Inschriftenkatalog: Passau II (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 101: Landkreis Passau II (2018)

Nr. 316 Ortenburg, ev. Pfk. (Marktkirche) 1600

Beschreibung

Sterbeinschrift für Joachim von Ortenburg auf einem Wandgrabmal. Innen, Chor, Nordwand, erstes Joch von Westen, als Gegenstück zum Grabmal für Heinrich von Ortenburg (Nr. 327). In barockem Stuckrahmen Wappen und Schrifttafeln. Volutenrahmen mit Aufsatz: in mit einer Pyramide bekröntem Volutenrahmen hochoval-konvex ausgeformter Wappenschild, auf Podest, darunter Volutenrahmen von zwei betenden Engeln bekrönt, unten links und rechts je eine Wappenkartusche, hochoval-konvex ausgeformt, im Volutenrahmen in der Mitte auf einer Sanduhr auf Totenkopf ruhend. Schrifttafel mit halbrundem oberem und unterem Abschluss in Lorbeerleiste (I). Im untersten Abschluss reiches florales Ornament. Der gesamte Aufbau ruhend auf einem Gesims auf Volute. Am Gesims querrechteckiges Schriftfeld mit halbrunden Abschlüssen (II). Schwarzer Stein (Schrifttafeln), Rotmarmor (Wappenkartuschen), Stuck (Rahmen).

Maße: H. 212 cm, B. 130 cm, Bu. 1,6 cm (I), 2 cm (II).

Schriftart(en): Kapitalis.

© BAdW München, Inschriftenprojekt [1/2]

  1. I.

    D(EO) / O(PTIMO) M(AXIMO) S(ACRVM) / IOACHIMVSa) COM(ES) IM=/PERIb) VET(ERIS) PROSAPIAE OR=/TENB(VRGICAE) NAT(VS) MATTICHOVIAE A(NN)Oc) M . D . XXX . / VI . SEPT(EMBRIS) P(AT)RE COM(ITE) CHRISTOPHORO, MATRE / ANNA FIRMIANAd) / CONIVNX PRIMA FVIT VRSVLA FVGGERIANA, QVAE / PEPERIT FILIV(M) VNICVM ANTHONIVM A(NN)Oc) M . D . L . QVI / OBIITe) A(NN)Oc) M . D . LXXIII . MAIIe) XXIII . EX QVO ET DOROTHEA CO(MITISSA) / NASSOV(IAE) VIDI NEPOTEM POSTHVMV(M) BREVISS(IMAE) VITAE . ALTERA CONIV(N)Xf) / LVCIA EX PINCERNIS HAEREDIT(ARIIS) IMPERI(I) SEMP(ER) LIBERIS LIMBVRG(IS) ME=/CVM ANNOS XXVIII CONIVNCTISS(IMA) ET OBSEQVENTISS(IMA) ORTODOXAg) / CVM ORTHODOXO VIXIT, MIHIQ(VE) TAM IN PROSPERIS QVAM ADVER=/SIS PIAR(VM) ET FIDELIVM CONIVGVM MORE INDEFESSA ADSTES FVIT / ADITIONIB(VS) MEIS EXVLIS INSTAR XXVI. ANNOS, AMORE LIB=/ERTATIS Ah) MAIORIB(VS) ACCEPTAE ET STVDIO ORTHODOXAE / RELIG(IONIS) ABFVI: FRVGALI, AT TAMEN MEAE PROSAPIAE CONVE=/NIENTI VITA CONTENT(VS) IN PVBLICIS COMITIIS S. IMPERIIe) STA=/TVVMQ(VE) DE LIBERATIONIB(VS) VNDECIES PRAESENS FVI, ET PVBLIC=/VM BONVM, QVOAD POTVI, PROMOVERE STVDVI. TANDEM / CONFECT(VS) AERVMNIS ET SENIO NORIBERGAEi) VITAE FINE(M) / CLAVSI, COMMENDANS ANIMAM MEA(M) CHR(IST)O SERVATORI / A(NN)Oc) M . DC . 19 . MARTIIe) . QVOD MORTALE FVIT, SEPVLT=/VM ORTENB(VRGO) IN MONVM(ENTO) GENTILITIO QVOD VI=/VENS MIHI CONSTRVXERAM, IN SORTE / BEATOR(VM) INTEGER MOX / RESVRRECTVRVS.

  2. II.

    INVENI PORTVM, CVRAE SENIVMQ(VE) VALETE,NIL MIHI VOBISCVMj), PLACIDA NVNC PACE QVIESCO

Übersetzung:

Gott, dem Allmächtigen und Allgütigen geweiht. Joachim, Reichsgraf, aus dem alten Geschlecht der Ortenburger, geboren zu Mattighofen2) im Jahre 1530, am 6. September, von dem Vater, Graf Christoph, und der Mutter Anna Firmian; die erste Ehefrau war Ursula Fugger, die den einzigen Sohn Anton im Jahre 1550 geboren hat, der im Jahre 1573, am 23. Mai starb, von dem und von Dorothea, Gräfin von Nassau, ich einen nachgeborenen Enkel von überaus kurzem Leben sah. Die andere Ehefrau war Lucia, von den Reichserbschenken, den Baronen von Limburg, die mit mir 28 Jahre als eine äußerst verbundene und gehorsame Rechtgläubige mit dem Rechtgläubigen lebte und mir sowohl in glücklichen als auch in widrigen (Zeiten) nach Art frommer und treuer Gemahlinnen eine unermüdliche Gefährtin war. Ich lebte in einer Art Verbannung 26 Jahre wegen der von meinen Vorfahren ererbten Liebe zur Freiheit und dem Studium des rechten Glaubens. So war ich zufrieden mit einem ärmlichen und dennoch meinem Geschlecht angemessenen Leben. Bei den öffentlichen Zusammenkünften des Hl. Reiches und der Stände über die Befreiung war ich elf Mal anwesend, und ich bemühte mich, das öffentliche Gut, soweit ich konnte, zu fördern; endlich, erschöpft von den Mühsalen und dem Alter, beschloss ich in Nürnberg das Leben, meine Seele Christus dem Heiland anvertrauend, im Jahre 1600, am 19. März. Was sterblich war, wurde in Ortenburg, in dem Familiendenkmal, das ich mir zu meinen Lebzeiten errichtete, bestattet, dem Schicksal der Seligen gemäß werde ich bald unversehrt auferstehen. (I)

Ich habe den Hafen gefunden, Sorgen und Altersschwäche lebt wohl! Nichts habe ich mehr mit euch (zu schaffen), in wohlgefälligem Frieden ruhe ich nun. (II)

Versmaß: Hexameter, als ventrini gereimt1). (II)

Wappen:
Ortenburg, Fugger, Schenk von Limburg.

Kommentar

Bei der Kapitalis handelt es sich um eine Schriftausprägung auf hohem Niveau, bei der unklassische Merkmale wie geschwungene Cauda bei R oder bei Q Teil der Stilisierung sind. Auffallend ist auch eine Art Nexus litterarum aus zwei I, der sich in der Überhöhung des Buchstabens äußert (z.B. bei MAII).

Joachim von Ortenburg ließ sich noch zu Lebzeiten ein Grabmal im Chor der Ortenburger Marktkirche errichten (vgl. Nr. 280). Das Wandgrabmal ergänzt dieses Grabmal, das nur einen äußerst kurzen Inschriftentext bietet, um die Angaben zu Joachims Biographie. Es bildet zudem ein Gegenstück zu dem Denkmal seines unmittelbaren Nachfolgers in der Reichsgrafschaft, Heinrich (VII.) (vgl. Nr. 327). Der Inschriftentext suggeriert durch die Formulierung in der ersten Person eine Beteiligung Joachims an der Schöpfung dieses Denkmals. Wahrscheinlicher ist auf Grund der Ähnlichkeit mit dem Denkmal Heinrichs eine Setzung nach Joachims Tod, vielleicht sogar erst anlässlich des Todes Heinrichs (VII.).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstaben bei Namen vergrößert.
  2. Keine Kürzung für zweites I erkennbar.
  3. O hochgestellt.
  4. Zeile zentriert.
  5. Nur ein nach oben verlängerter I-Schaft, wohl als Nexus litterarum zweier I.
  6. O in C eingestellt.
  7. -OXA in etwas kleinerer Schrift.
  8. Akzent Gravis über Buchstabe.
  9. Sic! Eine Kürzung für M fehlt.
  10. V in C eingestellt.

Anmerkungen

  1. Für Hilfen beim Identifizieren des Verses sei Herrn Dr. Ilas Bartusch, Forschungsstelle Deutsche Inschriften, Heidelberg, gedankt.
  2. Mattighofen, Pol. Bez. Braunau am Inn/OÖ.

Nachweise

  1. Mehrmann, Geschichte 99f. (dt. Übersetzung); Kdm NB XIV (Vilshofen) 238.

Zitierhinweis:
DI 101, Landkreis Passau II, Nr. 316 (Ramona Baltolu / Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di101m019k0031606.