Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Landkreises Weilheim-Schongau
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 84: Lkr. Weilheim-Schongau (2012)
Nr. 237 Schongau, Friedhofskirche St. Sebastian 1608
Beschreibung
Wappengrabplatte für Paul Reichel und seine Frau. Innen, an der Nordwand des Chores. Hochrechteckige Platte. Oben, unter einem mit Beschlagwerk und Fruchtgirlanden verzierten Bogen zwei Vollwappen. Darunter in Rollwerkrahmen mit vegetabilen Elementen Schriftplatte. Der obere Teil des Textes umfaßt die deutsche Sterbeinschrift (I), darunter schließt eine lateinische Fürbitte (II) an. Am unteren Rand auf dem Rollwerkornament in der Mitte Signatur (III). Der Sandstein ist nur im oberen Drittel gut erhalten. Der übrige Teil ist größtenteils abgewittert.
Maße: H. 210 cm, B. 105 cm, Bu. 3,5 cm.
Schriftart(en): Fraktur.
- I.
--- / sta]rba) der E[r---] Paulus Reich[el / des] Rath[---]nd Stainhauer Alh[ie / ---] Anno 16[⟨11⟩ de]n ⟨29. Au[---⟩ / star]b Die Eh[---]hafft Fraw [---/---] Hausfraw denen / [---] fridens v[---/---] Welle Verleichen Amen
- II.
---] fideliu(m) Defunctoru(m) / [---]que In Christo Quiescentibus / [Ies]u Domine Dona / [E]is Requiem · Amen · / · 1608b) ·
- III.
I Sc)
Übersetzung:
… der gläubigen Verstorbenen ... und den in Christus Ruhenden, Herr, Jesus, gib ihnen die (ewige) Ruhe. Amen. (II)
Bibel- und Schriftstellerzitat(e):
- Nach der Totenliturgie. (II)
Reichel1), Höldrich2). |
Textkritischer Apparat
- In der ersten Zeile an wenigen Stellen Schaftreste erkennbar.
- In etwas verkleinerter Schrift; letzte drei Zeilen zentriert.
- I und S verschränkt, daher vielleicht auch S I.
Anmerkungen
- Wappenbild erloschen, Oberwappen: zwischen Büffelhörnern ein Wachsender Löwe, ein Gefäß in den Pranken.
- Bg7 9, Stammwappen.
- Zu möglichen Vorfahren vgl. Dußler, Paul Reichel 62.
- Vgl. Dußler, Paul Reichel 62f., Schmidbauer/Haslinger, Epitaphien 44–45.
- Thieme/Becker, Künstlerlexikon 27, 105ff.; Hofmann, Geschichte Schongau 60; Schmidbauer/Haslinger, Epitaphien 46.
- Vgl. Nr. 197.
- Vgl. Nr. 174. Vgl. auch Dußler, Paul Reichel 64 und Schmidbauer/Haslinger, Epitaphien 45.
- Vgl. auch Hofmann, Geschichte Schongau 60; Dußler, Paul Reichel 63–65 dort zum Röhrenbrunnen in Kaufbeuren und weiteren Arbeiten in Innsbruck und München; Schmidbauer/Haslinger, Epitaphien 46. Vgl. auch das signierte Grabmal des Arztes Cyriacus Weber in der Pfarrkirche von Landsberg am Lech (1575), vgl. Kdm NF 3 (Landsberg 2) 179–181.
- Vgl. zu Jakob Schmaler: Thieme/Becker, Künstlerlexikon 30, 126; Kdm NF 2 (Landsberg 1) 107 (zum Nachweis in Landsberg); zu den Werken in Landsberg: Kdm NF 3 (Landsberg 2) 160 (Kanzelgesprenge), 185 (Grabplatte für Wolfgang Hofstetter + 1604 mit Initialen IS), 190 (Grabplatte für Wolfgang Weingartner + 1607 mit Intialen IS), 194 (Epitaph für Wilhelm Propst + 1609, zugeschrieben).
Nachweise
- Kdm OBB II (Schongau) 597; Schmidbauer/Haslinger, Epitaphien 43; DiB I,23 (Weilheim-Schongau) 393f. (mit Abb.).
Zitierhinweis:
DI 84, Lkr. Weilheim-Schongau, Nr. 237 (Manfred Merk), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di084m015k0023701.
Kommentar
Zur Schrift vgl. Einleitungskapitel LI und LVI.
Zu Paul Reichel fehlen Angaben zu Geburtsjahr und Geburtsort3). Er wird erstmals 1560 erwähnt, als er als Bürger in Schongau aufgenommen wird. Anlaß der Bürgeraufnahme war vermutlich die Eheschließung mit Elisabeth, Tochter des Schongauer Bürgers Martin Höldrich und seiner Ehefrau Barbara, geb. Weiß. Jedenfalls wird Reichel als Tochtermann des Höldrich bezeichnet, als Beruf wird Kistler genannt. Paul und Elisabeth hatten nachweislich eine Tochter Katharina (?), die 1591 den Goldschmied Archatz Schnitzer ehelichte. Auch der Bildhauer Hans Reichel (Reichle) (geb. in Schongau um 1570, gest. in Brixen 1642), der in Florenz, Augsburg und München tätig war, war höchstwahrscheinlich ihr Sohn4). 1589, 1590 und 1598 wird Paul Reichel als Ratsmitglied erwähnt, hierbei wird er als Steinmetz bezeichnet, er hatte seinen Arbeitschwerpunkt also wohl verändert5). Von ihm befindet sich im Stadtmuseum Schongau eine 1594 geschaffene Tischplatte, welche mit kunstvollen Intarsien versehen ist6). Er gilt als Schöpfer des Epitaphs von Bürgermeister Augustin Stattmiller an der Südseite der Stadtpfarrkirche Mariae Himmelfahrt in Schongau7). Außerhalb von Schongau arbeitete er auch als Steinmetz und als Brunnensetzer8).
Das Sterbejahr von Paul Reichel ist nicht bekannt. Auf dem Grabmal ist die Zahl unleserlich. Die Ehefrau Elisabeth starb am 29. August 1611. Das Datum auf der Platte ist erkennbar nachgetragen.
Die Initialen des Bildhauers I S finden sich auch auf einigen Werken in Landsberg am Lech. Hier werden diese Initialen dem Bildhauer Jakob Schmaler zugewiesen. Schmaler stammte aus Überlingen bzw. war später in Überlingen (wieder) ansässig und ist in Landsberg 1605 und 1608 in Kirchenrechnungen nachweisbar9).