Inschriftenkatalog: Stadt Osnabrück

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 26: Stadt Osnabrück (1988)

Nr. 262† Große Gildewart 26 1621

Beschreibung

Hausinschriften. Das zweigeschossige, sechs Fach breite Giebelhaus trug auf dem Sturzriegel über dem rundbogigen Einfahrtstor die Namen der Erbauer (A) und deren Hausmarken. Der eingeschossige Giebel war vorgekragt. Alle Schwellen des Hauses waren mit Inschriften versehen (B, C, D). Das Haus wurde im 2. Weltkrieg zerstört.

Inschriften nach Siebern/Fink und Flaskamp1).

  1. A

    Jspringhrotta) und Jarlemer Anno 1621

  2. B

    SPERANTEM IN DOMINOb) MISERICORDIA CIRCVMDABIT2) QVARE REIICE IN IEHOVAM COGITATIONESc) TVAS.3)

  3. C

    FIDE DEO DIVINA BEAT CLEMENTIA FALLITSPES HOMINVM QVAMVIS SPLENDIDA FIDE DEO4)

  4. D

    BIS VIVIT BENE QVI VIVIT NAM PREMIA VITEd)PRAESENTIS PIETASe) AT(QVE)f) SEQVENTIS HABETg)5)

Übersetzung:

Den, der auf Gott hofft, wird (seine) Barmherzigkeit umgeben. Deswegen befiehl Gott deine Vorhaben. (B) Vertraue auf Gott. Die göttliche Gnade macht glücklich, die Hoffnung auf Menschen, wenn sie auch noch so glänzend erscheint, täuscht. Vertraue auf Gott. (C) Zweimal lebt, wer rechtschaffen lebt, denn Frömmigkeit erhält ihren Lohn im gegenwärtigen und im folgenden Leben. (D)

Versmaß: Die Inschriften (C) und (D) bilden je ein Distichon.

Kommentar

Vermutlich handelt es sich bei dem Erbauer des Hauses um Wennemar Ispringrott, der sich Anfang September 1613 zusammen mit Dietrich Bremer auf eine Kollektantenreise begab6), um für den Wiederaufbau der Stadt nach dem Brand zu sammeln. Da die von dem Bischof, den Ständen und dem Rat zur Verfügung gestellten Summen bei weitem nicht ausreichten, wurden Kommissionen aus je zwei Bürgern gebildet, die, mit Brief und Siegel von Rat und Bischof versehen, vor allem in die Hansestädte zogen7). Die Reise von Dietrich Bremer und Wennemar Ispringrott war die längste der Kollektantenreisen und führte über Wittlage, Minden, Hildesheim, Braunschweig, Halberstadt, Halle, Leipzig und Berlin. Dies ist dem erhaltenen Kollektantenbuch8) zu entnehmen, in das die Spenden während der Reise eingetragen wurden. Daneben ist auch noch der Zehrungszettel erhalten, auf dem beide die Ausgaben für Essen und Trinken notiert haben9).

Textkritischer Apparat

  1. Jspringhrott] Jspringhroff Siebern/Fink.
  2. DOMINO] DOMINVM Siebern/Fink.
  3. COGITATIONES] RATIONES Siebern/Fink.
  4. VITE] fehlt bei Siebern/Fink.
  5. PIETAS] fehlt bei Flaskamp.
  6. AT(QVE)] AT Siebern/Fink, AC Flaskamp.
  7. HABET] FLABET Siebern/Fink.

Anmerkungen

  1. Die Inschrift ist nur durch Siebern/Fink und Flaskamp überliefert. In beiden Versionen liegen offensichtliche Lesefehler vor. Daher wird hier eine kontaminierte Fassung erstellt. Die Inschrift (D) läßt sich als Distichon wiederherstellen, wenn man den Text von Siebern/Fink durch Flaskamp ergänzt.
  2. Ps. 32,10.
  3. Sinngemäß Ps. 37,5 und Prv. 16,3.
  4. Die Angabe Flaskamps, es handle sich hierbei um Eph. 4,14, entbehrt jeder Grundlage.
  5. Die bei Flaskamp zur Inschrift (D) angeführten Bibelnachweise stehen in keiner Beziehung zum Text.
  6. Vgl. dazu Fink, Brand, S. 14.
  7. Über diese Unternehmungen liegt reichhaltiges Urkundenmaterial vor: StAO Dep. 3 b V, Nr. 1496.
  8. Ebd.
  9. Ebd.

Nachweise

  1. Siebern/Fink, S. 303.
  2. Flaskamp, S. 64, Nr. 46.

Zitierhinweis:
DI 26, Stadt Osnabrück, Nr. 262† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di026g003k0026206.