Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Landkreises Weilheim-Schongau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 84: Lkr. Weilheim-Schongau (2012)

Nr. 332 Steingaden, Pfarrhof 1648

Beschreibung

Votivinschrift des Jörg Weinmiller und seiner Ehefrau Katharina, sowie deren Tochter Maria auf einem Tafelbild. Im Depot. Ursprünglich in der Wallfahrtskirche Mariae Heimsuchung von Ilgen. Öl auf Holz. Im oberen Teil unter einer kleinen Madonna eine Mühle, deren quer durch das Mühlengebäude laufende Antriebswelle durch ein Wasserrad links neben dem Gebäude angetrieben wird. Im Vorraum der Mühle fleht der kniende Vater den göttlichen Beistand an, während dahinter seine von der Antriebswelle erfaßte Tochter zu sehen ist. Im unteren Teil ist auf einem eng beschriebenen Schriftfeld das Geschehen geschildert. Von oben nach unten in zwei Teile zerbrochen, heute wieder aneinandergefügt, an der Bruchstelle ist die bereits etwas verblaßte Inschrift an manchen Stellen zerstört.

Maße: H. 60 cm, B. 49 cm, Bu. 1 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

© Gerhard Klein [1/1]

  1. In dem 1648 Jar ist alhie Andacht vnd glibtshalber Erschine(n) der Erbar Jörg Weinmiller Rottgerber vnd Catharina sein Hausfraw, sambt seine(m) Döchterle Maria bey 9. Jarr alt, von Schongaw, vnd glaubwirdig / angesagt, wie sein Döcherlea) Maria so mit andere Kinder in Die Blueme(n) in den garten gange(n), vnder Dössen sie in ein Laymillb) khomen vnd [v]ber den großen welbaum oder grindel so Die Laystempfl auff / Vn Nider treibt wolten gehn, in Sollichem hiniber steigen Hat der gemelt grindl sie bey dem Rökhle erwistc) vnd daß Medle auf den grindl Nidergezogen, ihme daß gewandt auch die schnierle sambt / dem Harr ausgerisen, vnd sie der Massen Erṇẹdtd), wo ueren die HilfGottes nit so groß were, oder Niemant mer Darzukomen, het daß Medle voneinander gerisen, dan sie ihme sell nit kundt helffen, / in solichem vmb vnd vmb Hasplen Kombt dem Medle der Lin[ge A]rm Zwishen Dem grindl, Vnd stosst ihme daß bain an dem Arm gantz ab, vnd der Arm Den gantzen baum und waser gestölt / Hat, Secht wunder wie ein Kindt, Daß Doch Daß Waser so [v]il vnd starckh ist, daß ein man Kaum oder gar nit khundt erHöben, in dem Heren dieandere Kinder, daß Medle schreyen, gehn zue / ihr hinein, vnd sehen sie laider auf dem grindl Ligen, gehet also ihr Briederle Namen Michael so 5. Jar alt Heim vnd sagt Vatter daß marile bliet, es kan nimer schreyen, der vatter gehet / gleich, Doch fiel im nichts solliches ein. Kombt in die Lay[mill n]ein vnd sicht sein Liebts Kindt also öllent vnd erbärmlich dalige(n) vermaint es wer schon gleich Todt, in solichem Hertzen Lai=/dt földt der Vatter auf seine Knie Nide[r], het anderst kein Hilf, Soldte er, Vmb Leit gehn forchte er, daß Kindt wurdt im d[er]weil gar auff dem grindl sterben, Ruefft derowögen an die Hilff / Vnd beystandt der aller Heiligisten Jungfrauen Maria mit schreien Vn(d) wainen auf dem zḷịgen, vnd verspricht daß Kind mit einer H(eiligen) Mösß, gebet Vnd wunder Zaichen mallen zlassen, Bitet die / Muetter Gottes mit Wainen so Eifferig Vnd inbrinstig, sie solte ihme nur Daß Kind lebentig von dem vmblauffeten Baum herabkom(m)en lassen, Damit ers Doch Lebentig kindt heimbringen, in dem Viel=/l im ein, Laufft hinauß daß Wasser abZukeren von dem Rad[t, ge]het widerumb hinein steiget Iber sein Kindt hinibert, Vnd Nimbt ein Dremel, Bewögt Den grindl iber sich, in sollichem gewindt Daß / Radt auch der Baum oder grindl von dem Arm sein Lufft, Dann die Taufflen waren voller wasser, geht also widervmb sambt dem Kindt schlögt ihme sein Köpfle vnd glider allenthalben an, daß / daß Bluet herab Run, alßdan Lest er daß Kindt herab nimbts aller Bluetig auf seinen Arm, an dem heimwög aber Trestet Das Kindt seinen vatter er solle nit also trawern vnd thuen, es sey ihr nichts / vnser Fraw hab ihr schon geholfen, gen also gar heim Jedermo Laufft Zu wer es sicht, Bitten alle Gott Daß er Daß Kindt balt ab seiner Marter Erlödige(n) wölle, Vermaindte es wer alle fierdtel stundt / ein Endt mit ihr Nemen, Die muett(er) es schier nimer gekendt hat, Dan ihr angsicht gantz schwartz blabe) vnd verschwollen war, auch ihre Augen Bluet Rott, vnd ihr fir daß gsicht heraußgange(n) / wie ein grosse welshe Nuss, am Leib vnd glider war es allenthalben Blabe) Vnd geschirpft, also daß es schier kainem menshen gleichete, doch war die Zuflucht vn(d) Vertrauen alzeit Zu der Nothelffer=/[i]n vn(d) Muetter Gottes Maria vnd beuelchens Gott, s[ec]ht wunder Daß Kind wurdt in kurtzer Zeit gleich alle stundt Bösser, isst vnd trinckht Balt darnach wie Vor, Man frage sie wan man / wolt, ob ihr nichts wee thet sie antwortet alZeit Nain, ist also widerumb in . 4 . Wochen so woll Der Arm als sunst so frisch Haeil vnd gsundt worten, daß sich Jederman Verwundert der / Ṿạtter sambt dem Kindt, Haben daß glibt selbst gleich verricht, auch die Zuzuigen sein die Erbare Hans Staiger Erhart schilging acob seph Hanß schalck alle Burger alda, die Solliches / Bekennen vnd sagen Daß disem alṣọ seyf).

Kommentar

Über den Rotgerber Jörg Weinmüller und seine Ehefrau Katharina ist sonst nichts bekannt. Der geschilderte Unfall in einer Lohmühle, also einer Mühle zur Herstellung der Gerberlohe, stimmt mit dem Beruf des Vaters der Verunglückten, eines Rot- bzw. Lohgerbers überein. Von den genannten Zeugen dürfte Hans Staiger der in Schongau weitverbreiteten Familie Staiger angehören, die dort häufig in den Pfarrmatrikeln genannt wird1). Über die übrigen Zeugen ist nichts bekannt. Der Maler dieses Votivbildes ist aufgrund des gleichen Malstils und der identischen Schrift mit dem Schongauer Maler Matthias Augustin identisch, der das signierte Gemälde von der Geiselnahme Schongauer Bürger am 26. November 1646 geschaffen hat2).

Textkritischer Apparat

  1. Sic!
  2. Sic, mutmaßlich für Lohmühle.
  3. Sic, für erwischt.
  4. Verderbt.
  5. Sic, für blau.
  6. Letzte Zeile in der Mitte mit verkleinerter Schrift.

Anmerkungen

  1. Vgl. Nr. 296, Nr. 331; Schmidbauer/Blaschke, Epitaphien 50–52.
  2. Vgl. Nr. 331.

Zitierhinweis:
DI 84, Lkr. Weilheim-Schongau, Nr. 332 (Manfred Merk), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di084m015k0033201.