Inschriftenkatalog: Stadt Osnabrück

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 26: Stadt Osnabrück (1988)

Nr. 286 Kulturgeschichtliches Museum nach 1633

Beschreibung

Epitaph des Bartholomäus Meuschen. Holz, bemalt. Das Epitaph stammt aus der Katharinenkirche. Es ist im oberen Teil stark beschädigt. Das Medaillon der Bekrönung ist leer, von dem Relief im Mittelteil sind nur noch Bruchstücke der unteren Hälfte erhalten, die – berücksichtigt man die Inschrift (A) der Predella – auf eine Darstellung des Einzugs ins gelobte Land schließen lassen. Dazwischen wurde ein Bruchstück eines Reliefs eingepaßt, das die Anbetung des Kindes zeigt und keinerlei Bezug zu den anderen Bildteilen hat. Da sich auch die Holzarten und die Kolorierung unterscheiden, muß das dritte Bruchstück ursprünglich in einen anderen Zusammenhang gehört haben. Der Mittelteil wird gerahmt von zwei korinthischen Säulen, die im unteren Teil durch je drei halbplastische männliche Büsten geschmückt sind. Den seitlichen Abschluß bildet Rollwerk. In der Zone unterhalb des Reliefs die Stifterfamilie – sechs Männer – und fünf Frauenfiguren, ebenfalls stark beschädigt; es folgt darunter eine querovale, leicht konvexe Tafel mit einer Inschrift (A) in erhabenen Goldbuchstaben, rechts und links je ein Engelskopf. Den unteren Abschluß bildet eine Kartusche, darauf zwischen zwei Engelsfiguren ein rundes Medaillon mit einer Inschrift (B) ebenfalls in erhabenen Goldbuchstaben.

Maße: H.: 305 cm; B.: 210 cm; Bu.: 1,8 cm (A), 1,6 cm (B), 0,8 cm (Datum B).

Schriftart(en): Humanistische Minuskel (1. Zeile A, B), Fraktur (2.–6. Zeile A).

Sabine Wehking [1/1]

  1. A

    Deut. Cap. 34. vers I. 2 et 4. /Undt Mose gieng auff den berg Nebo. auff die spitze des / gebirges pisga, undt der Herr zeiget ihn das gelobte landt / Canan. undt sprach: diß ist das landt das ich Abraham Isaac und / Jacob geschworen hab und gesacht: ich will es deinen samen geben du / hast es mit deinen augen gesehen aber du solt nicht hinüber gehenn1).

  2. B

    Schauw,Leser dis Figur Betracht.Hern Barthlomei Meuschn gemacht.Geborn wie es eintusent war.Fünfhundert acht vnd siebnzich iahr.Von vornehmn Eltern die ihn Fein.Erzogen in der iugent sein.Mit Kunst vnd Sitten Hoch gezirt.Der rechten Doctor promouiert.Beid Stift vnd Stadt gedienet hat.Loblich als Syndicus vnd Raht.Endtlich ihn Lunburg viel begert.Zum Sindico vnd Probst erklert.Margreth Brunings sein Hausfrauw war.Fünf Sohn zwo Tochter ihm gebar.Führt stets diesn Trost das wir nicht sein.Gar aus ist Gottes Guet alleinn.Starb alters ein vnd Funfzig iahr.Verfolgt von der Pabstlichen Schar.Wardt ihm hie versagt sein Ruhstat.Drumb er sein Grab zu Wersn hat.ANNO. MDC. XXIX2 Septemb(ris)

Kommentar

Die Verwendung von Fraktur und humanistischer Minuskel in den Inschriften des Epitaphs zeigt, daß eine Bindung der Fraktur an volkssprachliche Texte und der humanistischen Minuskel an lateinische Texte bestenfalls eine Tendenz ist, von der im Einzelfall nicht selten abgewichen wird2). Wurde für die lateinische Angabe der Bibelstelle (A) eine humanistische Minuskel und für den deutschen Bibeltext Fraktur verwandt, so sind die deutschen Knittelverse der Inschrift (B) in einer sehr sorgfältig gearbeiteten humanistischen Minuskel ausgeführt. Am Wortanfang stehen Kapitalisversalien in willkürlichem Wechsel mit den entsprechenden Minuskeln, von denen sie sich in der Höhe nicht unterscheiden. Statt eines Minuskel-g wird auch innerhalb eines Wortes grundsätzlich kapitales G verwandt.

Bartholomäus Meuschen stammte aus einer bekannten protestantischen Osnabrücker Ratsfamilie und war Sohn eines gleichnamigen Apothekers und Ratsherren3). Am 20. Juni 1599 immatrikulierte sich Meuschen an der Universität Marburg4), im Sommersemester 1606 an der Universität Leipzig5). Die Matrikeln geben jedoch keinen Aufschluß darüber, daß er dort den Titel eines Doktors beider Rechte erwarb. Später war Meuschen in Osnabrück als Syndikus tätig und heiratete Margarethe Brüning, die ebenfalls einer Familie der Osnabrücker Oberschicht angehörte. Daß Meuschen einem Ruf nach Lüneburg folgte und dort als Syndikus und Propst fungierte, geht lediglich aus seiner Grabschrift hervor, läßt sich aber sonst nicht belegen. 1628 wurde er in Osnabrück zum Ratsherren der Leischaft St. Johann gewählt6). Dieses Amt bekleidete er jedoch nur ein Jahr, da Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg am 2. Januar 1629 im Zuge der Gegenreformation einen katholischen Rat wählen ließ. Als Angehöriger des abgesetzten, überwiegend protestantischen Rats war Meuschen besonderem Druck ausgesetzt7). Er wurde – wie viele andere auch – vor die Wahl gestellt, sich zu accommodieren, d. h. zum katholischen Glauben überzutreten, oder Osnabrück zu verlassen. Die Stadt erhielt die Anweisung, Meuschen nicht länger als Syndikus zu beschäftigen. Da dieser an seiner Überzeugung festhielt, wurde er zunächst mit Einquartierung und Kontributionen belegt und noch im selben Jahr gezwungen die Stadt zu verlassen. Er ging nach Wersen, wo er noch 1629 verstarb8). Da Bischof Franz Wilhelm ein Begräbnis in Osnabrück untersagte, wurde Meuschen in Wersen beigesetzt. Das Epitaph in der Katharinenkirche wird die Familie Meuschen bald nach dem Einzug der Schweden in Osnabrück 1633 errichtet haben.

Anmerkungen

  1. 5. Mose 34,1–4.
  2. Vgl. dazu Einleitung, S. XXVIII.
  3. Spechter, S. 69.
  4. Matrikel Marburg, Bd. 1, S. 120.
  5. Matrikel Leipzig, S. 92.
  6. Spechter, Ratsherrenliste, S. 145.
  7. Vgl. dazu Röling, S. 154–159, und Stüve, Hochstift, Bd. 3, S. 123–127.
  8. Röling, S. 159, überliefert, Bartholomäus Meuschen sei in Osnabrück gestorben, noch bevor er die Stadt verlassen konnte. Da in der Leichenpredigt auf den Sohn des Bartholomäus Meuschen, Balthasar Jobst, jedoch von Des edlen Doctors Flucht die Rede ist (teilweise gedr. bei Spechter, Oberschicht, S. 39), kommt diese Möglichkeit wohl kaum in Betracht.

Nachweise

  1. Sammlung B, Nr. 1 (nur B).
  2. G. A. Rumpius, Des heil. Röm. Reichs hochlöbliche Graffschaft Tekelenburg, Bremen 1672, S. 61.
  3. Strubberg, S. 30f.

Zitierhinweis:
DI 26, Stadt Osnabrück, Nr. 286 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di026g003k0028606.