Inschriftenkatalog: Passau II (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 101: Landkreis Passau II (2018)

Nr. 319(†) Ortenburg, Schloss 2. H. 16. Jh.

Beschreibung

Sprüche in Wandmalerei. Nordtrakt (Torbau), Durchfahrt zum Innenhof, Ostwand, in den Gewölbefeldern. Sechs gemalte Tafeln mit Inschriften in gemalten Rollwerkrahmen. Auf Putz aufgemalt. Malereien restauriert1): bei der ersten Tafel fehlt Rollwerk des Rahmens, Farbgebung in grau; an der zweiten Tafel zwei Malschichten sichtbar: ursprüngliche Malerei in Grautönen, Schrift etwas kleiner und schmäler, mutmaßlich restauriert, jüngere Malerei mit gleichem Text, Rahmen goldfarben, Schrift breiter; dritte Tafel in Grautönen, mutmaßlich stark erneuert bzw. ergänzt; vierte bis sechste Tafel in Goldtönen mit breiter angelegter Schrift.

Maße: H. (Schriftfeld) 45 cm, Bu. 4 cm (I), 5 cm (II, III), 6 cm (II, IV, V, VI).

Schriftart(en): Fraktur.

  1. I. Erste Tafel von Norden

    Es ist nichts fröhliches auf Erden.Es wird alles nur ärger werden.Grieg hunger Sterben und all plagWird kommen vor den jüngsten Tag.

  2. II. Zweite Tafel von Norden

    Hoffart[h auff erd nicht mag]a) bestan,Bey [hoffarth niemand wo]hnenb) kan.Der [hoffarth treibt, den nied]rigtc) gott,Die[muth Er allzeit]d) hate).

  3. III. Dritte Tafel von Norden

    Hastu vor andern glück und macht,dein hertz nach rechte tugend trachtdurch Rittersbil und manglig werklaß nicht verlirenf) deine Stärk.

  4. IV. Vierte Tafel von Norden

    Die Zeit die du verleurst mit JagnDie wirst du zwar noch schmerzlich clagnRüff laut zu gott, gar offt vnd vil,Das sey dein hundt vnd vederspilg).

  5. V. Fünfte Tafel von Norden

    Wer rhu will haben auff erden,der mag dort vnruhig werden.wilt du bey Christo Jmer sein,Richt dich eß muß gecreutzigt seing).

  6. VI. Sechste Tafel von Norden

    Nit frew dich deines feindes TodtWir müssen all zu diser Not ∙komen, da hilfft nichtsz darfürEr komt eim ieden für die Thürg)

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

Bei der Schrift sind mindestens zwei Ausprägungen zu unterscheiden. Dies geht in erster Linie auf unterschiedliche Malschichten – und somit wohl verschiedene Zeitebenen – zurück. Am besten erkennbar ist dies an der zweiten Tafel, wo beide Schichten sichtbar sind. Die jüngere Malerei greift die ältere auf, wobei sie sich nicht eins zu eins mit ihr deckt. Die Fraktur im Kontext mit der goldfarbigen Malerei ist breiter, runder und bewegter. Die Fraktur im grauen Feld ist äußerst schmal und gestreckt. Die Bögen bei a und d sind geschwungen, so auch die – eher kurzen – Oberlängen bei t, b, h. Gewisse Schriftausprägungen könnten auch auf Restauratorenhände zurückgehen. So erscheint bei besagter Tafel in der grau geprägten Malschicht z ungewöhnlich, dessen unterer Bogen gegengebogen ist und auf der Grundlinie steht. Die dritte Tafel ist mutmaßlich vollständig neu (nach-)gemalt: Eine besondere Unsicherheit in der Formenverwendung verrät d am Beginn der dritten Zeile, das eher einem doppelstöckigen gebrochenen a ähnelt, dessen oberer Bogen in die Oberlänge geführt wird.

Die Sprüche wurden also mindestens zweimal erneuert: einmal zum Zeitpunkt der jüngeren Malschicht und einmal bei einer Restaurierung in jüngerer Zeit. Dieser Befund erschwert eine genauere zeitliche Einordnung der gemalten Tafeln. Fuchs möchte sie in die Zeit Graf Joachims datieren.

Textkritischer Apparat

  1. Ergänzung in eckigen Klammern nach der älteren Malschicht; dort jedoch mehr Text sichtbar: ...ffarth auff erd nicht mag ...
  2. Ergänzung in eckigen Klammern nach der älteren Malschicht; dort jedoch mehr Text sichtbar: ...y hoffarth niemand wohnen ...
  3. Ergänzung in eckigen Klammern nach der älteren Malschicht; dort jedoch mehr Text sichtbar: ...er hoffarth treibt, den niedri...
  4. Ergänzung in eckigen Klammern nach der älteren Malschicht; dort jedoch mehr Text sichtbar: ...emuth Er allzeit hatt ...; auf der jüngeren Malschicht vor hat aht sichtbar, was nicht mit dem Wortlaut der älteren in Übereinstimmung zu bringen ist.
  5. Schellnhuber hat noch zusätzlich erhöhrt. Jeweils zweite Zeile eingerückt.
  6. verliben Schellnhuber
  7. Jeweils zweite Zeile eingerückt.

Anmerkungen

  1. Vgl. zur Restaurierung des Innenhofes Dehio NB (2008) 459: „1977-91 ... rekonstruiert“. Vgl. hierzu auch BLfD Ortsakten Ortenburg, Schloss: hieraus geht hervor, dass bei der Restaurierung des Innenhofes auch die Malereien in der Tordurchfahrt berücksichtigt wurden.

Nachweise

  1. Schmidt, Schloss Ortenburg 363 (teilweise Edition); Schellnhuber, Schloß 27f.; Fuchs, Ortenburg 17.

Zitierhinweis:
DI 101, Landkreis Passau II, Nr. 319(†) (Ramona Baltolu / Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di101m019k0031902.