Inschriftenkatalog: Passau II (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 101: Landkreis Passau II (2018)

Nr. 327 Ortenburg, ev. Pfk. (Marktkirche) 1603

Beschreibung

Sterbeinschrift für Heinrich von Ortenburg auf einem Wandgrabmal. Innen, im Chor, an der Südwand als Gegenstück zum Denkmal des Joachim (Nr. 316). Barocker Stuckrahmen mit Wappen und Schrifttafeln. Ohrmuschelwerkförmiger Rahmen mit Aufsatz, oben in bekröntem Volutenrahmen hochoval-konvex ausgeformter Wappenschild von zwei Engeln gehalten, vor den Körpern der Engel zwei weitere Wappenkartuschen mit ebenso geformten Wappenschilden, an diesen befestigt Festons, an deren äußeren Enden zwei kleine querelliptische Wappentafeln in Ohrmuschelrahmen mit Bezeichnungen der Wappenführerinnen (II, III) hängen, die Mittelgirlande mit Fruchtgehängen und unten einem Schädel verziert, das zentrale Schriftfeld mit der Sterbeinschrift (I) in einem oben und unten spitz ein- bzw. ausgezogenen länglich herzförmigen Feld, das von einer Lorbeerleiste eingefasst ist. Das Feld zeigt im unteren Auszug ein reiches florales Ornament. Das ganze Denkmal ruht unten auf einem mit zwei leeren querelliptischen Schieferfeldern verzierten Gesims auf einer Volute. Rotmarmor (Wappen), Schiefer (Schrifttafeln), Stuck (Rahmen).

Schriftart(en): Kapitalis (I), Fraktur (II, III)1).

© BAdW München, Inschriftenprojekt [1/4]

  1. I.

    MONVMENTIa) LOCO ILLV=/STRI AC GENEROSO COMITI, HENRICO, / ANTIQVIORIS PROSAPIAE, IN ORTENBVRG ET / DOMINO IN SELDENAU etc. FRIDERICI, IV. ELE=/CTORIS PALAT(INI) TOTOS ANNOS XVI. CONSILIARIVS, / ET PRAEFECTVS PROVINCIALIS IN WALDECK, HAEC / TABULA MARMORMEAb) AFFIGEBATVR. QVI SPIRI=/TVM AETERNO NVMINI, Âc) QVO ACCEPERAT, CERTAc) / FIDE IN CHRISTVM, RESURRECTIONIS SPE FRETVS / REDDIDIT. HABUIT IN MATRIM(ONIO) GENEROSAS CON=/IVGES DUAS. QVAR(UM) PRIMA FVIT, ANNA IACOBE / FUGGERIA, EX QVA RELICTA FILIA ETIAMNVM LV=/CIA EVPHEMIA, ALTERA VERO, IOHANNETA DE WIN=/NENBURG ET BEIHELSTEIN. CUM QVA SINE EX=/EMPLO, AST IN EXEMPLUM, VIXIT. XVI. ANN(OS) EX / HAC PROGENUIT FILIAM ITIDEM VNAM, QVAE / NVNC BEATORUM FRUITUR CONSORTIO. / FILIOS AUTEM TRES, FRIDERICUM CASIMI=/RVM, IOHANNEM PHILIPPUM, ET HENRICUM, / OMNES SUPERSTITESd). / OBIIT ANNO CHRISTI. Me). DC III. / SELDENAVI. AEPUDb) NOS; CUM / VIXISSET ANNOS. XLVII.

  2. II. Wappenbeischrift:

    Anna Jacobae / Fuggerin sein Er=/ste Gemahl2)

  3. III. Wappenbeischrift:

    Johannetta Fry=/frau von Winnen=/berg vnd Beihelstein3)

Übersetzung:

An Stelle eines Denkmals: Für den erlauchten und adeligen Grafen Heinrich aus dem uralten Geschlecht Ortenburg und Herrn auf Söldenau4) et cetera, des pfälzischen Kurfürsten Friedrichs IV. im Ganzen 16 Jahre Ratgeber und Provinzialpräfekt in Waldeck wurde diese Marmortafel angebracht. Er hat seinen Geist nach dem Willen des Ewigen, von dem er ihn empfangen hat, mit dem sicheren Glauben an Christus und in der Hoffnung auf die Auferstehung vertrauensvoll zurückgegeben. Er war in der Ehe mit zwei adeligen Ehefrauen verbunden, von denen war die erste Anna Jacobäa Fugger, die ihm eine Tochter Lucia Euphemia hinterließ, die zweite aber war Johanneta von Winneberg und Beichelstein, mit welcher er ohne Beispiel, aber als ein Beispiel sechzehn Jahre lebte, auch mit ihr zeugte er eine Tochter, die jetzt die Gemeinschaft der Seligen genießt, Söhne aber drei, Friedrich Casimir, Johann Philipp und Heinrich, welche ihn alle überlebten. Er starb im Jahre Christi 1603 zu Söldenau, nahe bei uns, als er 47 Jahre gelebt hatte.

Wappen:
Ortenburg.

Kommentar

Das Denkmal für Heinrich von Ortenburg zeigt eine enge Verwandtschaft zum Wandgrabmal Joachims (vgl. Nr. 316). Dies betrifft sowohl die Wahl der Materialien und die Gestaltung der Stuckrahmen als auch Details wie das Ornament als Abschluss der Inschrift. Die Denkmäler dürften sicher aus der gleichen Werkstatt stammen. Unsicher muss bleiben, ob die Denkmäler jeweils zum Tod des Reichsgrafen oder beide zum Tod des Heinrich errichtet wurden. Auffällig ist, dass das Denkmal Heinrichs die Reichsgrafenkrone trägt, die bei Joachim nicht dargestellt wurde. Unterschiedlich ist auch der Umgang mit den Ehefrauenwappen, die bei Heinrich eigens durch Beischriften (II, III) ausgezeichnet wurden, was bei Joachim unterblieb.

Auch die Schriftgestaltung zeigt große Ähnlichkeiten, so zeigen beide Inschriften beispielsweise ausgeformte Serifen an den Schaftenden, die bei M und N auch an den oberen Enden angesetzt werden. Die beiden äußeren M-Schäfte sind senkrecht gestellt. Die Q-Cauda ist geschwungen und durchschneidet den Bogen. Die R-Cauda ist ebenfalls geschwungen und reicht an manchen Stellen unter die Grundlinie. Ein Unterschied besteht darin, dass in der Inschrift für Heinrich an einigen Stellen U verwendet wird, das bei der für Joachim keine Rolle spielt.

Heinrich VII. von Ortenburg war der Sohn Johanns III. und der Euphemia Freiin von Spaur. Er studierte in Padua und war im Gegensatz zu seinem Onkel Joachim bekennender Calvinist. Wie alle Ortenburger konnte er auf Grund des Bekenntnisses zur Reformation keine Einkünfte aus den bayerischen Lehen der Ortenburger beziehen. Heinrich ging auf Grund seines calvinistischen Bekenntnisses nach Heidelberg und trat 1586 als Rat in die Dienste des Kurfürsten Friedrich IV. Von ihm erhielt er das Amt eines Landrichters und Pflegers in Waldeck5). In Heidelberg lernte Heinrich seine erste Ehefrau Anna Jakobäa Fugger kennen, die er 1585 heiratete6). Sie verstarb jedoch bereits 1587, so dass Heinrich eine weitere Ehe mit Johanneta Freiin von Winneberg schloss. Die Besitzungen Söldenau und Saldenberg musste sich Heinrich mit seinem Onkel Ulrich III. (vgl. Nr. 296) teilen. Nach dem Tod Joachims 1600 wurde Heinrich regierender Reichsgraf. Er wurde von Kaiser Rudolf II. mit der Reichsgrafschaft belehnt, konnte die Regierung jedoch nicht antreten, da Joachim große Teile der Grafschaft seiner Ehefrau Lucia (vgl. Nr. 355) verpfändet hatte. Heinrich gelang es mit seinem Neffen Georg IV. im Gegenzug für die Zusicherung, dass der nächste Reichsgraf (also Georg) wieder zum katholischen Glauben zurückkehren werde, die Rückgabe der bayerischen Lehen von Herzog Maximilian I. zu erlangen. Ausgenommen blieb Mattigkofen, das Maximilian den Reichsgrafen abkaufte, die damit ihre Schulden weitestgehend begleichen konnten. 1603 starb Heinrich VII. auf Söldenau.

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstaben bei tragenden Worten, besonders bei Eigennamen, meist vergrößert; Schrift der ersten Zeile leicht vergrößert.
  2. Sic!
  3. A mit accentus circumflexus.
  4. Zeile zentriert; mehr Abstand zur nachfolgenden Zeile; nachfolgende Zeilen ebenfalls zentriert.
  5. Neulateinisches Zahlzeichen.

Anmerkungen

  1. Eine Aufnahme der Maße war nicht möglich.
  2. Siebmacher Bay 11.
  3. Siebmacher FstM 19.
  4. Söldenau, Hofmark im Besitz der Ortenburger Grafen. Vgl. HAB Altbayern I, 19 (Griesbach) 120, heute Söldenau, Gde. Ortenburg.
  5. Waldeck, kurpfälzisches Landgericht, heute Waldeck, Gde. Kemnath, Lkr. Tirschenreuth/OPf., vgl. HAB Altbayern I, 40 (Kemnath) 38.
  6. Anna Jakobäa war die Tochter Georgs (II.) Fugger und der Ursula von Lichtenstein, vgl. Reinhard, Augsburger Eliten Lfd. Nr. 241 (Georg (II.)), dort K3 für Anna Jakobäa.

Nachweise

  1. Kdm NB XIV (Vilshofen) 239f., Fig. 179.

Zitierhinweis:
DI 101, Landkreis Passau II, Nr. 327 (Ramona Baltolu / Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di101m019k0032701.