Inschriftenkatalog: Passau II (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 101: Landkreis Passau II (2018)

Nr. 320 Erbach, Odenwaldkreis/Hessen, Schloss 16. Jh.

Beschreibung

Beischriften zu Wappenscheiben1). Innen, sogenannter Rittersaal, Westseite, eingebaut in das Lanzettfenster WII. Ehemals mutmaßlich im Schloss Ortenburg. 19 Rundscheiben. Oben Mitte im Vierpassfeld Scheibe mit drei 1:2 gestellten Wappenschilden auf goldenem Grund ohne Beischrift (Nr. WII.1), in der ersten Reihe von oben links im Bogen Scheiben mit Vollwappen auf goldenem Grund und Umschrift (I, Nr. WII.2), rechts im Bogen Scheibe mit Vollwappen auf hellem (ursprünglich goldenem?) Grund und Umschrift ohne sinnvolle Lesung (Nr. WII.3), in der zweiten Reihe von oben links und rechts Scheibe mit Vollwappen auf hellem (ursprünglich goldenem?) Grund und Umschrift ohne sinnvolle Lesung (Nr. WII.4, 5), in der dritten Reihe von oben links Scheibe mit Vollwappen mit nach rechts geneigtem Schild vor Behang und Umschrift ohne sinnvolle Lesung (Nr. WII.6), rechts Scheibe mit Vollwappen mit nach rechts geneigtem Schild vor Behang und Umschrift (II, Nr. WII.7), in der vierten Reihe von oben links Scheibe mit zwei einander zugeneigten Wappenschilden, darüber heute leeres Schriftband, auf goldenem Grund und Umschrift ohne sinnvolle Lesung (Nr. WII.8), rechts Scheibe mit bekröntem Wappenschild vor Fries und Umschrift (III, Nr. WII.9), in der fünften Reihe von oben links Scheibe mit Vollwappen vor hellem Grund und Umschrift (IV, Nr. WII.10), rechts Scheibe mit nach links geneigtem Schild vor Behang und Umschrift (V, Nr. WII.11), in der sechsten Reihe von oben links Scheibe mit Vollwappen mit nach rechts geneigtem Schild vor Behang und Umschrift (VI, Nr. WII.12), rechts Scheibe mit Vollwappen mit nach links geneigtem Schild vor Behang und Umschrift (VII, Nr. WII.13), in der siebten Reihe von oben links Scheibe mit Vollwappen vor hellem Grund und Umschrift (VIII, Nr. WII.14), rechts Scheibe mit Vollwappen mit nach links geneigtem Schild vor Behang und Umschrift (IX, Nr. WII.15), in der achten Reihe von oben links Scheibe mit Vollwappen mit nach rechts geneigtem Schild vor Behang und Umschrift (X, Nr. WII.16), rechts Scheibe mit nach links geneigtem Wappenschild vor Behang(?) und Umschrift (XI, Nr. WII.17), in der neunten und letzten Reihe von oben links wie rechts Scheibe mit Vollwappen nach links bzw. rechts geneigtem Schild vor Behang und Umschrift ohne sinnvolle Lesung (Nr. WII.18, 19). Herkunft bzw. Zusammengehörigkeit der Scheiben unsicher, um 1805 am heutigen Standort eingebaut, restauriert.

Schriftart(en): Fraktur (I, III), Gotische Minuskel (II, V, VI, VII, IX, X, XI), Kapitalis (IV, VI, VIII).

  1. I. Scheibe WII.2

    E[u]femia ∙ Grefin zu Ortenburg ∙ geborn[e fre]ỵin zu ∙ Spaur Seinn ∙ gemahel ∙ 1571 ∙

  2. II. Scheibe WII.7

    Rapato Margraue M . CC . LIIII . zu Crayburg . Vnd Graue zu Ortenburg

  3. III. Scheibe WII.9

    Agnes Gebornne ∙ Khonigin ∙ in Vnngern Sein Gemachel ∙ Anno ∙ ∙ Dominy ∙ 13 ∙ 60

  4. IV. Scheibe WII.10

    [--- G]REFINa) ∙ ZV ∙ ORTENBVRG ∙ GEBORNE ∙ V(ON) ∙ RORBACH ∙ FREYIN ∙ ZV ∙ NENBVRGb) ∙ AM ∙ INb)

  5. V. Scheibe WII.11

    [---]a) ∙ Lantgrauinc) . zu Leuchtenberg . gräuin zu He[---]a)

  6. VI. Scheibe WII.12

    Heinrich Graue . zu Ortenburg ∙ ANNOd) M . CCCXXXV .

  7. VII. Scheibe WII.13

    Sophia Geborne . [---]e) Sein Gemahl . M . CCCXXXV .

  8. VIII. Scheibe WII.14

    [---]a) ∙ SEBASTIAN ∙ GRAF ∙ ZV ∙ ∙ ORTENBVRGc)

  9. IX. Scheibe WII.15

    [---]f) Adelhait Geborne Burggrauin zu Nürnberg[---]f)

  10. X. Scheibe WII.16

    Heinrich Graue zu Ortenburg M . CC . XXXc) .

  11. XI. Scheibe WII.17

    Richiza Geporne Marggrauin zu Hohenburg . Sein . Gemahelin M . CCXXX

Wappen:
Ortenburg (Nr. WII.1, 3, 4, 5, 14), Ortenburg Stammwappen (Nr. WII.7, 12, 16, 18, 19), Fugger (Nr. WII.1), Schenk von Limburg (Nr. WII.1), Spaur2) (Nr. WII.2), unbekannt3) (Nr. WII.6), Holup4) (Nr. WII.8), Firmian5) (Nr. WII.8), Ungarn (Nr. WII.9), Rohrbach6) (Nr. WII.10), Landgrafen von Leuchtenberg7) (Nr. WII.11), Henneberg8) (Nr. WII.13), Burggrafen zu Nürnberg9) (Nr. WII.15), Hohenburg10) (Nr. WII.17).

Kommentar

Die Scheiben wurden von Reichsgraf Joseph Carl von Ortenburg seinem Schwiegervater, Franz I. Graf von Erbach geschenkt. Franz von Erbach ließ die Scheiben um 1805 in den neuerbauten „Rittersaal“ in Schloss Erbach einbauen. In diesem Zusammenhang wurden die Scheiben durch den Erbacher Glasermeister Johann Michael Hegny in Zusammenarbeit mit dem Maler und Archivrat Christian Kehr restauriert. Eine weitere Restaurierung von Scheiben im Rittersaal ist für die 1860er Jahre nachgewiesen11). Die genaue Provenienz der Scheiben ist unklar. Sie befanden sich zur Zeit der Schenkung im Schloss Ortenburg. Ob sie ursprünglich zur Ausstattung dieses Schlosses gehörten oder aus einem der anderen Sitze der Ortenburger kamen, ist nicht mehr feststellbar. Die Scheiben gehören mindestens zu zwei Zyklen: der eine Zyklus zeigte Vollwappen in frontaler Ansicht meist auf goldenem Grund (Nr. WII.2, 3, 4, 5, 10, 14), ein zweiter Zyklus Vollwappen mit – vermutlich aus heraldischer Courtoisie – geneigten Wappenschilden vor einem Behang (Nr. WII.6, 7, 11, 12, 13, 15, 16, 17, 18, 19). Die oben mittig angebrachte Scheibe mit den Wappenschilden Joachims von Ortenburg und seiner beiden Ehefrauen, Ursula, geb. Fugger, und Lucia, geb. Limburg, (Nr. WII.1) sowie die Darstellungen der Ehefrauen Christoph von Ortenburgs (Nr. WII.7) und des ungarischen Wappens (Nr. WII.9) unterscheiden sich zusätzlich von den anderen Wappendarstellungen und sind daher wohl keinem der beiden angenommenen Zyklen zuzuordnen.

Offenbar auf Grund von Restaurierungen – mutmaßlich bereits im Zusammenhang mit der Anbringung am heutigen Standort – wurden einige der Umschriften derart verfälscht, dass auf den Scheiben zwar Buchstabenfolgen zu sehen sind, aber kein sinnvoller Text zu rekonstruieren ist. Diese Wappenscheiben – oft Ortenburg – lassen sich daher nicht zuordnen. Ebenso wurden vielleicht bei der Restaurierung der Scheiben vor dem Einbau in Erbach, vielleicht noch früher Teile vertauscht. So wird beispielsweise bei Nr. WII.11 sowohl eine Lantgrauin . zu Leuchtenberg – zu der das Wappen passt – als auch eine gräuin zu He[---] genannt. Letzteres lässt sich zu Henneberg ergänzen, wäre mit Sophia Gräfin von Henneberg-Aschach, der zweiten Ehefrau Graf Heinrichs III. von Ortenburg, zu verbinden und würde zu Scheibe Nr. WII.13 passen, wo heute eine nicht nachvollziehbare Buchstabenfolge steht. Die Landgräfin zu Leuchtenberg sollte mit Margaretha, angeblich Ehefrau des Grafen Georg von Ortenburg, identisch sein.

Die heutige Anbringung der Scheiben nimmt auf genealogische Zusammenhänge nur sehr eingeschränkt Rücksicht. So befindet sich die Wappenscheibe für Sebastian Graf von Ortenburg (Nr. WII.14) zwei Reihen unter der seiner Ehefrau Maria von Rohrbach (Nr. WII.10). In der dazwischenliegenden Reihe befindet sich das Wappen Heinrichs (III.) von Ortenburg (Nr. WII.12) und seiner ersten Ehefrau Sophia Gräfin von Henneberg (Nr. WII.13).

Euphemia Freiin von Spaur (Nr. WII.2) war die Tochter Johann Ulrichs Freiherrn von Spaur und Katharinas, geb. Freiin von Madruzzo, und war die Ehefrau Graf Johanns III. von Ortenburg. Sie heirateten 1553. Johann starb 1568, Euphemia 158112).

In der Familie Ortenburg gibt es mehrere Mitglieder mit Namen Rapoto (vgl. Nr. WII.7). Die beistehende Jahreszahl 1254 würde auf Rapoto IV. deuten, da alle anderen Namensträger bereits vor dieser Zeit verstorben sind. Allerdings steht diese Jahreszahl in der Umschrift mitten im Titel, so dass hier mutmaßlich Teile der Umschrift (von einer anderen Scheibe) vertauscht wurden. Die Angabe Margraue zu Crayburg würde für Rapoto II., der diesen Titel führte, sprechen. Er starb bereits 1231. Möglich wäre auch noch dessen Sohn, Rapoto III., der mit Adelhaid, geb. Gräfin von Zollern, einem Mitglied der damaligen Amtsinhaberfamilie des Burggrafenamts zu Nürnberg verheiratet war, die ebenfalls unter den Wappenscheiben erscheint (vgl. Nr. WII.15). Dieser starb 1248, sie starb 130413).

Agnes (die Jüngere) Gebornne ∙ Khonigin ∙ in Vnngern (Nr. WII.9) war die Tochter Agnes (der Älteren) von Schlesien-Glogau, die in erster Ehe mit Otto III. von Niederbayern, der Titularkönig von Ungarn war, und in zweiter Ehe mit Graf Alram von Hals, dem Vater Agnes (der Jüngeren), verheiratet war. Sie war nach Krick die zweite Ehefrau Graf Heinrichs III. von Ortenburg, nach Hausmann die Ehefrau Graf Heinrichs IV. Sie starb mutmaßlich 139214).

Bei der geborenen von Rohrbach handelt es sich um Maria von Rohrbach (Nr. WII.10). Sie war die Tochter Johanns von Rohrbach, Graf zu Neuburg am Inn, und der Scholastika von Weißpriach. Sie war seit 1467 mit Graf Sebastian I. von Ortenburg (vgl. Nr. WII.14) verheiratet. Sebastian war der Sohn Heinrichs V. und der Ursula, geb. Eckher von Saldenburg15).

Bei der Landgräfin von Leuchtenberg (Nr. WII.11) dürfte es sich um die (angebliche?) Ehefrau Graf Georgs von Ortenburg (E. 14./A. 15. Jh.), Margaretha, handeln. Sie wird bei Krick als seine erste Ehefrau aufgeführt, Hausmann kennt sie hingegen nicht. Als zweite Möglichkeit käme eine Elisabeth von Ortenburg in Frage, die mit einem Landgrafen von Leuchtenberg verheiratet war16). Diese Möglichkeit ist auf Grund der Wappenstellung – Wappenschild ist nach rechts gewandt; Beischrift der Frau steht normalerweise bei ihrem Familienwappen, in diesem Fall Leuchtenberg – zu vernachlässigen.

Bei dem auf der Wappenscheibe Nr. WII.12 aufgeführten Heinrich handelt es sich um Heinrich III., der zur genannten Jahreszahl 1335 belegbar ist. Er war der Sohn Rapotos IV. und der Kunigunde, geb. von Bruckberg. Für ihn spricht auch die Tatsache, dass eine seiner Ehefrauen, Sophia von Henneberg (Nr. WII.13), ebenfalls mit einer Wappenscheibe, die mit derselben Jahreszahl versehen ist, vertreten ist. Sophia war eine Tochter Heinrichs des Älteren von Henneberg-Schach und der Sophie, geb. von Käfernburg17).

Der zweite genannte Heinrich ist mit der Jahreszahl 1230 versehen (Nr. WII.16). Er ist wohl mit Heinrich I. zu identifizieren, auch wenn vom Zeitansatz her auch sein Sohn Heinrich II. möglich wäre. Für Heinrich I. spricht, dass mit der selben Jahreszahl die Wappenscheibe seiner Frau Richza, Markgräfin von Hohenburg (Nr. WII.17), versehen ist. Sie war seine zweite Ehefrau und eine Tochter Markgraf Diepolds von Hohenburg und Mathildes von Wasserburg. Sie starb 1266. Heinrich I. war der Sohn Rapotos I. und Elisabeths von Sulzbach. Er starb 124118).

Textkritischer Apparat

  1. Nicht mehr lesbare Buchstabenreste.
  2. Sic!
  3. Es folgt Rankenornament.
  4. Davor und danach Rankenornament.
  5. Nicht sinnvoll lesbare Buchstabenfolgen (Bitzlzlail Adula...).
  6. Nicht sinnvoll lesbare Buchstabenfolgen.

Anmerkungen

  1. Die heute in dem Lanzettfenster WII eingefügten Scheiben sind unabhängig davon, ob sie lesbare Inschriften tragen, durchnummeriert (WII.1-19). Für den Hinweis auf die Scheiben sei Herrn Stefan Wild, Ortenburg, herzlich gedankt.
  2. Siebmacher NÖ2 168.
  3. Schräggeteilt, vorne in Blau ein goldener Löwe, hinten in Silber zwei rote Schrägbalken.
  4. Siebmacher BayA1 147. Tinkturen bei Siebmacher nicht angegeben, hier weißer Vogel auf blauem Grund.
  5. Siebmacher Bay 10.
  6. Siebmacher OÖ 300 und 776.
  7. Siebmacher BayA1 114.
  8. Siebmacher Si2 6: hier nur 2/3.
  9. Siebmacher Si2 7.
  10. Siebmacher BayA1 102, hier abweichend von Blau, Silber und Rot geteilt, in Silber fünf 3:2 gestellte schwarze Bäumchen(?).
  11. Vgl. Hess, Modespiel 238.
  12. Vgl. hierzu Hausmann, Grafen 33 (Nr. XIV.1).
  13. Vgl. hierzu Krick, Stammtafeln Nr. 121 A und Hausmann, Grafen 21-24 (Nr. V.4, VI.3 und VI.11), zu Adelhaid ebenda 22 (Nr. VI.3); Kraiburg am Inn, Lkr. Mühldorf am Inn/OB.
  14. Vgl. hierzu Krick, Stammtafeln Nr. 121 A, Hausmann, Grafen 25 (Nr. VIII.4) und DI 67 (Stadt Passau) Nr. 111.
  15. Zu beiden vgl. Krick, Stammtafeln Nr. 121 B und Hausmann, Grafen 29 (Nr. XI.5).
  16. Zu der Ehefrau Graf Georgs vgl. Krick, Stammtafeln Nr. 121 B und Hausmann, Grafen 26 (Nr. IX.4); zu Elisabeth von Ortenburg, verh. von Leuchtenberg vgl. Krick, Stammtafeln Nr. 121 A sowie Hausmann, Grafen 23: Hausmann kennt zwei Elisabeth von Ortenburg, die mit einem Landgrafen von Leuchtenberg verheiratet waren, vgl. Nr. VI.4 und Nr. VI.6.
  17. Zu beiden vgl. Krick, Stammtafeln Nr. 121 A und Hausmann, Grafen 24 (VII.7): Krick führt Sophia als erste, Hausmann als zweite Ehefrau.
  18. Zu beiden vgl. Krick, Stammtafeln Nr. 121 A und Hausmann, Grafen 22 (V.8).

Zitierhinweis:
DI 101, Landkreis Passau II, Nr. 320 (Ramona Baltolu / Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di101m019k0032005.