Inschriftenkatalog: Stadt Osnabrück

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 26: Stadt Osnabrück (1988)

Nr. 209† Johannisstr. 70 1611

Beschreibung

Hausinschriften. Das Steinhaus des bischöflichen Kanzlers Gotthard von Fürstenberg stand an der Ecke Johannisstraße/Kampstraße, mit dem Giebel zur Johannisstraße. Es war zweigeschossig mit vierstöckigem, durch Horizontalgesimse gegliedertem Giebel. Die Gesimse ragten über die Giebelschräge hinaus und trugen dort Obelisken. Die Bandfriese unterhalb der Gesimse trugen Inschriften (von oben nach unten: A, B, C). An dem der rechten Hausseite vorgebauten Erker befanden sich auf den beiden Feldern der Brüstung ebenfalls Inschriften (D, E) sowie zwei nicht näher beschriebene Wappen und eine Jahreszahl (F)1). Das Haus wurde im 2. Weltkrieg zerstört.

Inschriften nach Siebern/Fink.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    DEO · PATRIAE · POSTERIS ·

  2. B

    BONA CONSCIENTIA MIHI OPVS EST PROPTER DEVM, BONA FAMA PROPTER PROXIMVM ·

  3. C

    FIDENTEM NESCIT DESERVISSE DEVS · WER GODT VERTRAWET HATT WOL GEBAWET · DEO BENE DANTE SED INVIDIA MALE FRENDENTE · WOL GEWVNEN VIE VERGVNEN BEST GELVNGEN ·

  4. D

    TIMENTI DOMINVM NON DEERIT VLLVM BONVM, PSALM: 34.2) REVELA DOMINO VIAM TVAM, ET SPERA IN EO: ET IPSE FACIET. EDVCET, QVASI LVMEN IVSTICIAM TVAM ET IVDICIVM TVVM TANQVAM MERIDIEM. PSALM 37.3)

  5. E

    SPERANTEM IN DOMINVM CIRCVMDABIT MISERICORDIA, PS: 32.4) FORTVNA SINE I(N)VIDIA MISERA EST, AT INVIDIA VIRTVTE PARATA, NON INVIDIA SED GLORIA EST.

  6. F

    Anno 1611.a)

Übersetzung:

Für Gott, für die Heimat, für die Nachwelt. (A) Ich brauche ein gutes Gewissen um Gottes, einen guten Ruf um meines Nächsten willen. (B) Gott verläßt den Gläubigen nicht ... . Wenn Gott es glücklich gibt, aber der Neid auf üble Weise die Zähne fletscht ... . (C) Dem, der den Herrn fürchtet, wird kein Gut fehlen. Offenbare dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird es selbst machen. Er wird deine Gerechtigkeit vorbringen wie das Licht und dein Recht wie den Mittag. (D) Den, der auf den Herrn hofft, wird Barmherzigkeit umfangen. Glück ohne Neid ist kläglich, aber durch Verdienst hervorgerufener Neid ist nicht Neid, sondern Ruhm. (E)

Kommentar

Der Erbauer des Hauses, Gotthard Fürstenberg, übte das Amt des fürstbischöflichen Kanzlers von 1586 bis zu seinem Tod im Jahr 1617 aus. Er stammte aus Werne5) und hatte seit 1570 in Köln die Rechte studiert6). 1580 wurde er Besitzer des geistlichen Hofgerichts Münster, von wo aus er nach Osnabrück berufen wurde. Unter Bischof Bernhard von Waldeck organisierte Fürstenberg die fürstbischöfliche Kanzlei neu, in der er als Kanzler fungierte7). Als solcher wurde er auch von dem Nachfolger Bernhards, Philipp Sigismund von Wolfenbüttel, übernommen, der als Protestant gegenüber dem Domkapitel einen schweren Stand hatte und dem daher daran gelegen war, die Machtposition seines ebenfalls protestantischen Kanzlers zu stärken. Die dominierende Position, die Fürstenberg während seiner 30jährigen Kanzlerschaft innerhalb der Landesregierung einnahm, fand ihren Niederschlag auch in dem Bau des repräsentativen Hauses Johannisstr. 70. Wenn das Verzeichnis der Steinbauten bei Siebern/Fink Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann, so war das Fürstenbergsche Haus der bei weitem größte von drei bürgerlichen Steinbauten, die deutliche Merkmale der Weserrenaissance zeigten8). Zudem ist es als einziges mit Inschriften versehen, die im Umfang sogar die der grundsätzlich inschriftenfreundlicheren Fachwerkhäuser übertreffen.

Textkritischer Apparat

  1. Nur bei Flaskamp und Brandi.

Anmerkungen

  1. Beschreibung nach Siebern/Fink, S. 272f.
  2. Ps. 34,10.
  3. Ps. 37,5f.
  4. Ps. 32,10.
  5. Rohde, S. 36.
  6. Matrikel Köln, Bd. 4, S. 69.
  7. Vgl. dazu Rohde, S. 69.
  8. Es handelte sich um die Häuser Hasestr. 34 und Seminarstr. 12. Vgl. Siebern/Fink, S. 271ff.

Nachweise

  1. Siebern/Fink, S. 272f.; Abb. Fig. 260, S. 271.
  2. Mithoff, S. 134.
  3. Brandi, fol. 5v.
  4. Flaskamp, S. 72, Nr. 74.

Zitierhinweis:
DI 26, Stadt Osnabrück, Nr. 209† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di026g003k0020906.