Inschriftenkatalog: Passau II (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 101: Landkreis Passau II (2018)

Nr. 345 Uttigkofen, Gde. Aldersbach, Pfk. Mariä Himmelfahrt vor 1617

Beschreibung

Sterbeinschrift für Wolf Friedrich von Closen zu Haidenburg und seine Ehefrau Barbara, geb. Nothafft von Wernberg, auf einem Wandgrabmal. Innen, im Chor, an der Nordwand. Fünfteiliger Aufbau aus Aufsatz, Gebälk, Hauptzone mit Seitenhängen, Sockelzone, und Unterhang. Aufsatz mit Volutenrahmen, darin Reliefmedaillon in Früchtekranz Gottvater, links und rechts davon Engelsköpfe; darüber Medaillon im Strahlenkranz Jesusmonogramm in Form des Jesuitenordens (I), links und rechts des Aufsatzes je eine mit Stabwerkkandelabern verzierte Pyramide auf mit Engelskopf verziertem Podest. Darunter Gebälk, im Fries querrechteckige halbrund abgeschlossene Platte ohne Inschrift eingelegt. In der Hauptzone Relief zwischen mit Ahnenprobe belegten Halbpilastern, links und rechts ergänzt durch Seitenhänge. Zentrales Relief: Darstellung der Allegorie des Miles Christianus. Oben himmlische Sphäre: in der Mitte der auferstandene Christus in einem Wolkenkranz von Engeln umgeben, die die Arma Christi halten. Christus mit der Siegesfahne in der Rechten, mit der Linken eine Krone über den Miles Christianus haltend. Zu seinen Füßen die Heiliggeisttaube im Strahlenkranz, unter dem Wolkenkranz zwei Schriftbänder mit Bibelvers (II). Unten irdische Sphäre: der Miles christianus im Kampf gegen die Mächte der Finsternis: in der Bildmitte, auf einem steinernen Podest (Altar?) mit Inschrift (III) stehend der Miles christanus in antikisierender Rüstung, Sandalen, Brustharnisch und Helm, in der Linken einen Schild mit Inschrift (IV) haltend, oben auf dem Schild eine Flamme, in der Rechten hielt der Miles ein Schwert, das heute fehlt1). Auf Höhe des Miles, hinter ihm, drei weibliche Figuren, die vorderste mit Kelch und Kreuz, die hinterste mit einem nackten Kind auf dem Arm, die mittlere die hintere anblickend, vielleicht die Personifikationen von Fides, Spes und Caritas. Vor und hinter dem Podest drei männliche Figuren, auf Grund der Gestaltung wohl Apostel, Petrus, Johannes und Paulus oder Jakobus d. Ältere. Auf der rechten Bildseite, direkt dem Miles gegenüber, drei Teufel, der vorderste mit einer Fakel, die er gegen den Miles schwingt, der zweite mit einem Speer, eine liegende nackte männliche Figur (vielleicht Adam oder der Sünder) bedrohend, der hintere mit einem Fuß auf einem Reichsapfel stehend, eine Flamme in den Händen, darüber ein eine Sense schwingendes Skelett. Unter den Teufeln Seelen im Fegefeuer, in dem sich Schlangen winden. Relief von Pilastern gerahmt, an den Pilastern Ahnenprobe mit Wappenbeischriften (V), außen Seitenhänge mit Voluten und betenden Engel in Halbfigur. In der Sockelzone Relief Darstellung der Familie der Verstorbenen, in der Mitte ein Kruzifix, links der Verstorbene im Harnisch, der vor ihm liegende Helm ausgebrochen, vor ihm neun Söhne, rechts die Verstorbene, vor ihr sechs Töchter, alle kniend, der Vater und die älteren Söhne mit Zehnern, die Mutter und die Töchter mit Rosenkränzen, der dritte und fünfte Sohn durch Kreuze über dem Haupt als verstorben gekennzeichnet, ebenso die jüngste Tochter. An den Postamenten Vollwappen der Verstorbenen; unter dem Gesims Unterhang in Volutenrahmen mit Sterbeinschrift (VI), unten am Rahmen sowie an den Konsolen Maskarons. Kalkstein und schwarzer Schiefer, farbig gefasst. Die Fassung vermutlich im Zuge von Restaurierungsmaßnahmen teilweise erneuert.

Maße: H. (Schrifttafel VI) 41 cm, B. (Schrifttafel VI) 93,5 cm, Bu. 2,3 cm (VI).

Schriftart(en): Kapitalis (I, II, III, IV), Fraktur (V, VI).

© BAdW München, Inschriftenprojekt [1/10]

  1. I.

    IE(SV)Sa)

  2. II.

    VENITEb) BENEDICT(I)c) // ITE MALEDICTI

  3. III.

    PETRAb) CHRISTVSb)

  4. IV.

    FI//DESd)

  5. V. Wappenbeischriften:

    Bappenheim2) Wispeckh3) 
    Fraunberg4) Schmihen5) 
    Fraunhouen6) Erlbeckh7) 
    Thumberg8) Camer9) 
    Nothafft10) Khindtsperg11) 
    Nusperg12) Laiming13) 
    Waldburg14) Fraunberg4) 
    Eüraspurg15) Notthafft10) 

  6. VI.

    Anno Dom(ini) 16<17> den <8 Sebtem(b)er> ist in Gott / Entschlaffen Der Edl Herr Wolff Friderich von Closen / zu Haidenburg, vnd Hindterholtzen auf Wackherstain vnd Etling / Erblandt Marschalckh in Nidern Bayrn vnd Dessen geliebte Fraw, / die Edl, vnd Erntugenreiche) Fraw, Barbara von Closen geborne Nothafftin von / Wernberg zum Wackherstain vnd Etling, <welche den 9. februari ano ∙ 1 ∙ 6 ∙ 19>f) / von Disen zergenkhligen zu Dem Ewigen leben verschieden, Welche beede, / Jnnen zu Ewiger gedechtnuß vorderist Gott zu lob dis EPITAPHIVMg) / Machen aufrichten vnd verferttigen lassen, der Allmechtig welle Dennen, / vnd allen Christglaubig Seelen gnedig vnd Barmhertzig sein Amen

Übersetzung:

Kommt ihr Seligen, geht ihr Verdammten! (II)

Bibel- und Schriftstellerzitat(e):

    Nach Mt 25, 34 und 41. (II)
Wappen:
Closen16), Nothafft/Wispeck17).

Kommentar

Die Darstellung der Hauptzone zeigt die im 16. und 17. Jahrhundert beliebte Allegorie des Miles Christianus, der gegen die Mächte der Unterwelt kämpft18).

Die Ahnenreihen auf dem Epitaph sind mit den Vorfahren, wie sie die Genealogien der Closen und Nothafft anführen, nicht in sinnvolle Übereinstimmung zu bringen. Dass Steinmetz bzw. Auftraggeber des Denkmals Probleme mit der Umsetzung des genealogischen Konzepts hatten, wird schon offensichtlich, da abweichend von der gängigen Achtahnenprobe als erstes Wappen der Ahnenreihe nicht das jeweilige Wappen des Vaters des/der Verstorbenen angebracht wurde, sondern das Wappen der Mutter, was am Ende der Ahnenreihe zur Übernahme eines Wappens jenseits der Generation der Urgroßeltern führen müsste.

Wolf Friedrich von Closen zu Haidenburg und Hindterholtzen19) auf Wackerstain und Ettling20) war der zweite Sohn des Stephan von Closen und seiner zweiten Ehefrau Anna Jakoba, geb. Marschall von Pappenheim. Er studierte in Ingolstadt21). Er heiratete 1587 Barbara, die Tochter des Heinrich Nothafft zu Wernberg und der Anna, geb. Wisbeck. Sie hatten fünfzehn gemeinsame Kinder, von denen zehn das Erwachsenenalter erreichten22). Wolf Friedrich erwarb mehrere neue Güter – wohl nicht zuletzt mit Hilfe der Mitgift seiner Frau und von Erbschaften unter anderem der Freiherrn von Degenberg –, unter ihnen waren die Sitze, nach denen er sich nennt, wohl die bedeutendsten. Zudem erwarb er einen großen Jagdbann vom bayerischen Herzog23). Er wurde als Bauherr und Restaurator von Schlössern und Nutzbauten tätig (vgl. z.B. Nr. 333). Er führte verschiedene Landschaftliche Dienste aus24). Von Wolf Friedrich hat sich ein Testament erhalten25). Den Sitz Haidenburg übernahm sein jüngster Sohn Georg Ehrenreich (vgl. Nr. 392).

Textkritischer Apparat

  1. Nomen sacrum IHS.
  2. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  3. Kein I erkennbar, dafür ein Bogen aus einer Haarlinie, Kürzungszeichen?; es folgt der Wechsel von einem zum anderen Schriftband; Anfangsbuchstabe vergrößert.
  4. Wort durch Steg auf Schild unterbrochen.
  5. Sic!
  6. Dieser Nachtrag nicht eingehauen, sondern aufgemalt.
  7. Kapitalis, Anfangsbuchstabe vergrößert.

Anmerkungen

  1. Unklar ist, ob sich auf dem Schwert noch eine weitere Inschrift befand. Zu erwarten wäre im Zusammenhang mit der Miles Christianus-Allegorie die Beschriftung VERBVM DEI. Vgl. Wang, Miles Christianus 82ff.
  2. Siebmacher Bay 18, Eisenhüte in 2/3 golden statt silbern.
  3. Siebmacher BayA1 63, silberne Grundfläche heute braun.
  4. Siebmacher Bay 34, silberner Pfahl, heute braun, ebenso das Pferd.
  5. Von Gold und Rot geteilt. Das Wappen der Schmiehen ist von Silber und Blau geteilt (Siebmacher BayA1 177). Evtl. fehlerhafte Restaurierung oder Fassung.
  6. Siebmacher Bay 35, jedoch auch hier der Pfahl braun statt silbern und die Jagdhörner gleichläufig.
  7. Erlbeck von Parkstein (Siebmacher BayA1 36), heute schwarzer Wolfsrumpf in Grau.
  8. Siebmacher BayA1 186, das Wappen wird in mehreren Formen überliefert, hier: quadriert 1/4 in Braun (ursprünglich vermutlich Silber) ein roter Turm, 2/3 von Rot und Braun (ursprünglich vermutlich Silber) gespalten mit einem goldenen (Lorbeer-)Kranz.
  9. Siebmacher BayA1 45, hier die Barte abweichend in Gold mit ursprünglich wohl roter Schneide.
  10. Siebmacher Bay 49, der Balken heute grau.
  11. In Grau eine braune Spitze, ursprünglich, gemäß den anderen Tinkturveränderungen, in Blau eine silberne Spitze.
  12. Siebmacher BayA1 167, Wecken heute grau und gold.
  13. Siebmacher BayA1 18, jedoch der Balken nur einfarbig, heute schwarz.
  14. Siebmacher FStM 65ff., hier abweichend in Gold drei schwarze Löwen.
  15. Zwei gegeneinandergestellte rote Widderhörner, heute auf braunem, ursprünglich vermutlich auf silbernem Feld.
  16. Siebmacher Bay 29.
  17. Eheallianzwappen der Eltern Annas: 1/4 Nothafft Stammwappen (Siebmacher Bay Erg 7), 2/3 Wispeck (Siebmacher BayA1 63). Die Wahl dieses Wappens erklärt sich aus der Stellung Annas als Erbin des letzten des Namens und Stammens der Wispeck, ihres Bruders Georg Hektor, vgl. HAB Altbayern I, 55 (Laufen) 450, zu den Herren von Wispeck 382-384, zum Erbe Annas: Reindel-Schedl, Herren von Wispeck 276f.
  18. Prof. Dr. Albert Dietl, Regensburg, sei für seine Hinweise zur Darstellung herzlich gedankt, zur Allegorie des Miles Christianus vgl. Wang, Miles Christianus, passim.
  19. Hinterholzen = Unterholzen, Edelsitz, seit 1585 im Besitz der Closen. Heute Hinterholzen, Gde. Arnsdorf, Lkr. Rottal-Inn, vgl. HAB Altbayern I, 29 (Vilshofen) 224.
  20. Wackerstein und Ettling, Hofmarken, heute beide Gde. Pförring, Lkr. Eichstätt/OB; von Wolf Friedrich von Closen 1603 von seinem Schwager Georg Steffan Nothafft erworben. Vgl. HAB Altbayern I, 46 (Ingolstadt) 211 und Pamler, Geschichte Haidenburg 223.
  21. Pölnitz, Matrikel Ingolstadt I, 1571, 958,13.
  22. Wolfgang Sigismund, Pfleger zu Neustadt, Johann Stephan, Domherr zu Passau, Würzburg und Bamberg, Christoph Emmeram, Johann Heinrich und Georg Ehrenreich (vgl. Nr. 392), Maria Magdalena, verh. Edlweck, (E)leonore, verh. mit Wolf Wilhelm Lösch (vgl. Nr. 349), Sidonia, verh. Leonrod, Barbara und Scholastika, eine von den beiden letzten, verh. Lung von Tandern. Vgl. Krick, Stammtafeln Nr. 27 E und Pamler, Geschichte Haidenburg 227f.
  23. Vgl. Pamler, Geschichte Haidenburg 226.
  24. Vgl. Kummer, Landstände 220.
  25. StA Landshut, Schlossarchiv Haidenburg, Rep. 161/Haid a 192.

Nachweise

  1. Kdm NB XIV (Vilshofen) 324; Gnan, Uttigkofen 23-25 (mit Abb.).

Zitierhinweis:
DI 101, Landkreis Passau II, Nr. 345 (Ramona Baltolu / Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di101m019k0034509.