Inschriftenkatalog: Stadt Osnabrück

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 26: Stadt Osnabrück (1988)

Nr. 208 Dom 1611

Beschreibung

Epitaph des Balduin Voss (dessen Grabstein Nr. 254). Sandstein, bemalt. Das Epitaph an der Westwand des nördlichen Querschiffs ist in drei sehr detailreichen Stockwerken aufgebaut. Den unteren Abschluß bildet eine Kartusche, durch einen Engels- und einen Löwenkopf sowie Früchte verziert, die auf einer querrechteckigen Tafel die Inschrift (A) trägt. Darüber in der Mitte das Hauptbild, ein Kreuzigungsrelief, das Kreuz mit Titulus (B). Es ist in den Hintergrund gerückt, rechts und links davon halten Johannes und Ezechiel hochrechteckige Schrifttafeln (C, D), im Vordergrund kniet eine große Stifterfigur in Domherrentracht. Oberhalb des Kreuzes das Agnus Dei in den Wolken, begleitet von Engeln mit Marterwerkzeugen, darüber der Heilige Geist in Gestalt einer Taube. Zwischen Agnus Dei und Taube ein von Engeln gehaltenes Spruchband (E). An den Mittelteil schließen sich schmale Seitenstücke an, denen balkonartig je zwei Säulen vorgebaut sind, die in der unteren Hälfte Früchteschmuck tragen. In den Seitenfeldern links eine Darstellung des Sündenfalls, darüber ein Medaillon mit der Aufschrift (F), rechts der auferstandene Christus, zu seinen Füßen die zertretene Schlange und ein Schädel, darüber in einem Medaillon die Inschrift (G). Den äußeren Abschluß bildet zu beiden Seiten Rollwerk, dem noch einmal kleine runde Balkone mit von je drei Säulen getragenen Dächern vorgebaut sind, unter denen links Petrus mit Schlüssel und Buch, rechts Paulus mit Schwert und Buch stehen. Die ganze untere Bildzone ist durch ein durchlaufendes Gesims nach oben hin abgeschlossen, das über den Seitenfeldern vorspringt und dort zwischen Engelsköpfen die Inschrift (H) trägt. In der Zone darüber in der Mitte ein Relief der Taufe Christi, in den Wolken im Strahlenkranz der Heilige Geist in Gestalt der Taube. Das Relief ist oben bogenförmig abgeschlossen, im Bogen die Inschrift (I), in den Zwickeln Rankenornamente. Links und rechts des Bildfeldes unten in rechteckigen Feldern, darüber in ovalen Medaillons vier Wappen. Den oberen Abschluß des Epitaphs bildet in der Mitte ein rechteckiges Feld mit zwei Wappen, seitlich je ein Wappen unter einer musizierenden Engelsfigur. Links auf einem Pfosten oberhalb der Wappen der zweiten Zone die Figur eines Propheten, dessen Schild mit Aufschrift verloren ist, rechts eine entsprechende Figur Davids mit Schild, darauf die Inschrift (K). Die Bekrönung des Epitaphs bildet die Figur des Johannes von Patmos mit Schild, darauf die Inschrift (L). Die Figur steht auf einem bogenförmigen Podest, dem seitlich Totenköpfe haltende Putten aufliegen.

Alle Inschriften sind erhaben und durch Vergoldung hervorgehoben.

Maße: H.: 480 cm; B.: 270 cm; Bu.: 1,7 cm (A), 2 cm (B), 1,5–2 cm (C, D), 2 cm (E, F, G), 3,5 cm (H), 1,8 cm (I), 3,5 cm (K, L), 3–3,5 cm (Wappenbeischriften).

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    OSNABURGIADUM SUMMA BOLDVINUS IN AEDEPRAEPOSITUS NOMEN VOSS CUI STEMMA DEDIT:GLORIA QUO MAIOR POSSIT SUPERARE TONANTISa),ET TEMPLI PARITER CLARIUS ESSE DECUS:HAEC STATUIT MONUMENTA SIBI DUM VESCITUR AURAAETHERIA DUBIAE SIC MEMOR USQUE NECISERGO PIA QUISQUIS LUSTRAS HAEC MUNERA MENTE,BOLDVINI EXEMPLO, SIT TIBI VITA ROGUSNUNQUAM TE PROPERAE CAPIANT OBLIVIA MORTIS,VT COMES AD SUPERAS HUNC COMITERE DOMOS.HAEC SIBI PRAEPOSITI, MAGNO PRAECLARVS HONORECONFECIT, LACHESI PENSA TRAHENTE FERA.〈OBIIT ANNO 1617. DIE 2 SEPTEMBRIS AETAT(IS) 60.〉

  2. B

    INRI1)

  3. C

    ECCE / AGNVS / DEI QVI / TOLLIT / PECCATA / MVNDI / IOAN:12)

  4. D

    EFFVNDA(M) / SVPER VOS / AQVAM / MVNDAM / ET MVN/DABIMINI / EZEC: 363)

  5. E

    VIDI SVPRA MONTE(M) SYON AGNV(M) STANTE(M) APO 144)

  6. F

    IN / ADAMO / OMNES / MORIVN/TVR

  7. G

    IN / CHRISTO / OMNES / VIVIFICAN/TVR

  8. H

    POSITVM ANNO 1 · 6 · 11

  9. I

    HIC EST FILIVS MEVS DILECTVS IN QVO MIHI BENE COMPLA(CVI)5)

  10. K

    AMPLI(VS) LAVA / ME AB INI/QVITATE / MEA ET A PECCATO / MEO MVN/DA ME / PSALM /606)

  11. L

    EGO SITI/ENTI DA/BO DE FON/TE AQVE / VITAE GRATIS / APOCA: / CAP: 217)

  12. Wappenbeischriften:
    VOSS QVERNHE 
    KLVVER NAGEL 
    KNEHEM TRIBBE 
    SCHVLTE HORNE 

Übersetzung:

Balduin, Propst im Dom der Osnabrücker, welcher den Familiennamen Voss trägt, hat – damit die größere Ehre Gottes dauere und gleichermaßen auch der Glanz der Kirche strahlender sei – sich diese Denkmäler gesetzt, als er noch irdische Luft atmete, so fortwährend eingedenk des ungewissen Todes. Also, wer auch immer du diese Bauten mit frommem Geist betrachtest, Leben und Grab des Balduin sei dir ein Beispiel, vergiß niemals, wie rasch der Tod kommen kann, damit du diesen als Gefährte zu den himmlischen Wohnungen begleiten kannst. Dieses hat für sich der aufgrund seines Amtes als Propst Hochberühmte fertiggestellt, während die grausame Lachesis die Fäden spann. Er starb im Jahr 1617 im Alter von 60 Jahren. (A)

Siehe das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt trägt. (C)

Ich will reines Wasser über euch ausgießen, und ihr werdet gereinigt werden. (D)

Ich sah über dem Berg Zion ein Lamm stehen. (E)

In Adam sterben alle. (F)

In Christus werden alle wiedergeboren. (G)

Gesetzt im Jahr 1611. (H)

Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe. (I)

Ferner wasche mich von meiner Missetat und reinige mich von meiner Sünde. (K)

Ich werde dem Dürstenden umsonst von der Quelle des Lebens geben. (L)

Versmaß: Die Inschrift (A) ist in Distichen verfaßt; die Zeilen 11 und 12 bilden ein Chronostichon, das die Jahreszahl 1611 der Errichtung des Grabdenkmals enthält.

Wappen:
Voss (in Gold laufender roter Fuchs; Helmzier laufender roter Fuchs)8)
Quernheim (in Schwarz ein roter Querbalken9); Helmzier schwarzer Flug mit rotem Querbalken belegt)10)
Kluver (aus linkem Schildrand wachsende Bärentatze; Helmzier Federbusch zwischen je drei abfliegenden Fähnchen)11)
Nagel (in Schwarz eine rote Spange nach außen hin mit fünf lilienartigen Verzierungen; Helmzier rote Spange zwischen schwarzem Flug)12)
Knehem (fünfmal gespaltener, einmal quergeteilter Schild, abwechselnd gegengestreift13); Helmzier Büffelhörner)
Tribbe (in Schwarz von vier goldenen Ringen bewinkelter goldener Schragen; Helmzier drei Rosen pfahlweise zwischen Flug)14)
Schulte (geteilter Wappenschild, oben schwarz, unten rot-schwarz geschacht; Helmzier schwarzer Flug)15)
Horne (in Gold zwei gekreuzte rote Hörner; Helmzier schwarz-goldener Pfauenbusch)16)

Kommentar

Koch schreibt das Epitaph dem in Osnabrück ansässigen Bildhauer Adam Stenelt zu17), der auch als Künstler einiger anderer Grabdenkmäler in den Osnabrücker Kirchen gilt18).

Balduin Voss wurde 1580 vom Osnabrücker Domkapitel beurlaubt, um in Köln zu studieren19), gehörte dem Domkapitel also bereits vor diesem Datum an. In der Kölner Matrikel ist er indessen nicht verzeichnet. 1592 übernahm Voss das Amt des verstorbenen Scholasters Smising (vgl. Nr. 163)20), seit 1601 bekleidete er das Amt des Thesaurars21) und nahm kommissarisch die Geschäfte des bischöflichen Offizials wahr22). 1604 erhielt er den Vorsitz des Generalkommissionsgerichts23) und wurde im selben Jahr zum Propst gewählt24).

Textkritischer Apparat

  1. TONANTIS] tonantes Sammlung A.

Anmerkungen

  1. Io. 19,19: I(esus) N(azarenus) R(ex) I(udeorum).
  2. Io. 1,29.
  3. Ez. 36,25.
  4. Nach Apc. 14,1.
  5. Mt. 3,17.
  6. Ps. 50,4.
  7. Apc. 21,6.
  8. Nach Spießen, Bd. 1, S. 55.
  9. Spießen, Bd. 1, S. 102: in Weiß ein roter Querbalken.
  10. Spießen, ebd.: weißer Flug mit rotem Querbalken.
  11. Nach Nieberg, S. 58. Der Schild ist schwarz, ebenso die plastisch hervorgehobene Bärentatze.
  12. Spießen, Bd. 1, S. 93: in Weiß rote Spange, Helmzier rote Spange zwischen schwarzem Flug.
  13. Spießen, Bd. 1, S. 32: schwarz-weiß. Auf dem Epitaph ist die Farbgebung durch eine plastische Hervorhebung ersetzt, der Wappenschild schwarz.
  14. Nach Nieberg, S. 58.
  15. Nach Nieberg, ebd.
  16. Nach Spießen, Bd. 1, S. 73f.
  17. Koch, S. 138f. Ursula Stiff berücksichtigt in ihrer Untersuchung das Voss-Epitaph nicht.
  18. Vgl. Nr. 199, Anm. 7.
  19. StAO Rep. 560 III, Nr. 3, fol. 46r.
  20. Ebd., Nr. 6, fol. 5v.
  21. Ebd., Nr. 7, fol. 246v.
  22. Stüve, Hochstift, Bd. 2, S. 414 u. 429.
  23. Rohde, S. 44.
  24. StAO Rep. 560 III, Nr. 7, fol. 297r.

Nachweise

  1. Sammlung A, fol. 7r (nur A).
  2. Schriever, S. 9 (C, D).
  3. Siebern/Fink, S. 52–54.

Zitierhinweis:
DI 26, Stadt Osnabrück, Nr. 208 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di026g003k0020802.