter, S. 766.

Nachweise

  1. StAO Rep. 100, Abschn. 332, Nr. 12, fol. 2.
  2. Siebern/Fink, S. 60.
  3. Prinz, S: 233.

Zitierhinweis:
DI 26, Stadt Osnabrück, Nr. 292† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di026g003k0029209.