Inschriftenkatalog: Passau II (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 101: Landkreis Passau II (2018)

Nr. 303 Hofkirchen, Pfk. Mariä Himmelfahrt 1590

Beschreibung

Sterbeinschrift für Wolf Jakob Weissenfelder auf einem Epitaph. Innen, Chor, Südwand. Vierteiliges Epitaph mit Architekturaufbau. Aufsatz Volutenrahmen mit Vollwappen; auf dem Fries des Gebälks darunter gemalte Gebetsinschrift (I), in der Hauptzone Relief unter Rundbogen, die Bogenzwickel mit rotem Stein ausgelegt, an den das Relief rahmenden Pilastern achtteilige Ahnenprobe, über jedem Wappenschild leeres Schriftband. Im Hauptfeld Relief Auferstehung Christi: in der Mitte Christus mit Siegesfahne über dem Sarkophag, von Wolken umgeben, um den Sarkophag römische Soldaten; im Sockelfeld Relief, links der Verstorbene in Prunkharnisch, auf einem Podest kniend, mit gefalteten Händen, vor ihm ein Helm, rechts eine Frau in Haube und weitem Rock, kniend, die Hände gefaltet, vor ihr ein Vollwappen; im Unterhang rechteckiges Schriftfeld, unten mit einer spitzen, passförmigen Ausbuchtung, mit Sterbeinschrift (II) zwischen mit Akanthus belegten Konsolen, der untere Rand aus Roll- und Beschlagwerk. Kalkstein mit Einlagen aus Rotmarmor (u.a. Schrifttafeln). Epitaph nur leicht beschädigt.

Maße: H. 290 cm, B. 155 cm, Bu. 3 cm.

Schriftart(en): Minuskel (I), Fraktur (II).

© BAdW München, Inschriftenprojekt [1/3]

  1. I.

    Ṣurexita) ∙ Cristus ∙ de ∙ Sepulchro ∙ Alleluiab) / Qui ∙ pro Nobis ∙ pependit ∙ in ∙ Ligno ∙ Alleluiac)

  2. II.

    An(n)o D(omi)ni 1 ∙ 5 ∙ 90 ∙ sundtag vor Michaeli den 23 Sept(embris) / starb der Edl vnd Vest Wolff Jacob Weissenfelder zu hilck=/ersperg vff Obernpöring Hoffkirchen Kematten Gụ̈ckhl/perg Ottlingen v(n)d Leitten seins alters ∙ 35 ∙ Jar deme Gott gened/ig v(n)d Barmhertzigd) / Sein welle Ame(n)

Übersetzung:

Christus ist aus dem Grab auferstanden, Halleluja. Der für uns am Kreuz gehangen hat, Halleluja. (I)

Bibel- und Schriftstellerzitat(e):

    Versus zur Sequenz am Osterdienstag1). (I)
Wappen:
Weissenfelder2), Zillenhart3).
Weissenfelder2)Zillenhart3)
Höhenkircher4)Westerstetten5)
Ecker6)Vöhlin7)
Barth8)unbekannt9).

Kommentar

Die Sterbeinschrift ist in einer zeittypischen Fraktur realisiert, bei der die Bögen kaum gebrochen sind. Bei a, c, e und o schwellen sie Richtung Grundlinie an, an wenigen Stellen sind sie gebrochen.

Die Gebetsinschrift hingegen ist in einer Schrift verwirklicht, die eher dem Bereich der humanistischen Kursiven zuzuordnen ist. Sie ist nicht eindeutig zu identifizieren. Die Schrift verwendet halbunziales d – das in der Regel in der Fraktur nicht zu finden ist. Die Bögen weisen eine Tendenz zur Rundung auf. p beispielsweise besitzt einen gerundeten Bogen und einen Sporn am oberen Ende des Schaftes, der leicht nach oben verlängert ist. Gleichzeitig erscheinen Formen, die Brechungen noch erkennen lassen bzw. noch der für die Gotische Minuskel und auch Fraktur typischen Streckung des Mittellängenbereichs verhaftet sind: So findet sich relativ schmales e mit ansatzweise gebrochenem Bogen neben runderem e, dessen Bogen nach untenhin anschwillt. Voll ausgerundete Buchstaben finden sich so gut wie nicht. Einstöckiges a und s, das unter die Zeile reicht, sind typisch für Fraktur, treten aber auch in der humanistischen Kursive auf, für die auch die d-Form und die eigentlich nicht mehr vorhandenen Brechungen sprechen könnten. Weitere Buchstaben sind noch schwieriger einzuordnen: es erscheint u mit diakritischem Zeichen und einem oben stark umgeknickten Schaft, der unten umgebogen ist. g zeigt einen oben verkürzten Schaft, der den oberen Bogen rechts offenlässt. Die Schriftwahl mag in diesem Fall auch mit der Technik – die Schrift ist gemalt – zusammenhängen. Auf Grund dessen lässt sich nicht ausschließen, dass die Schrift zu einem späteren Zeitpunkt erneuert – und dadurch möglicherweise auch verfälscht – wurde.

Im äußeren Aufbau ähnelt das Epitaph dem ebenfalls in Hofkirchen befindlichen Epitaph für den zwei Jahre später verstorbenen Ottheinrich Weissenfelder (Nr. 304).

Wolf Jakob Weissenfelder zu Hilgartsberg auf Oberpöring, Hofkirchen, Kematten, Gückhlberg, Ottlingen und Leithen10) war der ältere Sohn des Philipp Weissenfelder und der Anna Maria, geb. Höhenkircher11); Philipp war ein Sohn des Johann Weissenfelder und der Maria Eckher von Oberpöring12). Anna Maria Höhenkircher war eine Tochter des Bernhard Höhenkircher und der Anna, geb. Barth13). Wolf Jakob Weissenfelder war verheiratet mit Sabina von Zillenhart. In den vorhandenen Genealogien der Zillenhart ist Sabina nicht nachzuweisen, ebenso wenig in der entsprechenden Generation ein männliches Mitglied der Familie, das mit einer geborenen von Westerstetten verheiratet war.

Textkritischer Apparat

  1. Sic! Für surrexit.
  2. Es folgt ein Rankenornament.
  3. Es folgt ein florales Ornament.
  4. Unterer Bogen des g auf dem Rand; durch die gesamte Zeile Nahtstelle der Tafeln; die beiden unteren Zeilen zentriert in der Ausbuchtung.

Anmerkungen

  1. Der Text ist schon im Mittelalter vielfach als Versus und Antiphon belegt, jedoch stets mit Dominus statt Christus. Der oben angegebene Beleg versteht sich nur als Beispiel für die Verwendung in der nachtridentinischen Messliturgie. Nachtridentinische Belege finden sich u.a. auch im Breviarium.
  2. Siebmacher BayA1 61. Vollwappen im Aufsatz und Wappen 1 der Ahnenprobe des Ehemannes.
  3. Siebmacher WüA 29. Wappen in der Sockelzone vor der Ehefrau und Wappen 1 der Ahnenprobe der Ehefrau.
  4. Siebmacher BayA1 5.
  5. Siebmacher WüA 16.
  6. Siebmacher BayA1 34.
  7. Siebmacher BayA1 96 (Wappen der Freiherren von Illertissen).
  8. Siebmacher Bay 68.
  9. Offener Flug.
  10. Hilgartsberg und Hofkirchen wurden seit 1531 Johann Weissenfelder als Mannlehen verliehen und blieben bis zum Tode Ottheinrichs (vgl. Nr. 304) 1592 im Besitz der Familie, vgl. HAB Altbayern I, 27 (Deggendorf) 254f. (zu Hilgartsberg), 298ff. (zu Hofkirchen). Die Hofmark Oberpöring befand sich im Besitz der Familie Eckher, also der Familie von Wolf Jakobs Mutter, vgl. HAB Altbayern I, 30 (Landau) 118f., heute Oberpöring, Lkr. Deggendorf; Kematten: Zuweisung unklar, mehrere Orte dieses Namens existieren in der Umgebung; Gücklberg: vielleicht Büchlberg, Lkr. Passau; Ottlingen: vielleicht Ettling, Lkr. Dingolfing-Landau; Leitten: wohl Leithen, Gde. Hofkirchen, Lkr. Passau.
  11. Vgl. zu diesen auch DI 80 (Landkreis Passau I) Nr. 104†. Für Anna Maria Höhenkircher hat sich ein Grabdenkmal an St. Martin in Landshut erhalten, für ihren Mann ist ein heute verlorenes Denkmal in der Franziskanerkirche zu Landshut belegt. Vgl. Greiderer, Germania franciscana II, 446.
  12. Vgl. Hundt/Libius, Stammenbuch III, 775.
  13. Stahleder, Beiträge Bart 357f. (21b).

Nachweise

  1. Kdm NB XIV (Vilshofen) 163; Heimat=Chronik, Tf. nach 40 (mit Abb).

Zitierhinweis:
DI 101, Landkreis Passau II, Nr. 303 (Ramona Baltolu / Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di101m019k0030305.