Inschriftenkatalog: Stadt Osnabrück

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 26: Stadt Osnabrück (1988)

Nr. 149† St. Katharinenkirche 1584

Beschreibung

Epitaph des Hermann Heuschen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts war das Epitaph noch vorhanden, allerdings teilweise beschädigt. Daher weisen die drei kopialen Überlieferungen, die alle gegen Ende des 18. Jahrhunderts offensichtlich unabhängig voneinander entstanden sind, unterschiedliche Lücken auf. Da sich die Überlieferungen teilweise ergänzen und jede fehlerhaft ist, wurde darauf verzichtet, eine Version auszuwählen. Statt dessen wurde ein Text aus drei Versionen erstellt und die verworfenen Varianten jeweils im Apparat aufgeführt.

Zwei der Überlieferungen1) weisen die Grabschrift einem Hermann Meuschen zu, da dieser Familienname in Osnabrück geläufiger war. Die dritte Überlieferung2) gibt den Familiennamen überhaupt nicht wieder. Die in der Inschrift genannten Daten erlauben jedoch eine eindeutige Identifizierung des Verstorbenen mit dem bischöflichen Kanzler Hermann Heuschen.

  1. Praeclarissimo viro Domino Hermanno Heuschena) Othmersib) in Twentia praestantissimis parentibus nato et post tritasc) triviales scholas visitasque universitates primum Rostochii ac Marburgd), ad viadrume) inde Lovaniif), mox iterum, prius tamen variis regionibus peragratisg), Rostochii ibidemque in publicum Legumh) Professorem ac continuo ini) Utriusque iuris doctorem promoto et paulo postj) dehinc in Consiliarium a comitibus de Bentheim, Hoja et Rethberg posteak) verol) ab illustrissimo Principe Johanne episcopo Monasteriensi in Consiliarium et post eius obitum sede vacante a capitulo domim) etn) constitutis dioeceseos Monasteriensis gubernatoribus electo, tandem ab illustrissimo duce Saxoniae Hinrico Archiepiscopo Bremensi administratore Osnabrugensi advocatoo) nec non in Osnabrugensem Cancellarium adscitop) comitiqueq) in Diepholt a Consiliisr) usques) dum vixit [ . . . ]t) complurimis laudabilissime gestis, ac cum depravatam iudiciorumu) in diocesi Osnabrugensi procedendi rationem reformare coepisset statibusque ex mandato principis iam partem aliquam exhibuisset subditorum concordiae studiosissimov) in eodem suo Cancellariatu A(nn)o 1581 Die 31. Augusti. Hoc quod infra scriptum est Iobi dictum saepius pronunciatow) atque ita vita defuncto marito et parenti uxor et liberi moestissimix).Scio quod redemtor meus vivit et in novissimo die de terra surrecturus sum et rursus circumdabor pelle mea, et in carne mea videbo deum, quem visurus sum ego ipse et oculi mei conspecturi sunt et non aliusy). Iobi XIX3) A(nn)o 1584.

Übersetzung:

Dem hochberühmten Mann, Herrn Hermann Heuschen aus Ootmersen in Twente. Er stammte von hervorragenden Eltern ab, besuchte die Trivialschulen und die Universitäten, zunächst in Rostock und Marburg, (dann in Frankfurt) an der Oder, darauf in Löwen, bald darauf wiederum, nachdem er allerdings vorher verschiedene Regionen durchwandert hatte, in Rostock und wurde dort zum Professor des öffentlichen Rechts und im Anschluß daran zum Doktor beider Rechte promoviert und wenig später darauf von den Grafen von Bentheim, Hoya und Rietberg, danach aber von dem hochberühmten Fürsten Johann, Bischof von Münster, zum Rat erwählt und nach dessen Tod während der Vakanz des Bischofssitzes von dem Domkapitel und den eingesetzten Regierenden der Münsterischen Diözese erwählt. Schließlich wurde er von dem hochberühmten Herzog Heinrich von Sachsen, Erzbischof zu Bremen und Administrator zu Osnabrück, berufen, zum Osnabrückischen Kanzler bestellt und zum Rat für den Grafen von Diepholz ernannt, und nachdem er zeit seines Lebens zahlreiche Aufgaben aufs löblichste erfüllt hatte und als er gerade begonnen hatte, die darniederliegende Gerichtsprozeßordnung in der Diözese Osnabrück zu reformieren und als er auf Geheiß des Fürsten den Ständen schon einenTeil der concordia subditorum vorgelegt hatte, starb er in eben diesen von ihm sehr eifrig versehenen Amt als Kanzler am 31. August im Jahr 1581, nachdem er mehrfach die unten erwähnten Worte Hiobs ausgesprochen hatte. Ihm, dem Gatten und Vater, widmen dies die Gattin und die Kinder in tiefster Trauer.

Ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und ich werde am jüngsten Tag aus der Erde auferweckt und von neuem mit meiner Haut umgeben und werde in meinem Fleisch Gott sehen, den ich selbst sehen werde und meine Augen sehen werden und kein anderer.

Kommentar

Die ersten Studienaufenthalte Hermann Heuschens in Rostock und Marburg sind nicht nachzuweisen. 1535 immatrikulierte er sich an der Universität Frankfurt an der Oder4), unter dem Jahr 1557 enthält die Matrikel der Universität Rostock den Eintrag: Hermann Husekenn postea promotus doctorem5). Die Inschrift überliefert in diesem Fall weit mehr Angaben zur Biographie des Verstorbenen als andere verfügbare Quellen. Die Bestallungsurkunde Heuschens als Osnabrücker Kanzler wurde am 21. Juni 1576 ausgefertigt6). Bei der in der Inschrift erwähnten concordia subditorum wird es sich um eine den Ständen vorgelegte Denkschrift gehandelt haben, die vermutlich im Zusammenhang mit der Gerichtsreform stand. Die von Heuschen eingeleitete Gerichtsreform geriet zunächst ins Stocken7), durchgreifend verändert wurde das Gerichtswesen des Hochstifts erst unter Kanzler Gotthard Fürstenberg (vgl. Nr. 209).

Textkritischer Apparat

  1. Heuschen] Meuschen Sammlung C und D, Lücke in Sammlung B.
  2. Othmersi] fehlt in Sammlung B.
  3. tritas] fehlt in Sammlung B.
  4. Marburg] Lücke in Sammlung B.
  5. viadrum] nur in Sammlung B. Alle anderen Überlieferungen weisen hier eine Lücke auf. Wahrscheinlich ist auch die Version der Sammlung B unvollständig, da die Ortsangabe Frankfurt fehlt.
  6. Die Lücke in den Sammlungen C und D schließt Lovanii noch ein.
  7. peragratis] peregrinatis Sammlung D.
  8. publicum Legum] Sammlung C und D weisen hier eine Lücke auf.
  9. continuo in] Lücke in Sammlung C und D.
  10. promoto et paulo post] Lücke in Sammlung C und D.
  11. Hoja .... postea] Lücke in Sammlung C und D, beide Überlieferungen setzen beim letzen Buchstaben von postea wieder ein.
  12. vero] viro Sammlung C und D; vera Sammlung B.
  13. domi] uni Sammlung B, die Sammlungen C und D weisen hier eine Lücke auf. Die vorgenommene Emendation muß zweifelhaft bleiben.
  14. et] ex Sammlung B, Lücke in Sammlung C und D einschließlich des folgenden constitutis.
  15. advocato] avocato Sammlung B.
  16. adscito] Lücke in Sammlung C und D.
  17. comitique] comitis Sammlung C und D.
  18. Consiliis] consilio Sammlung D.
  19. usque] atque Sammlung B.
  20. vixit [ . . . ]] existenti Sammlung B.
  21. iudiciorum] rudiorum Sammlung C; rudiorem Sammlung D.
  22. subditorum ... studiosissimo] Lücke in Sammlung C und D.
  23. Anno ... pronunciato] Lücke in Sammlung C; pronunciato] Lücke in Sammlung D.
  24. marito .... moestissimi] Lücke in Sammlung C und D.
  25. et in novissimo ... alius] Lücke in Sammlung C und D.

Anmerkungen

  1. Sammlung C und D.
  2. Sammlung B.
  3. Iob 19,25–27.
  4. Matrikel Frankfurt, Bd. 1, S. 192, 92.
  5. Matrikel Rostock, Bd. 2, S. 134 b.
  6. Gedr. bei Heinrich Rehker, Die landesherrlichen Verwaltungsbehörden im Bistum Osnabrück 1553–1661, in: OM 30, 1905, S. 75–78.
  7. Stüve, Hochstift, Bd. 2, S. 265f.

Nachweise

  1. Sammlung C, Nr. IV.
  2. Sammlung D, Nr. IV.
  3. Sammlung B, S. 149, Nr. IV.

Zitierhinweis:
DI 26, Stadt Osnabrück, Nr. 149† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di026g003k0014905.