Inschriftenkatalog: Odenwaldkreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 63: Odenwaldkreis (2005)
Nr. 294 Sandbach (Breuberg), Evangelische Kirche nach 1611 – vor 1636
Beschreibung
Grabplatte des Gottfried Georg Cuno. Die Platte aus rotem Sandstein liegt heute im Boden des Turmerdgeschosses vor der Tür zum Langhaus. Die zeilenweise angebrachte Inschrift ist so stark abgetreten, daß nur noch geringe Reste lesbar sind.
Maße: H. 178, B. 77, Bu. 5–6,5 cm.
Schriftart(en): Kapitalis.
QVOD / L(IBERALISSIMIS)a) LEOSTENIO-WERTH(EMIACIS) C(OMITIBVS)b) / [– – – DY]NASTIAE / [– – –]FECTVS / [– – –]DELIS / [..]OFREDVS GEORGIVS / CVNO IVRIS V(TRIVSQVE) DO[C]T[OR] / DE · TERRA HAV[.. / – – –]TR[.]V[..]T LA[...]L[.] / [– – –] / [– – –] ANNO / [– – –] / [– – –] / [– – –] ET / [– – –] COELESTE
Textkritischer Apparat
- Kürzung LL.
- Kürzung CC.
Anmerkungen
- Für die gewählte Auflösung der Kürzungen konnte kein Parallelbeleg ermittelt werden.
- Vgl. Europ. Stammtafeln NF V, Taf. 65.
- Ehmer, Grafschaft Wertheim 118 – 125.
- Ehmer, Grafschaft Wertheim 133 – 135.
- Vgl. Kleberger, Territorialgeschichte 93; Weber, Breuberg und seine Besitzer 70 – 72.
- Ehmer, Grafschaft Wertheim 157.
Zitierhinweis:
DI 63, Odenwaldkreis, Nr. 294 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di063mz09k0029400.
Kommentar
Die Kapitalis zeigt ausgewogene Proportionen. Die Bögen weisen deutliche Verstärkungen auf, und die Schaft- und Balkenenden tragen kleine, aber deutliche Sporen. Linksschrägenverstärkung ist nicht erkennbar. Das O ist leicht spitz, und das R trägt eine geschwungene Cauda. Das Schriftbild zeigt somit die Erscheinungsform einer Kapitalis, wie sie in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gebräuchlich war.
Wenn die Kürzungen LL und CC in der zweiten Zeile der Inschrift richtig aufgelöst wurden,1) könnte sie sich auf die Grafen Wolfgang Ernst († 1636) und Johann Dietrich († 1644) von Löwenstein beziehen,2) da ja von mehreren Grafen die Rede ist. Nach dem Tode Graf Michaels III. von Wertheim (Nr. 152) 1556 fiel die Herrschaft Breuberg an die Grafen von Erbach und an Graf Ludwig von Stolberg-Königstein, der auch die übrige Grafschaft Wertheim fast vollständig erbte.3) Als Ludwig 1574 ohne männliche Erben starb, ging sein Anteil über seine drei Erbtöchter an Graf Philipp II. von Eberstein, Graf Dietrich VI. von Manderscheid und Graf Ludwig III. von Löwenstein. Diese versuchten zunächst, die Grafschaft gemeinsam zu regieren, und einigten sich 1576 auf eine jährlich wechselnde Gesamtregierung. 1580 entschloß man sich dann zur Teilung der Grafschaft mit wechselnder Regierung. Dabei erhielt Löwenstein zunächst die Ämter Breuberg und Freudenberg, die von 1584 bis 1591 dann von Manderscheid regiert wurden. Der schon längere Zeit erkrankte Philipp von Eberstein schied aus dieser Regelung allerdings aus, und 1587 sah sich seine Frau Katharina gezwungen, ihren Anteil an dem wertheimischen Erbe gegen eine jährliche Zahlung an die beiden anderen Teilhaber zu übergeben. Diese tauschten für die Jahre 1591 und 1593 ihre Teile erneut. Nach dem Tode Dietrichs von Manderscheid 1593 heiratete seine Witwe den Freiherrn Wilhelm von Kriechingen, der sich nicht an die Erbregelungen halten wollte, weshalb ihm Ludwig III. von Löwenstein die Mitregierung verweigerte.4) Um die Auseinandersetzungen zu beendigen, übernahm Graf Ludwig von Löwenstein 1598 durch Kauf und Verträge den gesamten ehemaligen stolberg-königsteinschen Anteil an der Herrschaft Breuberg.5) In dem Teilungsvertrag, den die vier Söhne Ludwigs am 29. Juli 1611 abschlossen, wurde die Herrschaft Breuberg Wolfgang Ernst und Johann Dietrich gemeinsam zugewiesen.6)
Der auf der Platte genannte Gottfried Georg Cuno ließ sich nicht identifizieren. Da er aber als Doktor beider Rechte bezeichnet wird und das FECTVS am Ende der vierten Zeile wohl zu PRAEFECTVS ergänzt werden kann, handelt es sich vermutlich um einen löwensteinischen Amtmann, der unter Wolfgang Ernst und Johann Dietrich von Löwenstein als Amtmann in der Herrschaft Breuberg tätig war. In diesem Fall kann die Platte erst nach 1611 entstanden sein. Vermutlich starb Gottfried Georg Cuno noch vor 1636, denn die erste Zeile der Inschrift bezieht sich offenbar auf beide Grafen, und dies scheint nur sinnvoll, solange sie noch beide lebten.