Inschriftenkatalog: Odenwaldkreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 63: Odenwaldkreis (2005)
Nr. 1 Erbach, Schloß, aus Steinbach (Michelstadt), Einhards-Basilika 1119
Beschreibung
Grabplatte des Abtes Benno von Lorsch. Die Platte aus grauem Sandstein wurde Ende des 18. oder zu Beginn des 19. Jahrhunderts im zerstörten südlichen Seitenschiff der Ruine des Klosters Steinbach gefunden und später in das Erbacher Schloß verbracht, wo sie sich heute in der Einhardskapelle befindet.1) Im oberen Viertel der Platte ist die Inschrift waagerecht in einem durch Linien abgeschlossenen Schriftfeld angebracht. Als Worttrenner wurden runde Punkte verwendet. Unter der Inschrift ist in der Mitte ein Abtsstab in Ritzzeichnung dargestellt, der bis zur unteren Plattenkante durchgezogen ist. Sowohl die obere und die untere linke Ecke als auch die untere rechte Ecke der Platte sind beschädigt.
Maße: H. 186, B. 96, Bu. 3 cm.
Schriftart(en): Romanische Majuskel.
· X · K(A)L(ENDAS) MARTII · OBIIT · BENNO ABBAS
Übersetzung:
Am 10. Tag vor den Kalenden des März (20. Februar) starb der Abt Benno.
Anmerkungen
- Die Angabe von Schaefer 262, die Platte sei erst 1819 aufgefunden worden, kann nicht stimmen, da Dahl den Text 1812 zum ersten Mal edierte.
- Codex Laureshamensis I, cap. 143 a, 423; vgl. hierzu und zum Folgenden Wehlt, Reichsabtei 69; Vogtherr, Reichsabteien 105 und 181, Scholz, Lorsch 790.
- Zu Libelinus vgl. die folgende Nr.
- Codex Laureshamensis I, cap. 143 a, 423: „Qui post aliquantos annos, pro morum levitate et insolentia, fratrum ac ministerialium ac precipue Bertholfi iunioris advocati conspirantibus odiis, diruto castro Winenheim de abbatia proturbatus ...“.
- Codex Laureshamensis I, cap. 143 a, 423 f.
- Codex Laureshamensis I, cap. 143 a, 424.
- Codex Laureshamensis I, cap. 143 a, 424, Anm. 4; vgl. Wehlt, Reichsabtei 69.
- Codex Laureshamensis I, cap. 142 b, 417, Anm. 3 und 4; vgl. Scholz, Lorsch 789 f.
- Vgl. Scholz, Lorsch 790 f.
Nachweise
- Dahl, Beschreibung 295.
- Schaefer, Kdm. 261 f. mit Abb. 134.
- Codex Laureshamensis I 424, Anm. 4.
- Beeh-Lustenberger, Grabdenkmäler 273, Nr. II,1 mit Abb. Taf. 122.
Zitierhinweis:
DI 63, Odenwaldkreis, Nr. 1 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di063mz09k0000100.
Kommentar
Die Majuskel ist nicht sehr sorgfältig ausgeführt. Kennzeichen dafür sind die unregelmäßigen Buchstabenabstände sowie einzelne Merkmale der Schriftgestaltung. So befindet sich beim ersten A von ABBAS der Mittelbalken nicht wie bei den übrigen A in der Zeilenmitte, sondern darunter. Der Mittelteil des M schließt nicht direkt an die beiden äußeren Schäfte an, sondern ist durch Verbindungsstriche mit ihnen verknüpft, und das zweite N in BENNO weist einen zu tief angesetzten eingezogenen Schrägschaft auf. Im übrigen zeigt die Inschrift leicht trapezförmiges A, unziales E, M mit einem etwas unter die Mittellinie gezogenem Mittelteil sowie ein nicht mehr kreisrundes O. Das M besitzt Linksschrägenverstärkung, während alle anderen Buchstaben ohne Linksschrägen- oder Bogenverstärkungen ausgeführt sind. Die Sporen sind selten dreieckig, sondern häufiger in Form von kleinen Strichen an die Schaft- und Balkenenden gesetzt.
Vermutlich im Jahr 1111 wurde der aus dem Kloster Weißenburg im Elsaß stammende Mönch Benno von Kaiser Heinrich V. als Abt des Klosters Lorsch eingesetzt. In der Lorscher Chronik wird der Vorwurf erhoben, Benno habe sich dabei simonistischer Praktiken bedient.2) Zudem soll sein Lebenswandel sowohl bei den Mönchen als auch bei den Ministerialen Anstoß erregt haben. Als dann Libelinus, der Propst der zu Lorsch gehörenden Propstei Michelstadt, bei Heinrich V. die Zerstörung der von Benno ohne Zustimmung der Propstei auf ihrem Besitz erbauten Burg Weinheim durchsetzen konnte,3) machten sich die Gegner des Abtes diese Schwäche zunutze und vertrieben ihn unter Führung des Vogtes Berthold vermutlich im Jahr 1117.4) Benno floh nun, angeblich unter Mitnahme von Kirchenschätzen, seinerseits zum Kaiser, der in Italien weilte. Dort erlangte er die Fürsprache des Pfalzgrafen Gottfried von Calw, dem er als Gegenleistung in der folgenden Zeit sieben frei gewordene Lorscher „Vollehen“ übertrug. Nach seiner Wiedereinsetzung und der Vertreibung seiner Gegner im Konvent unternahm Benno eine Reise nach Michelstadt, um Propst Libelinus für sein Verhalten zu bestrafen. Doch nach seiner Ankunft erkrankte der Abt und starb bald darauf.5) Seine Amtszeit wird im Codex Laureshamensis mit 13 Jahren angegeben.6) Der Abtskatalog bietet entweder die Zahl 12 oder 13, doch sind die römischen Ziffern am Schluß des Eintrags verwischt.7) Sowohl im Codex als auch im Abtskatalog wird aber die Abtszeit des Hirsauer Mönchs Ermenold in Lorsch nicht gerechnet, sondern Benno folgt unmittelbar auf Abt Gebhard (1105 – 1107).8) Da weder der Lorscher Codex noch der Abtskatalog erkennen lassen, von welchem Jahr an sie das Abbatiat Bennos rechnen und die Angabe der Abtsjahre im Codex nicht immer zuverlässig ist, kann das Todesjahr Bennos nur mit Hilfe späterer Angaben erschlossen werden. Zu seinem Nachfolger wurde von Kaiser Heinrich V. Heidolf bestimmt, der jedoch wegen Simonie sofort wieder abgesetzt wurde. Anschließend verweigerte der Kaiser sechs Jahre lang die Einsetzung eines neuen Abtes, und erst 1124 erhielt Lorsch mit Hermann, dem Propst von Altenmünster, einen neuen Abt.9) Benno muß demnach am 20. Februar 1119 gestorben sein.